So stellt sich Snapchat Discover den Nutzern dar
Die Einführung so genannter Instant Articles auf Facebook, bei denen Medienhäuser ganze Multimedia-Artikel direkt auf der sozialen Plattform einstellen können, hat die Branche in helle Aufregung versetzt. Dabei wird das Prinzip bereits seit Beginn des Jahres erfolgreich eingesetzt – und zwar von der Messaging-App Snapchat. Der Kampf beider Systeme ist völlig offen.
Snapchat Discover nennt sich das Feature, das Medienhäusern ermöglicht, innerhalb der App eigene Inhalte zu veröffentlichen. Bislang wird Discover von elf namhaften Medienpartnern genutzt: CNN, MTV, Cosmopolitan, Daily Mail, Bleacher Report, Food Network, National Geographic, People, Vice, Yahoo und Fusion. Das redaktionelle Angebot dieser Medien weiß durchaus zu überzeugen: CNN macht heute (22. Mai) beispielsweise mit einem Bericht über die Eroberung der syrischen Stadt Palmyra durch den "Islamischen Staat" auf. Die "Cosmo" porträtiert derweil ein Model mit Down Syndrom, während "Vice" ein Video-Interview mit "Mad Max"-Regisseur George Miller geführt hat. Zudem füttert Snapchat die App mit von einem eigenen Team zusammengestellten Inhalten.
Snapchat-Artikel von CNN, "Cosmo" und Vice vom 22. Mai 2015
Das Ganze funktioniert selbstredend nach dem Prinzip, das Snapchat besonders bei Teenagern beliebt gemacht hat: Ebenso wie die mit der App verschickten Nachrichten verschwinden auch die Medieninhalte nach einem Tag. Dann werden sie durch neue Artikel ersetzt. Fast wie bei einer (gedruckten) Zeitung.
Snapchat Discover
Snapchat Discover ist besonders aus zwei Gründen interessant: Es handelt sich dabei um ein allein für die mobile Nutzung zugeschnittenes Produkt, was dem Konsumverhalten moderner Mediennutzer natürlich besonders zugute kommt. Außerdem erreichen die Medien die Nutzer auf diese Weise dort, wo sie sich ohnehin aufhalten: auf einem mobilen Endgerät und – das kommt noch hinzu – in einer App, die sowieso von Millionen Menschen bereits genutzt wird. Der Download einer zusätzlichen App ist nicht erforderlich. Das macht die Sache bequem für solche Nutzer, die der App-Flut auf ihren Smartphones ohnehin nicht mehr Herr werden.
So sieht die komplette Oberfläche von Snpchat Discover aus
Genau das macht Facebook nun auch mit Instant Articles. Statt allein mit Inhalten gefüllt zu werden, die bereits woanders publiziert worden sind, will das soziale Netzwerk künftig Inhalte aus erster Hand bieten. Das würde die Bindung der Nutzer an die Plattform erhöhen und damit die Verweildauer – und die wiederum ist nicht unerheblich für die Werbevermarktung. Auch wenn die Medienpartner bei den Instant Articles die Möglichkeit haben, diese selbst in die Hand zu nehmen. Gänzlich leer dürfte Facebook aus der Nummer nicht hervorgehen. Bei Snapchat hingegen werden die Werbeeinnahmen zwischen den Medienunternehmen und der App aufgeteilt.
Snapchat Murders Facebook
Unklar ist derzeit noch, wie sich die Einführung der Instant Articles auf Snapchat Discover auswirkt. Der Platzhirsch in Sachen Social Networks dürfte dem kleineren Konkurrenten durchaus Publikum streitig machen, auch wenn
Facebooks Launchpartner bislang eine unterschiedliche Klientel ansprechen. Von "New York Times", "National Geographic", Buzzfeed, NBC, "The Atlantic", "The Guardian", BBC News, "Spiegel" und "Bild" ist eigentlich nur Buzzfeed dezidiert auf eine junge Leserschaft ausgerichtet.
HORIZONT Digital Days
Mit der Frage Mobile First oder nicht beschäftigen sich auch die HORIZONT Digital Days am 13. Und 14. Juli in Berlin. Top-Speaker wie Anders-Sundt Jensen, Leitung Marketing Kommunikation bei Volkswagen, Stefan Hopf, Yahoo Deutschlandchef, Oliver von Wersch. Geschäftsführer von G+J Digital Products, Ulf Heyden, Director Commercial Tomorrow Focus News und Andreas Rau, Head of Performance Intelligence, Uniquedigital, diskutieren am 13. Juli, wie man seine Zielgruppen am mobile besten erreicht. Der zweite Konferenztag ist ein Learning Day: Florian Gmeinwieser, Head of Mobile der Serviceplan Gruppe, zeigt am Beispiel von Best Cases, wie mobile wirklich funktioniert. Wer wissen will, worauf es im Digitalbusiness ankommt, darf die HORIZONT Digital Marketing Days nicht versäumen. Weitere Infos und Anmeldung unter
Conferencegroup.de/digital15.
Doch der Kampf ist keineswegs entschieden, bevor er richtig begonnen hat. Erstens will Snapchat sich dezidiert von Social-Media-Plattformen differenzieren ("Um festzulegen, was wichtig ist, vertrauen wir Redakteuren und Künstlern, nicht Klicks und Shares", heißt es in der Beschreibung von Snapchat Discover). Außerdem sind die Kennzahlen von Snapchat zu beeindruckend. Gerade bei jungen Nutzern erfreut sich die App großer Beliebtheit – also bei jener Zielgruppe, um die Facebook immer härter kämpfen muss. Ein paar Zahlen aus den USA zur Verdeutlichung:
Laut einer Untersuchung des renommierten Pew Research Center verwenden 41 Prozent aller US-Teenager zwischen 13 und 17 Jahren Snapchat, 11 Prozent davon benutzen die App sogar am häufigsten. Facebook liegt in beiden Statistiken zwar weit vorne - der Abstand ist jedoch nicht mehr so exorbitant wie noch vor einigen Jahren.
Snapchat-Nutzung
Zudem legt Snapchat ein beeindruckendes Wachstum hin: Laut Global Web Index wuchs die App im 1. Quartal 2015 um 45 Prozent – und damit nur unwesentlich langsamer als der Facebook-Messenger (53 Prozent), den Nutzer allerdings installieren müssen, wenn sie Nachrichten via Facebook verschicken wollen. Instagram (43 Prozent), Pinterest (40 Prozent) und Whatsapp (37 Prozent) hat Snapchat beim Wachstum sogar überholt. Im vergangenen Jahr lag Snapchat weltweit sogar an Nummer 1 der am schnellsten wachsenden Apps. Es verwundert nicht, dass Facebook vor einigen Jahren eine Milliarden-Offerte für Snapchat auf den Tisch legte. CEO Mark Zuckerberg hatte das Potenzial des Konkurrenten früh erkannt -
biss bei Snapchat-Gründer Evan Spiegel jedoch auf Granit. Dass Snapchat wirklich Facebook killt, wie es das Video "Snapchat murders Facebook" (siehe oben) suggeriert, ist derzeit allerdings nicht zu erkennen.
Die Top 15 Messaging Apps weltweit nach Nutzerwachstum im 1. Quartal 2015
Fakt ist jedoch: Mit seiner jungen, mobil äußerst aktiven Nutzerschaft
erzielt Snapchat teilweise gigantische Reichweiten. Ein Beispiel: Nutzer können bei bestimmten Anlässen eigene Beiträge posten, die dann in einer Reihe mit anderen Snaps zu diesem Thema angezeigt werden. Snapchat nennt dieses Allokationsmuster "Our Story". Ein solcher Beitrag zu einem Schneesturm in New York kam im Januar
auf knapp 25 Millionen Views. Da wird der eine oder andere TV-Manager sicher geschluckt haben.
Vor diesem Hintergrund ist der Medien-Run auf Snapchat nicht verwunderlich. Und Snapchat kann es sich wiederum erlauben, für seine Werbeformate absolute Mondpreise aufzurufen -
so wurde es zumindest im Frühjahr kolportiert. Eine Anfrage von HORIZONT Online zum Werbemodell des Unternehmens ließ Snapchat bislang unbeantwortet.
Wie besonders in den vergangenen Wochen deutlich wurde, steht Snapchat Discover an der Spitze einer Bewegung, die nun so richtig Fahrt aufzunehmen scheint. Verlagsinhalte sind heiß begehrt bei Digital-Unternehmen wie
Pocketstory,
Blendle, Readly und eben Snapchat und Facebook. Weil diese den Medienunternehmen mittlerweile bei der Vermarktung recht weit entgegenkommen, könnte aus den neuen Partnerschaften für die Verlage tatsächlich so etwas wie ein Geschäftsmodell entstehen. Die Zukunft hat gerade erst begonnen.
ire