Und es schwirren gerade viele Themen um die Hamburger Ericusspitze: Die Aufarbeitung der Relotius-Fälschungsaffäre – und die organisatorischen, personellen und wirtschaftlichen Konsequenzen daraus. Die Fusion der Print- und Online-Redaktionen, deren heiße Phase jetzt beginnt. Die Bilanz 2018 – und die Schlussfolgerungen daraus, etwa das Aus für einzelne Print-Ableger. Und ein besonders brisantes Thema: Bertelsmanns Werbebündnis Ad Alliance. Es könnte zu einem Gesellschafterstreit führen zwischen dem Spiegel-Mehrheitseigentümer Mitarbeiter KG (50,5 Prozent) und Gruner + Jahr (25,5 Prozent mit Vetorecht).
Seit 2018 ist der Spiegel
Teil der Ad Alliance, die bisher eher als Dienstleister für G+J, die RTL-Medien und eben den Spiegel fungierte. Künftig soll sie zur zentralen Marke in der Vermarktung werden, dann auch
mit Axel Springer. Nach dem Wunsch von G+J soll auch das Sales-Team von
Spiegel Media unter der Ad-Alliance-Flagge antreten, mit gemeinsamen Büros und Teams. Dabei geht es um die Eigenständigkeit der Spiegel-Vermarktung und um Arbeitsplätze. Deshalb haben Mitarbeiter KG und G+J hier divergierende Interessen.
Und seit März steht ein
neu gewähltes Quintett an der Spitze der
Mitarbeiter KG. Drei von ihnen sind angetreten mit Kritik am Outsourcing und an einer angeblichen Abhängigkeit von G+J/Bertelsmann. „Über eine mögliche Weiterentwicklung unserer Kooperation mit der Ad Alliance beraten wir gerade intensiv“, sagt Hass gegenüber HORIZONT. Übersetzt heißt das: Hier ist Feuer in der Hütte. Dabei geht es außerdem darum, ob der Spiegel über die Digitalinventare hinaus auch Standard-Bundles in Print bestückt und ob auch er wie
G+J, RTL-Gruppe und künftig Springer seine Digital-Erstvermarktung in die Allianz einbringt.
Im HORIZONT-Interview positioniert sich Hass klar pro Ad Alliance. Und riskiert damit einen Streit mit seinem Hauptgesellschafter Mitarbeiter KG – oder einen Streit innerhalb des Gremiums. Die
Vermarktungszahlen 2018 immerhin scheinen Hass Recht zu geben: Durch stark steigende Online-Werbeerlöse (plus 6,2 Millionen Euro) nahm die Gruppe mehr ein, als sie bei Printanzeigen verlor (minus 3,5 Millionen Euro) – per Saldo steht ein Werbeplus von 2,7 Millionen Euro.
Im
Vertrieb gelang dies noch nicht: Hier gingen die Umsätze um 4,9 Millionen Euro zurück, trotz stark steigender Erlöse des digitalen
Bezahlmodells Spiegel Plus. Es war nach einigen Fehlentscheidungen (Einzeltextverkauf, Spiegel Daily) und Querelen in der damaligen Chefredaktion allerdings erst Mitte 2018 gestartet. 2019 soll es auch ein Vertriebsplus geben.
Herr Hass, in diesen Tagen ringt der Spiegel um die redaktionellen Konsequenzen aus dem Relotius-Fälschungsskandal. Und Sie haben die kaufmännische Bilanz der Affäre gezogen. Was heißt das alles für die geplante Redaktionsfusion? Kam Relotius zur Unzeit – oder gibt er dem unbelasteten Reformer Steffen Klusmann Rückenwind für Veränderungen, die ja auch Gegner haben? So ein Fall kann nur zur Unzeit kommen, den wünscht man keinem Chefredakteur dieser Welt. Für die Aufarbeitung ist es aber tatsächlich wichtig, dass Steffen Klusmann persönlich nicht belastet ist.