Verlegerpräsident Rudolf Thiemann

"Ein Teil der Gesellschaft scheint den Verstand verloren zu haben"

 Rudolf Thiemann beim Publisher's Summit des VDZ
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Rudolf Thiemann beim Publisher's Summit des VDZ
Das jährliche Treffen der Zeitschriftenverleger in Berlin findet in diesem Jahr zum letzten Mal im bcc am Alexanderplatz statt. Die Verlage schicken inzwischen nur noch wenige Vertreter, die Zahl der Konferenzen wächst außerdem. Das bekommt auch der VDZ zu spüren. Das bcc ist zu groß geworden. Wohin der Publishers' Summit 2019 zieht, ist unklar. Am Montag begrüßte VDZ-Präsident Rudolf Thiemann die Teilnehmer mit einer Rede, in deren Mittelpunkt der fundamentale Wandel stand, den nicht nur die Medien, sondern auch Politik, Wirtschaft und Gesellschaft erlebten. Ihn allein auf die Digitalisierung zurückzuführen, "wäre zu kurz gesprungen". Die Kommunikation in der Gesellschaft sei "offensichtlich gestört".
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Als Beleg nannte Thiemann die Diskursverweigerung und Verschwörungstheorien. Kombiniert mit einer beispiellosen Diskreditierung von Journalismus entstehe der Eindruck, als habe ein Teil der Gesellschaft den Verstand verloren. Die Folgen seien "eine Verrohung des Umgangs miteinander" bis hin zu einer "Gewaltbereitschaft, wie wir sie bei Demonstrationen von ganz links und ganz rechts immer häufiger erleben müssen". An die Verlage richtete er die Frage, ob das "auch am Verlust der Bedeutung unserer eigenen redaktionellen Plattformen" liege. Drei Antworten darauf hatte er parat. 


Erstens: Die Verlage müssten sich im Wandel behaupten mit neuen Zeitschriften und digitalen Angeboten, die dem veränderten Anzeigenumfeld und Auflagentrends trotzten. Die zweite Antwort laute Editorial Media, anders formuliert: "kuratierter Journalismus mit dem Klarnamen des Verantwortlichen im Sinne des Presserechts". Damit positionierten sich Verlage als Träger von Werten, "die wir den Angriffen auf Freiheit und Demokratie entgegenhalten können". Freiheit, Vielfalt und Wettbewerb seien "unsere Säulen. Sie prägen uns. Sie sind gewissermaßen das Schmieröl der Demokratie", sagte Thiemann. Das allerdings gelte es kontinuierlich zu erklären, beim Publikum wie auch den Werbekunden gegenüber. Neben Appellen gehörten dazu Nachweise, "dass sich Marken in eben solchen journalistisch-redaktionellen Umfeldern sicher fühlen können". Als Beispiel nannte er die VDZ-Studie  zu Brand Safety, Trust & Credibility. 

Die dritte Antwort, sagte Thiemann, habe die Politik zu geben. Bekenntnisse allein reichten nicht aus. Für den Erhalt einer freien, publizistisch und wirtschaftlich vom Staat unabhängigen Presse als Voraussetzung für eine freie und demokratische Gesellschaft gelte es vielmehr, die Bedingungen auf allen klassischen und digitalen Vertriebswegen zu verbessern. 
Damit war der VDZ-Präsident bei den medienpolitischen Themen angelangt: Urheber- und Verlegerrecht, E-Privacy-Verordnung, Medienplattformregulierung, Telefonmarketing, AVMD-Richtlinie und Werbebeeinträchtigungen – allesamt Themen,  bei denen die Teilnehmer des Publishers‘ Summit auf die Politik hoffen. Sie ist beim diesjährigen Publishers‘ Summit vertreten durch die Bundesministerin für Justiz und Verbraucherschutz, Katarina Barley, und Wirtschaftsminister Peter Altmaier. 

Thiemann schloss mit der Bemerkung: "Wir richten uns als freie Verleger und Unternehmer gegen jede Form von Freiheitsbeschränkung". Denn Angstmacherei, Behinderung, Bedrohung und Schikane seien die "Vorboten von Verboten". Die Geschichte liefere dafür Beispiele genug. usi 

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