Derweil begründen Spiegel, Stern und Zeit ihren Rückzieher: „Wir hören damit auf das laute und kritische Echo aus dem Markt und von unseren Kunden und entschuldigen uns für die Verwirrung. Es stand für uns immer außer Frage, dass transparente und neutral gemessene Leistungswerte sehr wichtig sind.“
Der Schritt der vier Verlage – Burdas Focus war ebenfalls bei den Aussteigern mit dabei – hat in den vergangenen Tagen
massive Kritik bei Werbekunden und Agenturen hervorgerufen, öffentlich und sicher auch hinter den Kulissen. Auffällig:
Focus hat (noch) keinen Rückzieher gemacht – was auch am heutigen Feiertag in Bayern liegen könnte.
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Spiegel, Stern, Focus und Zeit
Vier Dickschiffe melden der IVW keine Heftauflagen mehr
Auch eine Art von Schulterschluss: Spiegel, Stern (Gruner + Jahr), Focus (Burda) und Zeit wollen ab 2019 keine heftbezogenen Auflagen mehr veröffentlichen. Kunden und Agenturen kritisieren den Schritt hart.
Möglicherweise war der Druck aus dem Markt so groß geworden, dass die Hamburger Häuser nicht länger warten und beratschlagen wollten (und in Hamburg war am gestrigen Mittwoch Feiertag).
Beim
Focus zeigt man sich aktuell irritiert von der Rolle rückwärts der drei anderen Häuser: „Wir sind vom Kurswechsel der Hamburger Kollegen überrascht“, sagt eine Sprecherin und ergänzt: „Es war ihr Wunsch und wir sind der Initiative beigetreten, ab 2019 auf die quartalsbezogene IVW-Meldung zu setzen (wie auch der Großteil aller IVW-gemeldeten Wochenobjekte). Wir stehen auch weiterhin zu unserer gemeinsamen Beurteilung, nach der die quartalsbezogene Auflagenmeldung die relevante
Auflagenstatistik ist. Die heftbezogenen Meldungen bringen in der retrospektiven Betrachtung für die Werbeträgerplanung keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn.“ Beim Focus wolle man nun „erneut in die Abstimmung mit den Beteiligten“ gehen. Unabhängig davon stehe es beim Focus „in keinster Weise“ zur Diskussion, die (Quartals-) Auflagen weiterhin unabhängig von der IVW prüfen zu lassen.
Ob ausgerechnet der Focus als nach eigenen Angaben Nicht-Initiator des Teilaustritts nun als einziger dabei bleiben kann oder will, ist unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist, dass sich die Münchner über das (wohl auch feiertagsbedingt) nicht final abgesprochene
Vorpreschen von Spiegel, Stern und Zeit beim Rückzieher ärgern – und die drei nun en passant als Initiator bezeichnen. Was bleibt? Eine erhöhte Aufmerksamkeit der gesamten Branche für die kommenden Heftauflagen. Und vier große Wochentitel mit offensichtlichen Abstimmungspannen und neuem Nord-Süd-Beziehungsknatsch.
Doch wie konnte es in den Wochen zuvor überhaupt zu der umstrittenen Austrittsentscheidung und IVW-Teilkündigung kommen? Wer sich hinter den Kulissen umhört, erfährt von unterschiedlichen Interessen und Eitelkeiten unterschiedlicher Akteure in
Werbevermarktung, Vertrieb, Redaktionen und Chefetagen, von fehlenden Abstimmungen und Eigendynamiken in und zwischen den vier Häusern – und von mancher eklatanten Fehleinschätzung der Marktreaktionen. Nicht alles in diesen Schilderungen passt zusammen. Aber die Entschuldigung der drei Hamburger Häuser nun, die ist eindeutig.
rp