Vorwurf des Landesverrats

Journalisten und Politiker verurteilen Ermittlungen gegen Netzpolitik.org scharf

Screenshot der Startseite von Netzpolitik.org
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Screenshot der Startseite von Netzpolitik.org
Der Generalbundesanwalt ermittelt gegen die Betreiber des Blogs Netzpolitik.org. Der Vorwurf: Verdacht auf Landesverrat. Netzpolitik hatte in zwei Artikeln Pläne des Verfassungsschutzes zum Ausbau der Internet-Überwachung beschrieben und dazu aus vertraulichen Dokumenten des Inlandsgeheimdienstes zitiert. Der Verfassungsschutz selbst hat daraufhin Anzeige erstattet. Die Betroffenen sehen einen Einschüchterungsversuch.
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Die Macher von Netzpolitik.org, Markus Beckedahl und André Meister, bezeichneten die Ermittlungen als "Angriff auf die Pressefreiheit". Auf ihrem Blog veröffentlichte Meister das Schreiben des Bundesanwalts, mit dem sie über die Ermittlungen informiert wurden, und fügt hinzu: "Wir sind keine Zeugen, sondern sollen als Mittäter ebenso haftbar gemacht werden wie unsere unbekannte(n) Quelle(n)". Beckedahl sagte derweil gegenüber ARD Aktuell, die Bundesregierung wolle mit den Anzeigen wegen Landesverrats die Wahrheit über die deutsche Verstrickung in den NSA-Skandal unterdrücken.

Von Journalisten wird das Vorgehen der Bundesanwaltschaft scharf kritisiert. Michael Konken, Vorsitzender des Deutschen Journalistenverbandes, verurteilt die Ermittlungen als "unzulässigen Versuch, zwei kritische Kollegen mundtot zu machen". Auch er sieht darin einen Angriff auf die Pressefreiheit und forderte den Generalbundesanwalt auf, die Ermittlungen unverzüglich einzustellen. Christian Stöcker, Leiter des Ressorts Netzwelt bei Spiegel Online, schreibt unter der Überschrift "Bedingt ermittlungsbereit": "Die Betroffenen haben völlig Recht, wenn sie von Einschüchterungsversuchen und einem Angriff auf die Pressefreiheit sprechen. Sie haben Solidarität verdient." Taz.de-Leiter Daniel Kretschmar weist darauf hin, dass auch etablierte Medien wie die "Tagesschau" prominent über die Causa Netzpolitik berichteten. "Sie alle haben genau verstanden, wem dieser Angriff gilt: allen unabhängigen Journalisten; mithin allen Journalisten."

Tagesschau Netzpolitik

Mehr als 50 Jahre nach der "Spiegel"-Affäre wird Journalisten in Deutschland wieder Landesverrat und die Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen vorgeworfen. Betroffen ist das Blog Netzpolitik.org.

Posted by tagesschau on Donnerstag, 30. Juli 2015
Der Fall weckt Erinnerungen an die "Spiegel-Affäre". Das Nachrichtenmagazin hatte 1962 unter dem Titel "Bedingt abwehrbereit" Informationen veröffentlicht, wonach die Bundeswehr für einen Atomkrieg nicht gerüstet sei. Der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Strauß (CSU) schäumte, gegen das Magazin wurde wegen Landesverrats ermittelt. Der Bundesgerichtshof lehnte ein Verfahren schließlich ab, und der "Spiegel" ging gestärkt aus der Affäre hervor.

In der Tat war dies der letzte Fall, dass deutschen Journalisten Landes- bzw. Geheimnisverrat vorgeworfen wurde. Entsprechend groß ist aktuell die mediale Aufregung. Das Interesse an dem Thema ist so groß, dass die Server von Netzpolitik teilweise in die Knie gingen. Zudem lässt sich derzeit ein Phänomen beobachten, das gemeinhin als "Streisand-Effekt" bezeichnet wird: Vermutlich lesen viele Menschen die Artikel, die Anlass für die Ermittlungen sind, nun zum ersten Mal. Beckedahl und Meister haben die Texte auf der eigens eingerichteten Seite landesverrat.org noch einmal verlinkt. ire / Mit Material von dpa

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