Marcella Hansch: "Der Plastikmüll soll gar nicht erst ins Meer gelangen. Auf dem Weg dahin hat er nämlich schon sehr viel Schaden angerichtet."
Die Ozeane ohne Plastikmüll – das ist die Vision von Marcella Hansch, Gründerin und Vorstandsvorsitzende von Pacific Garbage Screening. Mit dem gemeinnützigen Verein forscht sie an einer Technologie, mit der man die Plastikteilchen aus dem Wasser fischen kann. Was sie antreibt und wie eine Lösung aussehen kann, verrät sie beim Deutschen Medienkongress 2020 – und vorab im Gespräch mit HORIZONT.
Frau Hansch, die ursprüngliche Idee von Pacific Garbage Screening war, die Meere vom Plastikmüll zu befreien. Jetzt konzentrieren Sie sich aber auf Flüsse. Warum? Wir haben uns im Laufe des Projekts sehr intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt und mit Experten ausgetauscht. Dabei ist uns klar geworden, dass es viel effektiver ist, schon früher anzusetzen: Der Plastikmüll soll gar nicht erst ins Meer gelangen. Auf dem Weg dahin hat er nämlich schon sehr viel Schaden angerichtet. Das Plastik zersetzt sich, wird immer kleiner und gelangt in die Nahrungskette. Auch ist die Technologie auf Flüssen einfacher umzusetzen. Wir entwickeln gerade ein modulares System, das sich je nach Größe des Flusses variabel einsetzen lässt. Ein weiterer Vorteil: Was man aus den Flüssen holt, kann noch verwertet werden. Ist das Plastik erst im Meer, zersetzt es sich im Salzwasser sehr schnell, was das Recycling erschwert.
Wie funktioniert das System? Die Plastikteile befinden sich ja nicht auf der Wasseroberfläche, man kann sie also nicht einfach abschöpfen. Unsere stationäre Vorrichtung soll die Wasserfläche in einem bestimmten Bereich beruhigen, so dass die Teilchen durch ihren eigenen Auftrieb nach oben aufsteigen und entfernt werden können. Denn die allermeisten Kunststoffe sind leichter als Wasser. Zurzeit laufen Tests, um das Transportverhalten der Kunststoffe genau ermitteln. Wie das Ganze am Ende aussehen wird, wird die weitere Entwicklung zeigen.
DMK 2020
Der 12. Deutsche Medienkongress findet am 29. und 30. Januar 2020 in der Alten Oper Frankfurt statt. Das zweitägige Branchentreffen liefert News, Trends und Inspiration von Unternehmenslenkern, Querdenkern und kreativen Köpfen aus Unternehmen, Medien und Agenturen. Einer der Höhepunkte der Veranstaltung ist die Verleihung des HORIZONT Award an die Männer und Frauen des Jahres 2019. Alle Informationen gibt es auf der
Website des Deutschen Medienkongresses. Der Frühbucherpreis für die Teilnahme beträgt 999 Euro (zzgl. Mwst.). Die Anmeldung berechtigt gleichzeitig zum kostenfreien Besuch des HORIZONT Award. Veranstalter des Deutschen Medienkongresses 2020 sind HORIZONT und dfv Conference Group.
Forschen auch andere Unternehmen und Institutionen in diese Richtung? Ja, und wir sind teilweise auch mit ihnen in Kontakt. Niemand wird das universal einsetzbare System, quasi eine eierlegende Wollmilchsau, erfinden. Insofern ist es gut, dass wir uns ergänzen. Das Interesse an unserem Ansatz ist sehr groß. Wir haben bereits ein weltweites Netzwerk mit Universitäten, wissenschaftlichen Institutionen und NGOs geknüpft.
Es gibt auch Kritik an diesen Projekten. Warum? Wir können nicht verhindern, dass sich an den Kunststoffen teilweise bereits Mikroorganismen angesiedelt haben, die wir dann ebenfalls aus dem Wasser fischen. Meeresbiologen sagen teilweise, dass das, was sich im Meer angesammelt hat, schon ein eigenes Ökosystem bildet. Zerstöre man dieses, seien die Folgen nicht absehbar. Daher plädieren sie dafür, nicht einzugreifen. Dann bleibt der Müll aber im Meer. Das kann meiner Meinung nach nicht die Lösung sein. Aber da wird es immer verschiedene Meinungen geben. Wir werden versuchen, die maximal umweltfreundliche Lösung zu finden.
Der Plastikmüll soll gar nicht erst ins Meer gelangen. Auf dem Weg dahin hat er nämlich schon sehr viel Schaden angerichtet.
Marcella Hansch
Sollte man nicht lieber verhindern, dass überhaupt Plastik in Flüsse und Meere gelangt? Wenn man ihn ohnehin wieder herausfischt, sinkt die Hemmschwelle, neuen Müll zu produzieren. Das eine schließt das andere ja nicht aus. Deshalb arbeiten wir nicht nur an Technologien zur Säuberung, sondern engagieren uns in der Umweltbildung. Wir klären in Institutionen und Schulen über die Zusammenhänge auf, denn wir brauchen ein Umdenken. Und jeder kann etwas ändern – wir unterschätzen nach wie vor unseren großen Einfluss als Konsumenten. Was wir nicht kaufen, wird auch nicht mehr hergestellt. Wir sind nicht ohnmächtig!
Warum ist Pacific Garbage Screening als gemeinnütziger Verein gegründet worden und nicht als Startup? Wir sind kein Startup in dem Sinne, dass wir ein Produkt entwickeln und damit am Ende viel Geld verdienen wollen. Wir setzen uns vielmehr für eine bessere Welt ein. Aktuell finanzieren wir uns ausschließlich über Spenden, und die kann man nur als gemeinnütziger Verein bekommen. Parallel haben wir mittlerweile aber auch ein Startup gegründet beziehungsweise gründen müssen. Denn öffentliche Fördergelder, zum Beispiel aus Programmen der EU, kann man teilweise als Verein nicht beantragen.
Deutscher Medienkongress
Speaker-Update: Hansch, Lind, Giese, Bollert
Diese Frau sagt dem Plastikmüll in den Meeren den Kampf an: Marcella Hansch, Gründerin von Pacific Garbage Screening. Wie ihre Lösung aussieht, verrät sie beim Deutschen Medienkongress 2020 in Frankfurt. Angesagt haben sich auch: Helmut Lind, Vorstandschef der Sparda-Bank München, Rasmus Giese, Geschäftsführer United Internet Media, und Christian Bollert, Mitgründer des Onlineradios detektor.fm. ...
Werden Sie dann auch kein Patent für Ihre Lösung anmelden, sondern sie für den weltweiten Einsatz freigeben? Das können wir erst entscheiden, wenn wir es entwickelt haben. Es kommt letztlich darauf an, welche Partner noch im Boot sind und welche Meinung sie dazu haben. Wichtig ist für uns: Selbst wenn wir ein Patent anmelden, werden wir die Gewinne in die weitere Weiterentwicklung des Systems stecken. Die Finanzierung allein über Spenden ist nämlich unheimlich zäh, weil man damit keinerlei Planungssicherheit hat. So könnten wir das Projekt damit langfristig sicherstellen.
Können Sie keine öffentlichen Fördergelder bekommen? Das ist sehr, sehr schwierig. Man muss genau einer Ausschreibung entsprechen, was bei uns meist nicht der Fall ist, weil unser Projekt noch sehr jung ist. Hinzu kommt, dass Fonds meist eher auf Prävention abzielen und stärker auf Umweltbildung ausgerichtet sind. Wir brauchen aber Geld für die Forschung.
Wie geht es weiter? In den vergangen Monaten ist so viel passiert, dass wir kaum agieren, sondern nur reagieren konnten. Deshalb sind wir gerade dabei, unsere Strategie für 2020 festzuzurren. Es geht unter anderem um die Frage, wo der erste Prototyp stehen wird und mit wem wir dort zusammenarbeiten. Das wird ein spannendes Jahr!
kj