In Redaktionen wird oft noch spät gearbeitet
Arbeitgeber müssen die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter systematisch erfassen. Das entschied der Europäische Gerichtshof am Dienstag. Das Urteil könnte auch Auswirkungen auf die Arbeit von Redaktionen haben. In den meisten Verlagen gilt für redaktionelle Mitarbeiter Vertrauensarbeitszeit - doch dies könnte in Zukunft nicht mehr ausreichen. Der Deutsche Journalistenverband erneuerte bereits seine Forderung nach der Einführung digitaler Zeiterfassungssysteme.
Arbeitgeber sollen nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs verpflichtet werden, die gesamte Arbeitszeit ihrer Beschäftigten systematisch zu erfassen. Alle EU-Staaten müssten dies durchsetzen, entschieden die obersten EU-Richter am Dienstag in Luxemburg. Nur so lasse sich überprüfen, ob zulässige Arbeitszeiten überschritten würden. Und nur das garantiere die im EU-Recht zugesicherten Arbeitnehmerrechte.
Das Urteil könnte große Auswirkungen auf den Arbeitsalltag auch in Deutschland haben. Denn längst nicht in allen Branchen werden Arbeitszeiten systematisch erfasst. Auch Heimarbeit oder Außendienst müsste demnach künftig registriert werden, etwa über Apps oder elektronische Erfassung am Laptop. Wird abends von zuhause noch dienstlich telefoniert oder werden E-Mails geschrieben, könnte auch dies unter die Pflicht zur Erfassung fallen.
Im Interesse der Arbeitnehmergesundheit sollten Geschäftsführer von sich aus den Schritt machen, geleistete Arbeitszeit in den Redaktionen nachvollziehbar zu erfassen.
Gerda Theile
Im deutschen Arbeitszeitgesetz ist nach Gewerkschaftsangaben bisher nur vorgeschrieben, dass Überstunden nach den üblichen acht Stunden Regelarbeitszeit registriert werden. Gewerkschafter monieren schon lange, dass dies eigentlich nur möglich sei, wenn auch die reguläre Arbeitszeit aufgezeichnet wird.
Der Deutsche Journalistenverband DJV erneuerte nach dem Urteil seine Forderung nach der Einführung von Zeiterfassungssystemen. "Der Betriebsrat kann schon jetzt eine Erfassung der Arbeitszeiten durchsetzen, aber nur ein digitales System wäre für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen praktikabel", erklärt Gerda Theile, DJV-Referentin für Tarife und Betriebsräte. Ein Recht auf die Einführung digitaler Arbeitszeiterfassungssysteme bestehe indes nicht. "Vereinbarungen über die Arbeitszeit und damit verbundene Tariflöhne werden schnell unterlaufen, wenn die Arbeitszeit selbst nicht dokumentiert wird", erklärte Theile.
Gerade Journalisten leisteten wegen ihres Berufsethos oft und gerne Mehrarbeit. Das lade zum Missbrauch durch die Arbeitgeber ein. "Das EuGH-Urteil ist ein Weckruf für den deutschen Gesetzgeber, der Arbeitnehmern durch ein Recht auf digitale Arbeitszeiterfassung den Rücken stärken muss", erklärte Theile. Auch die Arbeitgeber seien gefordert. "Im Interesse der Arbeitnehmergesundheit sollten Geschäftsführer von sich aus den Schritt machen, geleistete Arbeitszeit in den Redaktionen nachvollziehbar zu erfassen", erklärte Theile.
dh/dpa