Andreas von der Gathen, Simon-Kucher & Partners: „Ökonomen sagen es schon jetzt: Wir werden ärmer sein.“
Die Inflation hat Deutschland weiter im Griff, im Januar lag sie bei 8,7 Prozent. Können Unternehmen die gestiegenen Kosten an die Verbraucher weitergeben? Darüber diskutieren beim HORIZONT Kongress die Experten Carsten Baumgarth (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin) und Andreas von der Gathen (Simon-Kucher & Partners). Und Alexander Markowetz (Philipps Universität Marburg) verrät, wie man mit Daten schneller und besser Krisen überwindet.
"Für viele Unternehmen wird es zu einer Existenzfrage, wenn sie es nicht schaffen, jetzt die Preise anzupassen", sagte Andreas von der Gathen bereits im vergangenen August in einem HORIZONT-Interview. Von der Gathen ist Senior Partner und CEO der Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners. Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler bereitet die Unternehmen auf schwierige Zeiten vor, weil die Verbraucher Preiserhöhungen ungern akzeptieren. "Sie werden künftig einfach weniger konsumieren, wenn die Lebensmittel- und Energiepreise derart steigen", so von der Gathen. "Ökonomen sagen es schon jetzt: Wir werden ärmer sein."
Was können Unternehmen tun, die die Preise erhöhen müssen? Notwendig seien
wertbasierte Argumentationen, auch in den Gesprächen mit dem Handel. "Konsumenten kaufen das Produkt nur, wenn sie das Produkt für wertvoller als den gezahlten Preis halten", so von der Gathen. Darüber hinaus empfehle sich eine offene Kommunikation: "Man kann auch schwierige Sachen so rüberbringen, dass die Menschen sie verstehen – Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck macht es ja bereits vor."
Carsten Baumgart, HWR Berlin: "Nur ehrliche Preiskommunikation stärkt Marken."
Was rät
Carsten Baumgarth, seit 2010 Professor für Marketing an der
Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin? "Nur ehrliche Preiskommunikation stärkt Marken", schrieb er im November in einem Gastbeitrag für HORIZONT. Eine falsche Option seien Niedrigpreisansätze, um den Absatz zu steigern. Laut Baumgarth zeigen empirische Ergebnisse, "dass eine Preisreduzierung kaum oder gar keinen Einfluss auf den Absatz hat, wenn die Produktkategorie in der Krisensituation von den Konsumenten zu einer nicht-notwendigen Produktkategorie gezählt wird".
Auch kleinere Verpackungen – die sogenannte
"Shrinkflation" – seien keine gute Option. Zwar habe man in Studien festgestellt, dass Konsumenten weniger stark auf geringere Füllmengen reagieren als auf Preiserhöhungen. Verringerungen der Inhaltsmenge können jedoch negative Mund-zu-Mund-Propaganda provozieren. "Solche Taktiken führen zu einer Reduzierung der Markenstärke sowohl bei dem betroffenen Verbraucher als auch durch negativen User Generated Content in der Gesellschaft", so Baumgarth. Der Marketingfachmann betreibt übrigens auch den Instagram-Kanal
"Brückenbau Marke", in dem er nach dem Motto "Wissenschaft trifft Praxis" regelmäßig spannende Best-Practice-Cases vorstellt.
Alexander Markowetz, Professor an der Philipps-Universität Marburg, diskutiert über die Rolle von Daten bei der Krisenbewältigung
Um den Umgang mit Krisen geht es auch im Beitrag von
Alexander Markowetz, Professor für Informatik an der
Philipps-Universität Marburg. Der Informatiker hat während der Corona-Pandemie einen "Plan B" für ein schnelleres Ende der Lockdowns vorgelegt. Sein Vorschlag: Wer nach einem Antigen-Selbsttest ein negatives Ergebnis bekommt, gibt den QR-Code des Tests in eine Smartphone-App ein. Daraufhin erhält man einen weiteren Code, mit dem man für eine bestimmte Zeit aus dem Lockdown entlassen ist. Bei der Politik stieß er auf taube Ohren – symptomatisch, wie Markowetz findet. Die Bundesregierung hätte die Pandemie deutlich besser in den Griff bekommen, wenn sie Daten intelligenter genutzt hätte.
Markowetz selbst beschäftigt sich schon seit 2012 mit der Erforschung menschlichen Verhaltens über Smartphone-Daten. Als Juniorprofessor an der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat er im Rahmen des "Menthal-Projekts" (sic) Smartphone-Daten von über 700.000 Teilnehmern analysiert, um Aufschluss über ihre Handy-Gewohnheiten, auch über "Handy-Sucht", zu erhalten. Aus dem Projekt entstand das Marktforschungs-Startup
Murmuras, dessen Mitgründer Markowetz ist. Es bietet eine App- und Plattform-Lösung für Psychologen, Soziologen und weitere Wissenschaftler zur Durchführung von auf Smartphone-Daten basierenden Studien. Markowetz diskutiert in Frankfurt mit HORIZONT-Herausgeber
Uwe Vorkötter über "Krisen und Daten, die helfen können, diese schneller und besser zu überwinden".
DER HORIZONT KONGRESS
Der HORIZONT Kongress findet am 29. und 30. Juni 2023 im Gesellschaftshaus im Palmengarten in Frankfurt statt. Einer der Höhepunkte ist die Verleihung des HORIZONT Award an die Männer und Frauen des Jahres. Alle Informationen gibt es auf der
Website des HORIZONT Kongresses. Der Preis für die Teilnahme beträgt zum Early-Bird-Tarif 940 Euro (zzgl. MwSt.). Inbegriffen ist die Teilnahme am HORIZONT Kongress und am HORIZONT Award. Veranstalter des HORIZONT Kongress 2023 sind HORIZONT und dfv Conference Group.