"Vogue"-Chefredakteurin Christiane Arp

"Wenn wir etwas nicht mögen, findet es gar nicht erst statt"

Christiane Arp ist seit 2003 Chefredakteurin der deutsche "Vogue"
Condé Nast
Christiane Arp ist seit 2003 Chefredakteurin der deutsche "Vogue"
Wenn am Montag die Berliner Fashion Week beginnt, lehnt sie sich erstmal zurück - in der ersten Reihe vor dem Laufsteg. Als Chefredakteurin der deutschen "Vogue" prägt Christiane Arp die Modewelt hierzulande wie keine zweite. Im Interview mit HORIZONT spricht die 54-Jährige über Shootings in Korea, die Schreikrämpfe der Controller, ihre Nachwuchsarbeit und - Handtaschen, natürlich.
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"Before it’s in fashion, it’s in Vogue": Frau Arp, Ihre Zeitschrift gilt als Ikone der Printbranche und als internationale Modebibel, worauf auch das vorangestellte Zitat anspielt. Was macht die "Vogue" so einzigartig? Eine enge Verbindung zur Kunst, zu den Kunstschaffenden, zu Fotografen und Designern – diese Maxime hat Verlagsgründer Condé Montrose Nast 1909 in die Statuten der ersten "Vogue" geschrieben, und dieser Maxime sind wir bis heute treu. Durch unsere Kontakte haben wir Zugriff auf das kreative Potenzial der ganzen Welt, aber auch auf Kleider, die es vielleicht nur ein einziges Mal gibt, weil es zu aufwendig wäre, sie öfter herzustellen. Unsere Shoots haben Priorität bei den Designern.


Mittlerweile erscheint die "Vogue" in 21 Ländern. Wie tauschen Sie sich aus? Jeder Controller eines rein profitorientierten Unternehmens wird jetzt einen Schreikrampf bekommen: Wir tauschen uns überhaupt nicht aus. Jede "Vogue" arbeitet komplett unabhängig voneinander. Ich weiß nicht, an was meine Kolleginnen im Ausland gerade arbeiten, welche Titelgeschichten sie machen oder welche Portraits sie schreiben. Wenn wir wie für das aktuelle Heft eine Modestrecke in Korea produzieren, fliegt unser Produktionsteam eben nach Korea. Meine Kollegen in Spanien, Frankreich und ich haben einmal zeitgleich vollkommen unabhängig voneinander jeweils ein Cover-Shooting mit ein- und denselben Dolce & Gabbana Kleid produziert, jedes sah völlig anders aus. Keine andere monatliche Modezeitschrift in Deutschland produziert zwölf Cover im Jahr selbst - außer "Vogue". Eine eigene Handschrift ist heute wichtiger denn je.

Das Cover der aktuellen "Vogue"
Condé Nast
Das Cover der aktuellen "Vogue"
Wahrscheinlich, denn auch der Modejournalismus hat sich verändert: Während "Vogue"-Redakteurinnen Anfang des 20. Jahrhunderts noch mit dem Schiff zur Modeschau gereist sind, kommunizieren sie jetzt in Echtzeit via Internet mit den Lesern, in Konkurrenz zu einer Schar von Modebloggern, die sich mittlerweile ebenfalls Respekt in der Branche erschrieben haben. Wie sichert sich die "Vogue" ihre herausragende Stellung? Wir würden nie sagen, wir stehen über allem. Ich denke, wir gehen heute Hand in Hand, die "Vogue"  betreibt eigene Blogs und einige deutsche Modeblogs sind unsere Partnersites , die Kollegen in Spanien hatten erst im April die Bloggerin Chiara Ferragni auf dem Cover. Ich habe allerdings auch nicht das Gefühl, dass in der Blogosphäre momentan viel passiert. Es gibt zwar einige etablierte Blogs, aber die sind jeweils Plattform für eine Person – die "Vogue" ist Plattform für eine ganze Branche.

Das zeigt sich auch an den Anzeigenseiten im Heft. Die größten Modemarken weltweit sind gleichzeitig die Werbekunden der "Vogue", weshalb Ihnen oft auch eine zu große Nähe zueinander vorgeworfen wird. Wie empfinden Sie diesen Drahtseilakt? Ich empfinde es überhaupt nicht als Drahtseilakt. Sehen Sie, eine gute Handtasche ist eine gute Handtasche ist eine gute Handtasche. Gehört sie in die "Vogue"? Ja! Das hat nichts mit Anzeigenkunde, oder nicht zu tun. Und natürlich werden Sie in der "Vogue" nie eine Kollektionskritik lesen. Wenn wir etwas nicht mögen, findet es bei uns gar nicht erst statt - egal, von wem das Teil stammt. Wir sind nicht der verlängerte Arm der Branche, denn dann würde ich mich nicht so stark für den Design-Nachwuchs engagieren. Der schaltet nämlich keine Anzeigen.

Ich habe nicht das Gefühl, dass in der Blogosphäre momentan viel passiert
Christiane Arp, "Vogue"
Mit dem "Vogue Salon" bieten Sie jungen Designern seit 2011 im Rahmen der Berliner Fashion Week eine Bühne für ihre Kollektion und vernetzen sie mit wichtigen Entscheidern der Branche. Anfang dieses Jahres gründeten Sie gemeinsam mit anderen Modeexperten und Branchenvertretern das Fashion Council Germany, mit dem Sie deutsches Modedesign fördern wollen. Zusätzlich fand im Januar erstmals der Berliner Mode Salon statt, ebenfalls mit Ihrer Unterstützung. Trägt Ihr Einsatz mittlerweile Früchte? Mode, die ihre kreative Keimzelle in Deutschland hat, verdient Beifall, und sie bekommt diesen auch mehr und mehr. Doch es könnte noch besser laufen. Der Branche mangelt es nicht an gutem Design, sondern an einer starken Lobby, denn das kreative Potenzial in Deutschland und dessen Relevanz als Wirtschafts- und Kulturgut wird nach wie vor unterschätzt. Zudem ist es für Nachwuchsdesigner sehr schwierig. Der Handel muss sich noch viel stärker bewegen und beispielsweise seine Sortimente variabler gestalten. Wenn jemand wie Tim Labenda, seit 2014 Vogue-Salon-Designer, dann die Herrenkollektion für Hess Natur entwirft,  freut mich das extrem.

Das klingt alles sehr leidenschaftsgetrieben, zumindest ganz anders als in "Der Teufel trägt Prada", ein Film aus dem Jahr 2006, der auf ihre amerikanische Kollegin Anna Wintour rekurriert. Wie viel Teufel muss trotzdem in einem stecken, um wie Sie mittlerweile seit zwölf Jahren im Chefsessel der deutschen "Vogue" zu sitzen? Nun, Everybody's Darling  ist sicherlich keine von uns. Aber wir stehen mit unserem Namen nun mal für den Inhalt der "Vogue", und Editieren ist nicht immer eine demokratische Entscheidung. Gleichzeitig begegne ich meiner Position mit Respekt und Demut: Es ist ein unglaubliches Privileg, diesen Job machen zu dürfen und die Branche ein Stück weit zu prägen. Anna Wintour ist seit 26 Jahren Chefredakteurin der amerikanischen "Vogue", genauso lange wie Franca Sozzani in Italien, Alexandra Shulman führt die UK-Ausgabe seit über 20 Jahren – in dieser Zeit KÖNNEN Sie prägen! Aber ich durfte in die Schuhe, die mir am Anfang sicherlich zu groß waren, hineinwachsen. Diese Zeit gibt einem heutzutage kaum noch ein Verleger. kl
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