Mit dem mehrfach verschobenen Urteil geht ein dreijähriger Rechtsstreit letztinstanzlich zu Ende. Damit ist nun das sogenannte
zentrale Verhandlungsmandat des Verbandes, das die Branche - und gerade Bauer als mächtiger verlagsseitiger Verhandlungsführer - über Jahrzehnte praktizierte, endgültig verboten.
Anfang 2011 hatte Bauer vor dem Landgericht Köln gegen diese Praxis geklagt und
ein Jahr später Recht bekommen: Die Richter sahen ein wettbewerbsrechtlich unzulässiges
Preis- und Konditionenkartell. Der Grosso-Verband hatte gegen das Urteil
Berufung eingelegt -
und nun hat das OLG Düsseldorf final entschieden. Das zentrale Verhandlungsmandat bezwecke eine
horizontale Wettbewerbsbeschränkung, da es einen Rabatt- und
Konditionenwettbewerb zwischen den Grossisten und den Verlagen verhindere, so die Richter.
Und jetzt? Jetzt könnten die bis 2018 laufenden
Handelsverträge aller Verlage mit den Grossisten hinfällig sein - es sei denn, Verlage und Zwischenhändler holen ein formales, bilaterales Verhandlungsprozedere nach, welches ja zu denselben Konditionen führen kann wie bisher. Allerdings könnte der eine oder andere Verlag trotz aller offiziellen Bekenntnisse zum Status quo auch versucht sein, hier und da
bessere Konditionen nachzuverhandeln.
Und Bauer? Der Familienverlag strebt seit jeher
bilaterale Verhandlungen mit den Grossisten an. Konkret will man differenzierte Konditionen, die sich etwa nach dem vom Verlag nachgefragten Servicegrad im Handel und nach den regionalen Kostenstrukturen des jeweiligen Grossisten richten. Sprich: Bauer will die
Handelsspannen der Grossisten drücken.
Wenn Bauer oder einem anderen Verlag das gelingt, dann muss der betreffende Grossist diese Konditionen auch allen ähnlichen Titeln gewähren, weil er als
Gebietsmonopolist niemanden benachteiligen darf. Darauf pocht vor allem Bauer. Allerdings hatte der Verlag
im Oktober 2011 vor dem Bundesgerichtshof erstritten, dass ein Grossist eben kein Monopolist sein muss, weil man ihm kündigen, andere mit der Weiterdistribution eigener Titel beauftragen oder dies selbst übernehmen kann. Daher will sich Bauer wohl nur die
Rosinen aus dem System picken.
Der Grosso-Verband indes fürchtet bei einem Ende seines Verhandlungsmonopols
mehr Wettbewerb, sinkende Handelsspannen und letztlich eine verstärkte Fusionswelle der eigenen Klientel.
Die Schutzbehauptung: Allein einheitliche Konditionen garantierten eine flächendeckende Belieferung sowie auch kleineren Verlagen einen neutralen Marktzugang.
Diese Behauptung sticht jedoch kaum, weil es eben nicht auf die Größe des Verlags ankommt, sondern auf die Titel. Wegen des
Diskriminierungsverbots müssen vergleichbare Titel auch gleich behandelt werden - egal, ob sie aus einem großen oder kleinen Haus kommen. Sind Pressevielfalt und Demokratie daher wirklich in Gefahr, wenn das Einkommen der Zwischenhändler divergiert und teils sinkt? Auch das OLG Düsseldorf bezweifelt dies.
Und auch den letzten Strohhalm der Grossisten hat das OLG geknickt. Im vergangenen Jahr hatten es der Grosso-Verband und die Verlegerverbände geschafft, dass die damalige
schwarz-gelbe Koalition die Branchenabsprachen im Pressevertrieb - bis dato lediglich stillschweigend geduldet - nun im Rahmen der 8. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (
GWB) explizit als
Ausnahme vom allgemeinen Kartellverbot erlaubt. Das OLG Düsseldorf hat diese neue Rechtsgrundlage eigens abgewartet, was den Grosso-Verband zunächst hoffen ließ.
Doch das OLG urteilt, dass die neue nationale GWB-Kartellerlaubnis fürs Pressewesen gegen
Europarecht verstößt.
Eine Revision des Urteils vor dem Bundesgerichtshof (BGH) ist nicht möglich. Allerdings steht dem Grosso-Verband gegen das Urteil das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH zu, welches man auch nutzen will.
Hier lesen Sie die Reaktionen von Bauer und Grosso-Verband. rp