Der Spiegel Verlag experimentiert mit Print
Im Schnellverfahren beendet der Hamburger Verlag das Erscheinen von „Spiegel Classic“. Die erste war zugleich die letzte Ausgabe. Nun probiert es der Verlag mit einem anderen Printobjekt. Das vierzehntägliche „Spiegel Fernsehen“ setzt auf Zuschauer, die im linearen wie im Streaming-TV nach Qualität und Relevanz suchen.
Gerade einmal sechs Wochen ist es her, dass der Spiegel-Verlag ein neues Magazin auf den Markt gebracht hat, schon ist es wieder eingestellt. „Spiegel Classic“ für die Generation 50 plus schaffte es nicht, von den 165.000 gedruckten Exemplaren auch nur annähernd so viele zu verkaufen, wie es hätte sollen. Anstatt dem Titel eine zweite Chance zu geben und an der Cover- und Heftumsetzung zu feilen, entschied sich der Verlag, das Projekt sofort zu stoppen. Zum Mut etwas auszuprobieren gehöre auch der Mut zu scheitern und sich das Scheitern einzugestehen, so jedenfalls will das der Verlag interpretiert wissen. Entmutigt zeigt er sich dennoch nicht. An diesem Freitag startet er, wenngleich nur testweise, das nächste Printmagazin: „Spiegel Fernsehen“. Das bestätigte Verlagsleiter Michael Plasse.
Mit "Spiegel Fernsehen" startet das nächste Printprojekt des Hamburger Verlags
Bereits
im November hatte HORIZONT berichtet, dass eine Handvoll Redakteure eine TV-Zeitschrift entwickelt, die auf die Bedürfnisse eines selektiver fernsehenden Publikums mit Vorliebe für qualitativ hochwertiges und relevantes Programm zugeschnitten ist. Vorangetrieben hat das Projekt Geschäftsführer Thomas Hass. Er war es auch, von dem der Impuls zu der Entwicklung gekommen war. Das Projekt geleitet hat „Spiegel“-Wirtschaftsvize Markus Brauck.
Zwei Dummys produzierte Brauck mit einem kleinen Team, beide gingen in die Marktforschung, die Ergebnisse veranlassten zu hoffen, dass die Idee funktioniert. An diesem Freitag geht das vierzehntägliche „Spiegel Fernsehen“ mit zunächst zwei Ausgaben im regionalen Testmarkt Hessen in den Verkauf. 2,60 Euro wird das Heft kosten. Die 180 Seiten teilen sich in einen 60-seitigen Mantel, der Rest gliedert sich in täglich drei Doppel-Seiten TV-Listing, die der Klambt-Verlag zuliefert, und zwei Seiten mit redaktionellen Empfehlungen. Redaktionsleiter ist Christian Buß aus dem Kulturressort von „Spiegel Online“.
Der Untertitel ist Programm: „Das Beste aus TV und Streaming“. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass es nie so viel Qualität und Relevanz im Fernsehen gab, dass der nur gelegentliche Zuschauer davon allerdings oft gar nichts mitbekommt, auch nicht in der traditionellen Programmpresse. „Spiegel Fernsehen“ folgt dabei der Idee eines Reiseführers, der durch das Programm sowohl im linearen TV führt als auch durch die Streamingangebote von Amazon Prime und Netflix sowie die Mediatheken der Sender.
Wie klar sich „Spiegel Fernsehen“ von Titeln wie „TV Spielfilm“ und anderen unterscheidet, zeigt sich schon auf dem Cover. Es verzichtet auf die üblicherweise stark retuschierten und immergleichen Models vor meist blauem Fonds. Die erste Ausgabe zeigt eine die Stirn runzelnde Schauspielerin Nora Tschirner. Mit ihr hat „Spiegel“-Redakteur Alexander Kühn ein Gespräch über Schönheit im Fernsehen geführt.
Das für jede Ausgabe eingeplante „Spiegel“-Gespräch mit einem Fernsehmenschen vor oder hinter der Kamera ist eines von mehreren Mantelelementen. Zu den weiteren gehören Kolumnen von Nils Minkmar über Politik im Fernsehen, von Daniel Kehlmann über Serien und von Anja Rützel über Trash-TV.
Sollten die Verkäufe im vierwöchigen Testmarkt Hessen darauf schließen lassen, dass es für „Spiegel Fernsehen“ in der Masse der in unterschiedlichen Rhythmen und für unterschiedliche Interessen erscheinenden Programmpresse eine lukrative Lücke existiert, könnte die Zeitschrift von September an bundesweit auf den Markt kommen.
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