Wolfgang Büchner beim "Spiegel"

Ein Chefredakteur auf Abruf

Muss um seine Pläne werben: Wolfgang Büchner
Muss um seine Pläne werben: Wolfgang Büchner
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Der große Knall ist ausgeblieben. Wolfgang Büchner bleibt im Amt und kann seine Pläne für einen "Spiegel 3.0" weiter verfolgen - vorerst. Denn wie er das Projekt gegen den Willen großer Teile der Print-Redaktion durchsetzen soll, ist völlig offen. Der Chefredakteur steht mit dem Rücken zur Wand.

Genau drei Sätze umfasst die Erklärung, die die Gesellschafter des "Spiegel" am Freitag veröffentlicht haben. Das Projekt "findet die Unterstützung aller Gesellschafter", heißt es darin, außerdem nehme man die Sorgen ernst, die aus Redaktion und Dokumentation in den vergangenen Tagen geäußert wurden. "Die Gesellschafter begrüßen es, dass die Chefredaktion und die Geschäftsführung das Projekt 'Spiegel 3.0' in enger Zusammenarbeit mit den Redaktionen von 'Spiegel' und Spiegel Online verwirklichen wollen, sowohl was die Umsetzung als auch was den Zeitablauf angeht."

Was das genau bedeutet, ist seitdem Gegenstand von Spekulationen. Für die "FAZ" ist die Mitteilung der Gesellschafter "ein konstruktives Misstrauensvotum" und ein "Arbeitsauftrag für den Chefredakteur und die Redakteure: Rauft euch zusammen, legt los, nehmt euch so viel Zeit, wie ihr braucht, trödelt nicht und vor allem: Hört auf, euch selbst zu zerfleischen".

Das "Handelsblatt" sieht in der Mitteilung aber auch eine Niederlage für Büchner und Geschäftsführer Ove Saffe: Die Gesellschafter hätten deren Beschluss, die Ressortleiterstellen zügig neu auzuschreiben, de facto kassiert. Die "enge Zusammenarbeit" mit den Redaktionen, die die Gesellschafter in ihrer Mitteilung betonen, war in dieser Form wohl tatsächlich nicht vorgesehen. Büchner und Saffe wollten ihre Pläne zügig und gegen den Widerstand der Print-Redaktion durchboxen - und wurden von der meuternden Redaktion ausgebremst. 86 Prozent der Mitarbeiter sollen sich in einer Petition gegen die Pläne des Chefredakteurs ausgesprochen haben.

Die entscheidende Frage ist nun, ob es Saffe und Büchner gelingt, die Mitarbeiter für ihre Pläne zu gewinnen. Es ist der Versuch eines Neustarts: In einer Mail an die Mitarbeiter betonte die Führung der Mitarbeiter KG, es gebe keinen Beschluss der Gesellschafter, der das ursprüngliche Konzept billige. "Art und Ausgestaltung der Umsetzung wie auch ein möglicher Zeitpunkt und Zeitablauf" müssten nun erst geklärt werden - erst dann könne es einen Beschluss der Gesellschafter geben.

Nach Informationen der "Süddeutsche Zeitung" zieht sich Büchner für das Projekt bis auf Weiteres aus dem journalistischen Tagesgeschäft zurück. Er wolle mit den Print- und Online-Redaktionen sowie dem Betriebsrat ins Gespräch kommen - mit anderen Worten: Der Chefredakteur geht Klinken putzen und wirbt an der Basis um Zustimmung für seine Pläne. Ob ihm das nach all dem zerschlagenen Porzellan gelingt, darf bezweifelt werden. Der ohnehin mangelhafte Rückhalt von Büchner in der Print-Redaktion dürfte nach den Ereignissen der vergangenen Tagen weiter geschwunden sein. Büchner ist und bleibt Chefredakteur auf Abruf. dh



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