Wegen "Spiegel Plus"-Flop

Spiegel-Online-Chef Florian Harms bangt um seinen Posten

Noch Partrner: "Spiegel"-Chefredakteure Klaus Brinkbäumer (li.) und Florian Harms
Marcelo Hernandez, HH Abendblatt
Noch Partrner: "Spiegel"-Chefredakteure Klaus Brinkbäumer (li.) und Florian Harms
Einerseits passiert derzeit ganz viel an der Hamburger Ericusspitze. Nach mehreren Derivaten wie zuletzt „Spiegel Classic“ arbeitet die Redaktion neuerdings an einem Dummy für eine Fernsehzeitschrift. Andererseits gibt es Rückschritte: Das Experiment mit Laterpay gilt als gescheitert. Wieder ringt das Haus mit der Frage: Reichweite oder Paid Content? Florian Harms könnte den Kampf verlieren.
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So hat man „Spiegel“-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer selten erlebt. Ganz wider seine Art richtiggehend lautstark endete neulich ein Gespräch zwischen ihm, Geschäftsführer Thomas Hass und „Spiegel-Online“-Chefredakteur Florian Harms. Wie es zu dem Ausbruch kam? Vielleicht ging es um den Beschluss, die von Harms eingefädelte Kooperation mit Laterpay zu beenden. Vielleicht lag es an der wieder aufgeflammten Debatte, was wichtiger ist: Paid Content oder die von Harms bevorzugte Reichweite?


Laterpay funktioniert nach dem Bierdeckel-Prinzip: Der Nutzer zahlt für „Spiegel-Plus“-Artikel im Netz erst dann, wenn eine Summe von fünf Euro zusammengekommen ist – falls die Summe überhaupt aufläuft und der Nutzer nicht vorher das Weite gesucht oder sich auf andere Weise vor dem Bezahlen gedrückt hat.

Seit dem erst im Sommer erfolgten Start eines Bezahlmodells für Einzelartikel auf Laterpay-Basis konnte der Spiegel-Verlag jedenfalls kaum nennenswerte Erlöse einsammeln. Auch hat sich die Hoffnung nicht erfüllt, von Laterpay aufschlussreiche Daten zu erhalten, aus denen Erkenntnisse über die zahlbereiten Nutzer zu gewinnen wären. Nun ist offen, wie es mit Paid Content bei „Spiegel-Plus“ weitergeht: Wäre ein Abo-Modell in Verbindung mit der Gründung einer Art Klub für treue „Spiegel“-Leser die bessere Lösung? Und müsste dafür nicht qualitativ hochwertigerer Journalismus von den Onlinern kommen?

Bisher stammen die gegen Geld angebotenen Artikel weitgehend aus dem Printmagazin. Eine im Schichtbetrieb Meldungen schrubbende und auf Reichweite trainierte „SpOn“-Redaktion ist auch schwer auf Anspruch umzupolen. Die lange zur Schau getragene Harmonie zwischen Florian Harms und Klaus Brinkbäumer scheint aktuell jedenfalls vorbei zu sein. Mancher erinnert sich jetzt an den Widerstreit zwischen den Vorgängern Georg Mascolo und Mathias Müller von Blumencron, der eine Print-Chef, der andere zuständig fürs Digitale. Die Episode endete bekanntlich mit der Trennung. Wohlweislich hat Brinkbäumer daher, anders als Mascolo damals, das vertraglich zugesicherte letzte Wort, sollte es mit dem „SpOn“-Chef zum Konflikt kommen. Wird Brinkbäumer diesen Trumpf ziehen?

Florian Harms mit Vize Barbara Hans
Iris Carstensen/Der Spiegel
Florian Harms mit Vize Barbara Hans
Mit Barbara Hans jedenfalls stünde eine Nachfolgerin bereit. Ihr Vertrag als stellvertretende Online-Chefin muss ohnehin gerade verlängert werden. Ihre Ambition, bei der Gelegenheit eine Stufe nach oben zu rücken, ist dem Verlag bekannt. Noch ist keine Entscheidung gefallen. Ein Wechsel an der Spitze von „Spiegel-Online“ gilt im Umfeld der Verlagsspitze als durchaus denkbar.

Arbeiten an "Spiegel"-Programmie laufen

Dessen ungeachtet entwickelt die Redaktion nebenbei weitere Projekte. Der große Wurf war bisher nicht darunter. Das dringend benötigte Wachstum erfolgt in Trippelschritten. Nach HORIZONT-Informationen entwickelt derzeit eine Handvoll Redakteure aus dem Wirtschafts- und (ehemaligen) Medienressort unter Leitung ihres Vizechefs Markus Brauck das nunmehr bereits zweite Dummy einer neuartigen Fernsehzeitschrift. Das erste soll in der Marktforschung die Erkenntnis gebracht haben, dass die anvisierte Zielgruppe durchaus interessiert und kaufbereit wäre, böte ihnen der „Spiegel“ eine Programmzeitschrift gehobenen Inhalts an. Ob daraus etwas wird, und wenn ja, in welchem Rahmen, dürfte sich in der ersten Hälfte des nächsten Jahres entscheiden. Fest steht: Ein Wachstumsmarkt ist das Genre der Programmzeitschriften schon lange nicht mehr. Das Publikum ist preissensibel, die Produktion etablierter Titel aus Häusern wie Bauer, Funke oder Klambt ist auf höchste Effizienz getrimmt. Der Spiegel-Verlag hofft dennoch, eine lukrative Nische zu finden.

Wie umtriebig der Spiegel-Verlag bei Line-Extensions ist, zeigt ein Blick auf die vergangenen Monate. So hat der Spiegel-Verlag mit „Spiegel Classic“ gerade den nächsten Magazin-Ableger angekündigt – nach „Spiegel Biografie“, „Literatur Spiegel“ und „Kultur-Spiegel“. Auch hat sich die Verlagsspitze fest vorgenommen, im nächsten Jahr Feierabend-Pendler mit „Spiegel Daily“ zu beglücken. Längst sind nicht alle überzeugt, dass eine kostenpflichtige App neben einer kostenlosen wie „Der Tag“ (FAZ) reüssiert. Die Zweifel wachsen eher, da die „Daily“-Macher zusätzlichen Personalbedarf anmelden. usi




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