Christian Krug übernimmt ab Oktober das Ruder beim "Stern" (Foto: ANDRA)
Nachdem sich die exklusive HORIZONT-Meldung über die bevorstehende Ablösung von "Stern"-Chefredakteur Dominik Wichmann am Donnerstag wie ein Lauffeuer verbreitet hatte, ging auf einmal alles ganz schnell: Noch am Nachmittag bestätigte Gruner + Jahr die baldige Trennung von Wichmann. Am 1. Oktober übernimmt Christian Krug das Ruder bei Gruner + Jahrs Dickschiff. Die große Frage lautet nun, in welche Richtung sich die publizistische Wundertüte unter dem "Gala"-Chefredakteur entwickeln wird.
Die Reaktionen auf die Berufung von Krug ließen nicht lange auf sich warten: "Chef der #Gala wird Chef des #Stern? Dann kann man die Hefte bald endgültig nicht mehr voneinander unterscheiden",
twitterte ein User.
Micky Beisenherz, Leadautor des RTL-Dschungelcamp, spekulierte bereits über die ersten Schlagzeilen des neuen "Stern"-Chefs: "Was wird der erste Coup - 'Sylvies Tagebücher endeckt'?"
Wer sich den Lebenslauf von Christian Krug anschaut, dem wird allerdings schnell klar, dass der 48-Jährige mehr kann als People-Journalismus: Er war Inlands-Korrespondent des "Stern", Redaktionsleiter bei Spiegel TV und ab 1999 beim "Stern" schon einmal Leiter des wichtigen Ressorts Deutschland Aktuell, zwischendurch leitete er die Lifestyle-Ikone "Max" und das Lufthansa-Magazin. Beim People-Magazin "Gala" ist er erst seit 2012.
Man kann also davon ausgehen, dass Krug die gesamte Klaviatur des Magazinjournalismus beherrscht und damit zumindest auf dem Papier der ideale Kandidat ist, um den "Stern" zu übernehmen. Das indes glaubte man auch von Wichmann, der jahrelang das hochdekorierte "SZ Magazin" geleitet hatte.
Dominik Wichmann muss seinen Posten räumen
Unabhängig davon, ob Wichmann am Ende tatsächlich die weiter sinkenden Auflagenzahlen des "Stern" zum Verhängnis wurden (im 2. Quartal lag die verkaufte Auflage laut IVW noch bei 756.659 Exemplaren) oder sein
angeblich autoritärer Führungsstil und mangelnde Kommunikation - inhaltlich war in der kurzen Ära Wichmann zumindest keine klare Linie erkennbar.
Der "Stern" mäanderte in den vergangenen Monaten zwischen Gesellschaftsthemen, Nutzwert und vereinzelten Versuchen, politische Themen zu besetzen. Zuletzt wollte Wichmann die Illustrierte stärker auf die Lesesituation am Wochenende zuschneiden und seinen Lesern mehr "Inspiration" bieten. Seit dieser Woche trägt der hintere Heftteil den ebenso viel- wie nichtssagenden Rubrikentitel "Sein & Haben". Der ganz große Wurf wollte Wichmann auch mit
dem Relaunch im vergangenen Frühjahr nicht gelingen.
Nun übernimmt also Christian Krug die undankbare Aufgabe, mit dem "Stern" ein journalistisches Dickschiff weiter zu modernisieren, das seine ganz große Zeit wohl hinter sich hat. In der digitalen Ära blüht die Nische - auch im Zeitschriftenmarkt - während sich Generalisten wie Tageszeitungen und eben der "Stern" zunehmend schwer tun. Man darf gespannt sein, womit der neue Chefredakteur die vielzitierte Wundertüte künftig füllen wird. People-Geschichten gehören zur DNA des "Stern" - insofern wäre eine Story über die Tagebücher von Sylvie Meis sicher kein journalistischer Offenbarungseid. Die Gefahr, dass Krug den Fehler begeht, aus dem "Stern" eine seriösere Variante von "Bunte" & Co. zu machen, dürfte aber wohl kaum bestehen - zumal er damit dem Schwesterblatt "Gala" Konkurrenz machen würde.
Die alles entscheidende Frage ist, welche Schwerpunkte der neue Chefredakteur künftig inhaltlich setzen wird, und ob es ihm gelingt, die Auflage zumindest zu stabilisieren - bereits das wäre ein Erfolg. Man kann Krug zu seiner neuen Aufgabe gratulieren - zu beneiden ist er darum nicht: Der Chefredakteursposten des "Stern" ist und bleibt einer der heißesten Stühle in einer deutschen Print-Redaktion.
dh