Die Nachricht schlug Mitte November ein wie eine Bombe. Der Medienvermarkter Ströer macht sein DOOH-Inventar künftig über Googles programmatische Plattform verfügbar. Auch darüber hinaus gab es 2019 gewaltige Umwälzungen in dem von einigen wenigen großen und vielen kleineren Playern dominierten Markt.
Ströer hat die Zusammenarbeit mit Google im Rahmen seiner Quartalsbilanz verkündet. "Das ist sicherlich ein Paukenschlag für die Branche", urteilt Frank Goldberg. "Wenn ein Konzern, der ein Viertel der gesamten Werbespendings aller Gattungen weltweit vereinnahmt, in unseren Markt einsteigt, dann darf man große Umwälzungen erwarten", so der Geschäftsführer des Digital Media Institutes (DMI) Im besten Fall würden völlig neue Umsatzquellen erschlossen, die das DOOH Wachstum weiter beschleunigen. "Im schlimmsten Fall aber entstehen völlig neue Abhängigkeiten und die Wertschöpfung wandert weg von den lokalen Anbietern in Richtung Mountain View", so seine Einschätzung.Wie genau sich die Kooperation auf den Markt auswirkt, hängt auch von den Details der Zusammenarbeit zwischen Ströer und Google ab. "Darüber wissen wir aber noch ziemlich wenig: Welches Inventar wird angeboten? Im Rahmen welcher Geschäftsmodelle? Wer hat die Hoheit über das Pricing und die Leistungswerte?", zählt Goldberg auf. Zumindest eines ist für den DMI-Chef sicher: "Nachdem DOOH lange Zeit – gemessen an seinen Stärken – zu wenig wahrgenommen und entsprechend unterbewertet war, ist es mittlerweile in der Champions League angekommen."
Erkennbar ist das auch an den Umsätzen. Bis einschließlich September kletterten die
DOOH-Umsätze bislang im Jahr 2019 auf 485 Millionen Euro. "Damit ist DOOH der eindeutige Wachstumstreiber der gesamten Gattung Außenwerbung", unterstreicht Goldberg, "Datengetriebene Kampagnen und die
programmatische Aussteuerung von Werbemitteln gehören in der Außenwerbung für immer mehr Anbieter und Agenturen zum guten Ton, das treibt die Gattung voran." 28 Prozent beträgt der Anteil der digitalen Außenwerbung an den gesamten Brutto-Werbespendings der Außenwerbung inzwischen.
DOOH: 73 Prozent Reichweite
Gewachsen ist auch die Zahl der Screens. Rund 126.000 sind es inzwischen an mehr als 37.000 Standorten. Vor drei Jahren waren es noch 111.000 Screens an 18.000 Standorten. Man findet sie an zielgruppenbasierten Touchpoints wie Fitnessstudios, Fast Food Restaurants,
Universitäten oder in den Wartezimmern von Ärzten. Screens im klassischen
Einzelhandel, an Bahnhöfen und
in der U-Bahn, am
Flughafen,
Autobahn-Raststationen und selbst in
Büro-Gebäuden sprechen breite Zielgruppen jeden Alters und jeder Einkommensgruppe an. Mittlerweile erreichen die digitalen Screens im öffentlichen Raum fast drei Viertel der Bundesbürger mindestens einmal pro Woche.
Das belegt die Studie "
Public & Private Screens 2019/2020" (P&PS), die das DMI soeben präsentiert hat. Demnach erzielt DOOH in der deutschen Bevölkerung ab 14 Jahren eine wöchentliche Reichweite von 73 Prozent – das sind 24 Prozent mehr als noch vor drei Jahren, als die letzte Erhebung des DMI erschienen ist. Eine noch größere Steigerung konnten die DOOH-Medien bei den Werbeträgerkontakten hinlegen: Diese haben seit der letzten Untersuchung um 87 Prozent zugelegt –
von 469 Millionen in 2016/2017 auf nun 880 Millionen Bruttokontakte in der Woche.
Wieviel davon genau Ströer zuzuordnen sind, weist die Studie nicht aus. Der Marktführer beteiligt sich nicht an der repräsentativen Erhebung des DMI.Die Werbeträgerreichweiten von Deutschlands größten Anbieter mit 70.000 digitalen Screens werden deshalb nicht einzeln ausgewiesen. In der Gesamtreichweite für die Public Screens sind die Ströer-Installationen allerdings berücksichtigt.
Goldbach: Auf einen Schlag auf Platz 2
Die massivste Entwicklung im deutschen DOOH Markt konnte aber zweifellos
Goldbach Germany verzeichnen. Zuerst sicherte sich die 100-prozentige Tochter der Schweizer Goldbach Group das Vermarktungsmandat für das Digital-Out-of-Home-Inventar von Visual Arts in Deutschland. Mit dem in Stockholm ansässigen Unternehmen hat ein neuer Player den deutschen Markt betreten. Das Portfolio der Schweden umfasst hierzulande die Einkaufszentren der Immobilien- und Investmentgesellschaft Unibail-Rodamco-Westfield. Durch die Partnerschaft konnte Goldbach seinen Mall-Channel auf über 80 Shoppingcenter ausbauen. Einen gewaltigen Schub nach vorne direkt auf Platz zwei im Ranking der DOOH-Anbieter, verschaffte Goldbach aber die
exklusive Vermarktungskooperation mit Cittadino.Die
Tochter der Tank-&-Rast-Gruppe verfügt über mehr als 10.000 digitale Werbeflächen an Autobahnen, Flughäfen, Einkaufszentren und in Innenstädten. Neu im Portfolio außerdem: die 1100 Screens des Burger-King-Netzes. Damit hat Goldbach sein DOOH-Portfolio hierzulande mehr als verdreifacht und kommt mit seinem mehr als 11.000 Monitoren nun insgesamt auf über 600 Millionen Werbemittelkontakte im Monat.
Tschüss 7Screen, willkommen El Cartel
Des einen Freud ist des anderen Leid. Ganz nebenbei nämlich sorgte der Goldbach-Deal auch für das vorläufige Aus von 7Screen, dem bisherigen Hauptvermarkter von Cittadino. Durch die Neuvergabe verlor die ProSieben.Sat1-Tochter auf einen Schlag 80 Prozent ihres Vermarktungsportfolios. Offiziell aus der digitalen Außenwerbung zurückziehen will sich die Sendergruppe zwar noch nicht. Doch seither ist Funkstelle. Wo der eine Fernsehsender scheiterte, steigt übrigens ein anderer, wenn auch im geringeren Umfang in das Geschäft mit digitalen Out-of-home-Medien ein. Über seine Vermarktungstochter El Cartel Media nimmt der TV-Sender RTL II die rund 1.600 Screens und mehr als 230 "Cyberobics-Leinwände" in den deutschlandweit 163 McFit-Studios Fitnesskette McFit in sein Portfolio auf. El Cartel plant hier – wie einst auch 7Screen – eine Multiscreen-Vermarktung, die TV-Kampagnen und den Einsatz von DooH-Spots umfasst. Hoffentlich mit mehr Erfolg.
Der Markt bleibt fragmentiert
Abgesehen von den zwei großen Playern Ströer und Goldbach inklusive seines Cittadino-Netzwerks präsentiert sich der DOOH-Markt immer noch sehr fragmentiert. Unzählige kleine und größere Anbieter tummeln sich darin. Ein wichtiger davon ist WallDecaux. Die deutsche Tochter des weltweit größten Außenwerbungkonzerns JC Decaux 2019 setzt auf tageslichttaugliche Screens an hochfrequentierten Standorten in den Innenstädten. Neben den alteingesessenen Außenwerbungsunternehmen wachsen aber auch immer mehr zielgruppenbasierte Netze im Markt. Eines davon vermarktet die
Deutsche Hochschulwerbung. Seit Mitte der 1990er Jahre als Full-Service-Anbieter im Bereich Hochschulmarketing unterwegs haben die Düsseldorfer in den letzten Jahren digital nachgerüstet. Digitale Stelen und Screens befinden sich an zentralen Eingangsbereichen oder vor Hörsälen, in Bibliotheken und Mensen sowie in Bereichen des studentischen Lebens in unmittelbarer Hochschulnähe.
Noch relativ neu im Markt ist zudem ECN. Das aus Australien stammende Unternehmen betreibt weltweit
Digital-out-of-Home Netzwerke in großen Bürohochhäusern. Seit 2016 ist ECN in Deutschland aktiv. In Deutschland können Werbungtreibende 169 Standorte buchen. Dabei konzentriert sich das Netzwerk vor allem auf die wichtigsten Städte – Frankfurt, Düsseldorf, Hamburg, München, Berlin und Stuttgart. ECN sieht sich vor allen Dingen auch als Wegbereiter des
Programmatic DOOH. In Deutschland ist das Netzwerk von Beginn als voll-programmtischer Anbieter gestartet und hat bereits zahlreiche automatisierte Kampagnen umgesetzt. Automatisierte und Datenbasierte Aussteuerung schreitet mit großen Schritten voran, das beobachtet man insbesondere auch an den Flughäfen. Der
Düsseldorf Airport etwa setzt auf Targeted Advertising. Dank einer intelligenten Technologie können die Mediaverantwortlichen Werbebotschaften passgenau für jede Zielgruppe ausspielen. Dafür ermittelt ein Algorithmus anhand verschiedener Datenquellen die Touchpoints am Airport, die für die jeweiligen Werbezielgruppen relevant sind.
Immer mehr zusammen wächst zudem das
deutsche Fahrgastfernsehen. Mit seinem "Berliner Fenster" ist die mc R&D GmbH bereits seit dem Jahr 2000 in den U-Bahnen und Trams der Bundeshauptstadt präsent. Im Jahr 2013 kam dann das Münchner Fenster dazu. Darüber hinaus vermarktet die mc R&D auch die F-TV-Kanäle in Dresden, Leipzig und Hannover. Das Sendenetz besteht aus über 7.267 Screens in fast 1.900 Fahrzeugen des öffentlichen Nahverkehrs.
Keine Konsolidierung in Sicht
Eine Konsolidierung ist vorerst nicht in Sicht. Inwieweit Google an Macht gewinnen wird, entscheidet sich letztendlich vielleicht auch über das Thema Daten. Dass Daten und das zielgerichtete Tracking der Zielgruppen auch im DOOH-Markt künftig eine immer größere Rolle spielen, davon ist Goldberg überzeugt. "DOOH ist ein attraktives und wachsendes digitales Medium, dass derzeit völlig unterbewertet ist. Auch hier wird die Wertschöpfung in der Zukunft immer mehr bei Distribution und Daten liegen", sagt Goldberg. Beides hat Google jetzt schon massenhaft auf Lager, doch
die DOOH-Anbieter schlagen jetzt mit der Trackingwährung zurück. Zielgruppendaten sollen damit in der digitalen Außenwerbung in Echtzeit vorliegen.
vg