Regionalnachrichten-Portal

Neue App in Bremen vereint Meldungen von Medien und Vereinen

Das Logo von molo.news
Screenshot Facebook / molo.news
Das Logo von molo.news
Kooperieren statt konkurrieren: Das empfehlen Bremer und Hamburger Wissenschaftler den etablierten Lokaljournalismus-Medien und haben dafür ein neues Regionalnachrichten-Portal entwickelt, das jetzt in Bremen seinen Betrieb aufgenommen hat. Die Plattform namens molo.news sammelt und verbreitet via Smartphone-App die wichtigsten Artikel regionaler Medien, aber auch Mitteilungen von Vereinen und Initiativen. Nicht dabei ist allerdings Bremens Marktführer, der Weser-Kurier.
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Hinter dem Projekt stecken das Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung (ZeMKI) der Universität Bremen, das Institut für Informationsmanagement Bremen und das Hamburger Leibniz-Institut für Medienforschung / Hans-Bredow-Institut (HBI). Das nötige Geld - bisher rund 800.000 Euro - erhalten sie vor allem vom Bundesforschungsministerium aus seiner Förderlinie „Zusammenhalt stärken in Zeiten von Krisen und Umbrüchen“.

Ausgangspunkt war nach Angaben der HBI-Professorin für Journalismusforschung, Wiebke Loosen, „dass die traditionellen regionalen Medien vor allem für jüngere Menschen immer mehr an Bedeutung verlieren, es aber noch keine digitalen Angebote gab“. Deshalb befragten die Wissenschaftler Menschen aus dem Raum Bremen nach ihren Bedürfnissen und veranstalteten mehrere Workshops mit „Akteuren der lokalen Öffentlichkeit“. Dabei zeigte sich, dass viele Mediennutzende sich ein Portal wünschen, bei dem die wichtigsten Informationslieferanten gemeinsam auftreten. So entstand das Konzept für molo.news (der Name steht für „moving local“).

Ähnlich wie bei einer Stichwortsuche mit Google-News zeigt die kostenlose App die wichtigsten Nachrichten der am Projekt beteiligten Regionalmedien wie Radio Bremen, taz Bremen oder Kreiszeitung Syke. Die Medienhäuser müssen dafür weder zahlen, noch werden sie bezahlt. Nach zwei weiteren Klicks sind die Texte dann in voller Länge zu sehen, soweit nicht eine Bezahlschranke im Weg steht. Anders als Google-News präsentiert molo.news zusätzlich auch Mitteilungen von Vereinen, Kulturinitiativen oder sozialen Bewegungen, soweit sie sich wie die Medienhäuser als Zulieferer angemeldet haben. „Wir möchten den Bürgerinnen und Bürgern so einen besseren Überblick über die vielfältigen Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe in der Umgebung verschaffen und einen Beitrag für eine bessere gemeinsame Stadtöffentlichkeit leisten“, heißt es auf der Projekt-Homepage.

In dieser Form sei die App bundesweit einmalig, glaubt der Kommunikationswissenschaftler Andreas Hepp vom Bremer ZeMKI. „Es fließt alles zusammen“, so der Professor im Gespräch mit HORIZONT. „Nicht, wer größer ist und lauter schreit, bekommt die meiste Aufmerksamkeit, sondern alle werden gleichbehandelt.“ Das biete neue Chancen zum Beispiel für kleine Sportvereine, die an Werder-Spieltagen nie in die Lokalpresse kämen, weil dort „alles zugewerdert“ sei.
Allerdings bekommt nicht jeder Nutzer jeden Text angezeigt. Denn die werbefreie App lässt sich nach eigenen Interessen konfigurieren. Personenbezogene Daten muss dabei niemand preisgeben. Damit trotz der Themen-Vorauswahl niemand in einer Filterblase landet, sendet die Redaktion besonders wichtige Meldungen („hot news“) an alle.

Die Redaktion, das sind fünf bezahlte studentische Hilfskräfte „mit journalistischer Vorerfahrung“, die von zwei wissenschaftlichen Mitarbeitern betreut werden. Gearbeitet wird im Schichtdienst - werktags zwischen 7 und 20 Uhr, am Wochenende nur sporadisch. Ihre Aufgabe: etwaige „hot news“ verbreiten und eingehende Texte mit Schlagworten („Tags“) versehen, damit die Nutzer in erster Linie ihre Wunschthemen angezeigt bekommen.

Wir gehen davon aus, dass die Nutzerinnen und Nutzer medienkompetent genug sind, um selbst zu entscheiden, wie die Inhalte einzuschätzen sind.
Andreas Hepp
Das Projekt hat allerdings ein großes Manko: Bei den Zulieferern fehlt der Weser-Kurier. David Koopmann, Vorstand der Bremer Tageszeitungen AG (BTAG), versichert auf Anfrage von HORIZONT zwar: „Im Prinzip befürworten wir wissenschaftliche Projekte, die sich mit der Zukunft des Journalismus beschäftigen.“ Aber die BTAG sehe es kritisch, wenn der Staat bei Medienangeboten nicht nur zum Beispiel die Infrastruktur fördere, sondern auch „den journalistischen Teil“ - Stichwort „Staatsferne“. Und das ausgerechnet bei einem Portal, das „die Trennung von PR und journalistischen Inhalten im Layout nicht deutlich macht“. Koopmann meint damit das Nebeneinander von Mediennachrichten und womöglich werbenden Pressemitteilungen.

Ähnlich die Position des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV). Pressesprecherin Anja Pasquay schreibt auf HORIZONT-Anfrage: „Grundsätzlich sind solche lokalen Initiativen durchaus zu begrüßen.“ Mit einem niederschwelligen Angebot ließen sich zusätzliche, idealerweise auch jüngere Zielgruppen ansprechen. Und solange es sich um ein mit Forschungsgeldern gefördertes, zeitlich begrenztes Projekt handele, dessen Erkenntnisse allen Beteiligten zur Verfügung gestellt würden, „ist das sicherlich eine Win-Win-Situation“. Kritisch sieht der BDZV aber die „einheitliche Darstellung der Inhalte“, egal ob redaktionelle Nachricht oder absenderzentrierte Pressemitteilung. Dass zum Beispiel das Stadtportal Bremen.de als gleichberechtigtes Medium neben der Lokalpresse aufgelistet werde, sei „schlicht irreführend“.

Professor Hepp räumt auf Nachfrage ein, dass Bremen.de ein Grenzfall sei. Aber: „Wir gehen davon aus, dass die Nutzerinnen und Nutzer medienkompetent genug sind, um selbst zu entscheiden, wie die Inhalte einzuschätzen sind.“ Rein werbliche Texte, etwa Produktwerbung kommerzieller Anbieter, würden nicht verbreitet.

Auf keinen Fall sehen die Forscher ihre „experimentelle Plattform“ als Konkurrenz zur Lokalpresse. „Wir wollen nicht dem Journalismus den Geldhahn abdrehen, sondern ihm ein zusätzliches Fenster eröffnen“, sagt Hepp. „Wenn alle auf höherer Ebene kooperieren, statt zu konkurrieren, dann kommt mehr rüber für alle.“ Vielleicht lasse sich so verhindern, dass es auf dem deutschen Lokalzeitungsmarkt in einigen Jahren so aussehe wie heute in den USA.

Der Bedarf scheint jedenfalls vorhanden zu sein: Eine Woche nach dem Start zählten die Wissenschaftler bereits über 600 aktive Nutzer. Die Finanzierung ist laut Hepp noch bis April 2021 gesichert. Danach könnte sich der Professor eine Genossenschaft als Trägerin vorstellen - und vielleicht auch eine Ausdehnung auf andere Regionen. stg



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