Andrea Malgara über Werbung in der Corona-Krise

"Bei knappen Etats zuerst an die Stammkunden denken!"

Mediaplus-Chef Andrea Malgara: "Die gesamte Welt der Kommunikation und ihre Mechanismen ändern sich nicht innerhalb von einigen Wochen."
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Mediaplus-Chef Andrea Malgara: "Die gesamte Welt der Kommunikation und ihre Mechanismen ändern sich nicht innerhalb von einigen Wochen."
Die Internetnutzung steigt zwar, aber auch die digitale Werbung wird stark unter der Corona-Krise leiden. Andrea Malgara, Geschäftsführer und Partner der Mediaplus Gruppe, schätzt das Minus für April auf 20 Prozent. Wer clever ist, könne aber gerade jetzt interessante Chancen nutzen.  
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Herr Malgara, die digitalen Medien, insbesondere die Nachrichtenportale, verzeichnen große Nutzungszuwächse. Hilft das bei der Werbevermarktung?
Das glaube ich eher nicht. Wir sehen aktuell im Digitalen zwar einen rund 13-prozentigen Reichweitenanstieg. In der Werbung wird es aber ein Minus geben, wenn auch kein extrem dramatisches. Viele Unternehmen müssen ihre Werbeaktivitäten notgedrungen zurückfahren, andere erhöhen sie aber auch. Für Online schätze ich unterm Strich für April einen Rückgang um etwa 20 Prozent.

Welche digitalen Umfelder werden dabei besser abschneiden?
Natürlich werden Nachrichtenanbieter vergleichsweise gut dastehen. Ihnen kommt auch zugute, dass Youtube die Monetarisierungsregeln geändert hat. Normalerweise darf im Umfeld von Videos, die über Katastrophen oder Ähnliches berichten, keine Werbung laufen. Das wurde nun für die Corona-Thematik geändert. Ansonsten profitieren die sozialen Medien, weil die Menschen darüber nun sehr intensiv kommunizieren. Daneben Kochportale und andere Umfelder, die mit dem Leben in den eigenen vier Wänden zu tun haben.

Sie raten dazu, nach Möglichkeit weiter zu werben. Warum?
Weil man zwei Effekte nutzt: Die Reichweiten sind höher und die Sichtbarkeit ist größer, weil weniger Druck im Markt ist. Man hat auch in der Finanzkrise nach 2008 gesehen, dass diejenigen Unternehmen, die die Werbung nicht reduziert haben, Marktanteile gewonnen haben. Bei knappen Etats sollte man zuerst an die Stammkunden denken, weil sie die meisten Käufe tätigen. Die Neukundenakquise hat dann eine geringere Priorität, denn nur 20 Prozent der Neukunden kaufen im Durchschnitt ein zweites Mal.

Nun mag die Mediennutzung steigen, aber auch die Rezeptionssituationen verändern sich. Ist man überhaupt aufnahmebereit für Werbung, wenn man sich ständig mit der Corona-Situation beschäftigt? Sollte man nachrichtliche Umfelder nicht besser meiden?
Das kann im Einzelfall ratsam sein, zumindest, bis die Nachrichten positiver werden. Aber auch in News-Umfeldern läuft ja nicht nur Corona-Berichterstattung. Und daneben gibt es ja viele weitere Inhalte, zum Beispiel Fiction, die ebenfalls deutlich stärker konsumiert werden. Dabei sind die Menschen genauso aufnahmebereit für Werbung, wie sie es auch vor Corona waren. Die gesamte Welt der Kommunikation und ihre Mechanismen ändern sich nicht innerhalb von einigen Wochen.
Gehen die Werbungtreibenden auf Nummer sicher und verlagern digitale Etats von Branding zu Performance?
Das kann ich aus unserer Praxis nicht bestätigen. Die digitalen Etats sinken insgesamt, aber die Verteilung bleibt relativ gleich. Vielleicht gibt es sogar ein Plus beim Branding: Viele große Marken legen aktuell Kampagnen zum Thema Corona auf, Mercedes-Benz wirbt fürs zu Hause bleiben, Penny lobt die "Helden der Nachbarschaft". Dahinter stehen häufig reichweitenstarke Tagesplatzierungen.

Was bedeutet das Ganze für Ihr Tagesgeschäft? Wie hektisch und volatil wird es?
Ziemlich volatil. Jeder muss nun sehen, wie er mit seinen Etats auf die veränderten Rahmenbedingungen reagiert. Es gibt zum Beispiel auch Kunden, die mit Beginn der Krise komplett herausgegangen sind und nun wieder einsteigen – weil sie sehen, dass sich die Welt auch nach der Corona-Krise weiterdrehen wird.



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