Stellt den Erfolg von Facebook und Co in Frage: Guido Modenbach, Geschäftsführer von Seven-One Media
Gestern Instagram und Snapchat, heute Pokémon Go: Die Geschwindigkeit, in der neue (Medien-)Angebote um die Aufmerksamkeit der Nutzer buhlen, nimmt immer mehr zu. Den Alternativenreichtum bekommen vor allem etablierte Plattformen wie Youtube und Facebook zu spüren, während das klassische Fernsehen nach wie vor die Bewegtbildnutzung dominiert. Das geht aus dem zweiten Viewtime Report hervor, mit dem Pro-Sieben-Sat-1-Vermarkter Seven-One Media die Bandbreite der Bewegtbildnutzung in Deutschland im langfristigen Verlauf darstellen will.
Fels in der Brandung ist dabei eindeutig TV: Im Vergleich zum 2. Quartal 2015 wächst die Bewegtbildnutzung um 3 Prozent von 249 auf 257 Minuten täglich. Getrieben wird die Entwicklung vorrangig von einer wachsenden Verweildauer bei Zielgruppen unter 30 und über 50 Jahren sowie von der zunehmenden Nutzung von linearem Fernsehen auf alternativen Verbreitungswegen, die zum Großteil (50 bis 60 Prozent) auf PCs und Laptops stattfindet und von der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) noch nicht erfasst wird. Laut Guido Modenbach, Geschäftsführer von Seven-One Media, war das während der Fußball-Europameisterschaft besonders auffällig, als die Spiele live über die Mediatheken gestreamt wurden.
Beim Blick auf die tägliche Videonutzung bleibt TV dominant
Die eigentliche
Online-Videonutzung wächst dagegen derzeit ausschließlich durch die Nutzung kostenpflichtiger Videos, während kostenlose Angebote wie
Youtube stagnieren. So liegt die tägliche Nutzungsdauer in der Gesamtbevölkerung mit 5,5 Minuten knapp eine Minute unter Vorjahresniveau. Daran schuld ist ausgerechnet die junge Zielgruppe: Bei den 14- bis 29-Jährigen sinkt die Nutzung im Vergleich zum Vorjahr um 25 Prozent. "Vor allem das Engagement ist auffallend gering", sagt Modenbach. "Fast 90 Prozent kommentieren nie Videos."
Bewegtbildwerbung
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Auch für
Facebook diagnostiziert Seven-One eine stagnierende Geschäftsentwicklung. Der weiteste Nutzerkreis lag im 2. Quartal 2016 bei 38 Prozent der Gesamtbevölkerung. Das heißt: 62 Prozent der Gesamtbevölkerung werden über das soziale Netzwerk überhaupt nicht erreicht. Auch bei der begehrten jungen Zielgruppe sinkt die Reichweite im Vorjahresvergleich auf 65 Prozent (minus 6 Prozent bei den 14- bis 19-Jährigen). Die bis 29-Jährigen sind zwar weiterhin Facebook-affin, allerdings die Nutzergruppe zwischen 30 und 49 Jahren mittlerweile ebenso groß. "Dass die Reichweite bei der jüngeren Zielgruppe sinkt, ist ein fundamentales Problem für Facebook", sagt Seven-One-Chef Modenbach. "Weder auf Instagram noch auf Whatsapp hinterlegen die Nutzer so viel Daten wie auf Facebook." Die Datentiefe der Plattform werde dadurch enorm aufgeweicht.
28 Prozent der Facebook-Mitglieder sehen täglich Video-Inhalte. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung ist die tägliche Reichweite der Plattform mit 10 Prozent weiterhin gering. Dazu kommt: Die meisten Facebook-Videos starten automatisch und werden größtenteils ohne Ton gesehen. Als Folge dessen werden die Beiträge immer häufiger auf die visuelle Rezeption hin optimiert und haben großflächige Untertitel und Textpassagen.
Instagram und Snapchat sind derzeit vor allem ein Jugendphänomen
Geringe Reichweiten weist der Viewtime Report auch Angeboten wie
Instagram und
Snapchat nach, die erstmals mit ausgewiesen werden. Vor allem: Die Nutzung der beiden Plattformen ist hochkonzentriert, und die junge Kernnutzerschaft stellt bislang lediglich eine hochkonzentrierte Special-Interest-Zielgruppe dar. 23 Prozent der 14- bis 29-Jährigen – und das ist der Bestwert – nutzen die App mit dem Geist, 72 Prozent davon täglich. Bei Instagram sind es in derselben Altersgruppe 43 Prozent und davon 71 Prozent tägliche Nutzer.
Selbst bei den
Millennials, also der Zielgruppe, die mit digitalen Medien aufgewachsen ist und die 14- bis 34-Jährigen umfasst, ist klassisches Fernsehen nach wie vor fest im Alltag verankert. Die TV-Nutzung bleibt im Vorjahresvergleich stabil, selbst wenn der weiteste Nutzerkreis im gleichen Zeitraum von 93 auf 89 Prozent sinkt. Pay-Videodienste wie Netflix und Amazon Video wachsen in der Zielgruppe zugleich kräftig. Die Pay-VOD-Nutzungsdauer verdoppelte sich von 5 auf 10 Minuten, der weiteste Nutzerkreis stieg im 2. Quartal 2016 auf 38 Prozent. Eine Kannibalisierung von TV durch die Onlineangebote findet offenbar bislang nicht statt.
Nach oben geht es weiterhin auch mit
Connected TV. 26 Prozent der Deutschen nutzen ein TV-Gerät, das direkt oder indirekt, also etwa über eine Spielkonsole oder eine Set-Top Box, an das Internet angeschlossen ist. Insgesamt ist die Nutzung hier seit 2014 durchschnittlich um 21 Prozent pro Jahr gestiegen.
kan Viewtime Report #2
Die Studie basiert auf einer repräsentativen Telefonbefragung unter rund 3000 Personen im 1. und 2. Quartal 2016, ausgeführt vom Marktforschungsinstitut Forsa. Endgeräte (zum Beispiel Tablet-PC), Übertragungskanäle (Internet) und inhaltliche Aktivität (kostenloses Video ansehen) wurden separat und auf Basis der Nutzung am „gestrigen Tag“ abgefragt. Validiert wurde der Viewtime Report durch eine neuartige technische Messung, bei der eine auf den stationären Endgeräten von rund 1500 Youtube-Nutzern installierte Software alle kostenfreien Videostreaming-Aktivitäten registriert hat.