Corona und die Öffentlich-Rechtlichen

Der 5-Punkte-Notfallplan der ARD

Der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow am Dienstagnachmittag bei einer kurfristig anberaumten Video-Konferenz
Screenshot: HORIZONT
Der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow am Dienstagnachmittag bei einer kurfristig anberaumten Video-Konferenz
Ein Blick auf die Einschaltzahlen der Nachrichtensendungen genügt. Das Informationsbedürfnis ist riesig, und die Öffentlich-Rechtlichen sind dabei besonders gefragt. "Wir sehen eine Verpflichtung, den Menschen in dieser Ausnahmesituation zur Seite zu stehen", sagte der ARD-Vorsitzende in einer Videokonferenz und nannte fünf Punkte, wie der Senderverbund dies umzusetzen gedenkt.
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Mit der Ankündigung, dass der Kulturbetrieb endet und die Schulen geschlossen werden, begannen fast alle Rundfunkanstalten, zu Beginn dieser Woche ihr Programm anzupassen: mit Konzertübertragungen und Lesungen, aber auch Bildungsangeboten, von der täglichen "Sendung mit der Maus" beim WDR über altersgerechte Dokus bis zu „Schule daheim“ bei ARD Alpha. Das alles leisten die Sender zusätzlich zur ohnehin umfangreichen Berichterstattung aus Bund, Ländern und der Welt inklusive neuen Formaten wie dem täglichen Podcast des NDR mit dem Virologen Christian Drosden. Er stößt beim Publikum aktuell auf ganz besonderes Interesse und soll daher zeitnah um ein Webvideo-Angebot ergänzt werden.

Die Fülle des Angebots sei eine Stärke des föderalen Systems, sagte der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow bei einer kurzfristig anberaumten Videokonferenz, nannte aber auch den Nachteil, nämlich die Unübersichtlichkeit dessen, was da alles im Hörfunk, bei Dritten und im Ersten zu finden ist. Die Intendanten beschlossen daher am Dienstag:

1.

Alles, was der Senderverbund auf seinen Fernsehkanälen, Radiowellen, in der Audio- und Mediathek zu Corona zu bieten hat, ist von nun an gebündelt auf der Webseite der ARD zu finden. Dazu gehören die Themenblöcke Bildung und Schule, Service und Recht sowie Aktuelles aus Deutschland und den einzelnen Bundesländern. Die Adresse lautet: https://1.ARD.de/rundumcorona.

2.

Ebenso diskutierten die Intendanten bei ihrer Schalte am Dienstag, was getan werden könne, sollte das Programm durch Corona-bedingte Personalnot nicht mehr aufrechtzuerhalten sein. In diesem Fall sollen die Dritten kooperieren und Kräfte bündeln, auch für zusätzliche Angebote. Geplant sind etwa gemeinsame Übertragungen von Gottesdiensten anderer Religionsgemeinschaften als der christlichen.



3.

Bis auf Weiteres wird das Erste täglich und damit verlässlich nach den 20-Uhr-Nachrichten ein 45-minütiges "ARD extra" mit vertiefenden Informationen, Erklärungen und Berichten senden. Da dies die Alltagsstrukturen einer Redaktion auf Dauer überfordert, beschlossen die Intendanten, dass sich die großen Anstalten reihum abwechseln, so dass wochenweise jeweils ein anderes Haus die redaktionelle Federführung übernimmt.

4.

Insbesondere dem Hörfunk als „ältestes soziales Medium“, wie Buhrow es formulierte, komme eine besondere Aufgabe zu. Allein die vertrauten Stimmen der Moderatoren eines Senders vermittelten Hörern schließlich ein beruhigendes Gefühl von dringend benötigter Normalität. Falls es jedoch durch Corona personelle Engpässe geben sollte, wäre die Sendeleistung möglicherweise nicht mehr gegeben. Die ARD-Wellen sollen daher auf freiwilliger Basis das Programm oder auch einzelne Programmschienen anderer ARD-Sender aufschalten können. Das gelte insbesondere für die Infowellen der ARD, die bereits Interesse signalisiert hätten, aber auch zum Beispiel für das Fremdsprachenangebot von Cosmo (WDR), das aktuell zusätzlich eine tägliche Nachrichtensendung in Gebärdensprache fürs Web entwickelt hat.

5.

Der letzte Punkt, den die Intendanten am Dienstag berieten, betrifft die ARD-Produktionen, von denen derzeit allein 20 unter dem Dach der Degeto entstehen sollten. Vielerorts mussten jedoch Drehs abgebrochen werden, oder es werden erst gar keine Drehgenehmigungen mehr erteilt. Diesen Schaden wolle die ARD nach Angaben von Programmchef Volker Herres in Partnerschaft mit den Produzenten so weit wie möglich minimieren, zudem Sorge tragen, dass alle denkbaren Hilfen von staatlicher Seite in Anspruch genommen werden und schließlich, nach jeweiliger Einzelprüfung, die dann immer noch verbleibenden Mehrkosten maximal bis zur Hälfte übernehmen. Diese freiwillige Sonderregelung gelte für alle Auftragsproduktionen zunächst bis zum 30. April dieses Jahres, sagte Buhrow ergänzend.

Damit folgt die ARD dem Vorbild des ZDF, das Entsprechendes am Dienstagvormittag angekündigt hatte.

Je länger die Corona-Krise aber andauern wird, umso wahrscheinlicher werden die Auswirkungen auf das Programm sein. Das Publikum spürt das schon jetzt. So wurden geplante Unterhaltungssendungen gestrichen, andere werden ohne Publikum ausgestrahlt. Das gilt auch für Talkshows.

Die infolge der Drehstopps entstehenden Programmengpässe werden darüber hinaus mittelfristig dazu führen, dass nicht nur Unterhaltungssendungen durch Fiktionales ersetzt wird, sondern - mehr als ohnehin geplant - Wiederholungen ausgestrahlt werden. Wahrnehmbar wird das wohl auch dann noch sein, wenn die Corona-Krise längst überstanden ist. usi




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