Werbeverbote

Der gemeinsame Kampf der Mediengattungen

VPRT-Manager Tobias Schmid fordert legale Werbung für legale Produkte
Foto: VPRT
VPRT-Manager Tobias Schmid fordert legale Werbung für legale Produkte
Über sämtliche Branchen hinweg arbeiten Politiker und Interessengruppen in Brüssel und in Berlin aktuell an neuen Gesetzen, die die werbliche Kommunikation für etliche Produkte deutlich erschweren sollen. Nicht nur für Lebensmittel sind komplett werbefreie Räume im Gespräch, auch für die Kosmetikbranche feilen Verbraucherschützer an Listen für zugelassene und verbotene Mittel, in der Finanzbranche soll der Regulierungsgürtel ebenfalls enger geschnallt werden. Dabei erzürnen die drohenden Einschränkungen nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Medienbranche.
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Und das zunächst aus einem naheliegenden Grund: Müssen die Branchen, die von den momentan anstehenden Werberegulierungsvorhaben betroffen sind, ihre Kommunikation ändern, einschränken oder gar ganz einstellen, so sind davon unmittelbar auch die verschiedenen Gattungen betroffen.
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Beispiel Lebensmittelwirtschaft: Insgesamt 1,9 MilliardenEuro hat die Branche laut Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) im Jahr 2013 für Reklame ausgegeben, der Löwenanteil von 83 Prozent (1,6 MilliardenEuro) entfiel auf das Fernsehen. Oder die regulierungsgeplagte Tabakindustrie: 76 Millionen Euro steckten die Unternehmen im Jahr 2012 in Außenwerbung, um Raucher über Großflächen und Litfaßsäulen zu erreichen. Summen, die schnell Stellen verlieren könnten, angenommen, Staatssekretär Gerd Billen, der Werbeverbote und -einschränkungen erst Mitte August als Bestandteil einer "pragmatischen Politik" bezeichnet hat, setzt sich mit seinen Überlegungen durch.

Selbst wenn kein Branchenverband die Auswirkungen potenzieller Werberegulierungen derzeit seriös beziffern will oder kann, Vorstöße wie der Entwurf zum Kleinanlegerschutzgesetz beunruhigen die Medienvertreter. Einzig Markus Ruppe, Geschäftsführer der Zeitungs Marketing Gesellschaft (ZMG), sieht Chancen für "seine" Gattung: "Wenn die Werbung in Zukunft mehr Sachinformationen enthalten muss, ist die Zeitung der richtige Ort dafür. Ihre Leser nehmen sich die Ruhe, es zu lesen, wenn es sie interessiert, auch wenn die Information nur 6 Punkt Größe hat."

Ein Optimismus, der seinen Branchenkollegen kaum gelingen will. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) glaubt zwar auch nicht an das Verschwinden von gedruckten Anzeigen des Lebensmitteleinzelhandels oder der Kosmetikbranche – immerhin verkaufe kein anderes Medium schnelldrehende Produkte besser als die Tageszeitung –, der Spielraum der Presse werde durch weitere Verbote dennoch unnötig eingeengt. "Seit Jahren werden Werberegulierungen weiter verschärft, daraufhin müssen Anzeigen inhaltlich und gegebenenfalls auch optisch verändert werden, am Ende verschwinden sie womöglich ganz. Das geschieht bei einem stagnierenden Werbemarkt, einer stark zunehmenden Zahl von Wettbewerbern und immer neuen zusätzlichen Belastungen durch die Politik", heißt es aus Berlin.

Wer Werbung unterbindet, stellt damit auch den Markt infrage. Legale Produkte müssen auch legal beworben werden dürfen
Tobias Schmid, Vorsitzender des VPRT
Ähnlich argumentiert der Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT), der als Vertreter eines der größten Werbeträger Deutschlands an konkrete Berechnungen zu Verbotsauswirkungen gar nicht denken will. Das Problem in diesem Stadium sei schließlich ein Grundsätzliches: "Wer Werbung unterbindet, stellt damit auch den Markt infrage. Legale Produkte müssen auch legal beworben werden dürfen", sagt Vorstandsvorsitzender Tobias Schmid bezogen auf die Überlegungen Billens. Es sei durchaus legitim und auch Aufgabe der Politik, die Gefährlichkeit und den Vertrieb von Produkten zu diskutieren. "Wenn aber keine Mehrheit für ein Verbot besteht, darf auch die Werbung nicht beschnitten werden."

Den Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) treibt neben den die verschiedenen Branchen betreffenden Werbeverboten vor allem die Angst vor den Folgen der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung um. Das Problem hier: Die Regulierung zieht sich durch die gesamte digitale Werbewirtschaft, und Alternativen, die ohne die Nutzung von Daten funktionieren, gibt es dort faktisch nicht mehr.

Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) ergänzt mit einer grenzübergreifenden Argumentation: Für ihn wäre es ein fatales Signal gegenüber Brüssel, wenn Deutschland, das in den vergangenen zehn Jahren als maßgeblicher Verteidiger der Werbefreiheit als Bedingung für eine staatsunabhängige Finanzierung freier Medien galt, nun selbst neue mediale Werbebeschränkungen einführen würde. kl



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