Die Gesellschafter Verimis – Axel Springer, die Deutsche Bank, Daimler, Allianz, die Lufthansa, Telekom und die Bundesdruckerei – haben, genau wie der Rest der digitalen Wirtschaft Europas, guten Grund, Donata Hopfen beim Wort zu nehmen. Ihr Mut, an die große Vision zu glauben, und die Ausdauer, sie Schritt für Schritt in der Praxis umzusetzen, hat ihr zumindest bislang genau jene Dinge ermöglicht, vor denen andere längst kapituliert hätten.
Die Verbreitung und Bedeutung mobiler Endgeräte steigt? Hopfen übernimmt die Verantwortung für Bild Mobil. Die Zeitungsauflagen und die Anzeigenerlöse erodieren bei gleichzeitiger Abwesenheit eines funktionierenden Geschäftsmodells fürs Digitale? Hopfen übernimmt den Print- und den Digitalbereich einer der mächtigsten Medienmarken Europas. Ein Mammutprojekt, an dem sie gemessen werden wird. Nach dem Aufstieg zur Verlagsgeschäftsführerin verbringt sie trotzdem erst einmal Tage am Kiosk, in der Druckerei und in den Redaktionen. Weil sie den Einfluss der gedruckten Nachrichten nicht nur in Bilanzen lesen will, sondern spüren, wie es ist, wenn eine Schlagzeile auf die Titelseite gedruckt ist und nicht als Headline auf Bild.de schnell wieder verschwindet.
Sie möge es, „unbeschrittene Wege zu gehen“, sagt die Horizont Medienfrau des Jahres 2015. Dass die auch steinig sein dürfen, zeigt Bild Plus. Das Bezahlmodell für Bild.de, eine der reichweitenstärksten Websites in Deutschland, gilt als Wegweiser für die europäische Zeitungsbranche. Die Hoffnung, dem couragierten Vorgehen der Berliner würden auch andere zaghaftere Verlage folgen, erfüllt sich zwar nur schleppend, aber heute, vier Jahre nach der Einführung, zahlen 365000 Abonnenten. Das Mammutprojekt hat messbaren Erfolg.
Neues und Unbekanntes entdeckt Hopfen auch anschließend: Sie wird Mutter. Anfang 2016 bringt sie Zwillinge zur Welt – und plötzlich ist alles anders. Aber gerade jetzt greift eine andere Eigenschaft Hopfens: Organisiert wird alles, was sich organisieren lässt, vor allem, um größtmögliche Freiheiten für die Familie und den Beruf zu behalten. Heute sagt sie, die Kombinierbarkeit von beidem sei gut möglich, aber gesellschaftlich längst nicht etabliert. „Ich fühle mich nicht mehr als Exot, nur weil ich mit zwei kleinen Kindern zu Hause wieder Vollzeit arbeite. Aber der gesellschaftliche Wandel ist längst nicht so weit vorangeschritten, wie ich es vielleicht geglaubt hätte.“
Umso besser, dass die Verbindung bleibt: Axel Springer ist eines der Gründungsmitglieder der Datenallianz, die Hopfen gerade aufbaut. Verimi – ein aus den Begriffen „Verify“ und „Me“ gebautes Kunstwort – ist eine der ersten Datenallianzen dieses Jahres und sicherlich die prominenteste: Branchengrößen wie Daimler, Allianz und Deutsche Bank, die Telekom, Lufthansa und Springer arbeiten an einer gemeinsamen Tech-Plattform und einem autarken Nutzer-Login, das eine Vielzahl von digitalen Möglichkeiten erschließen und Verbrauchern die volle Kontrolle über ihre Daten geben soll.
Für Hopfen bedeutet der neue Job einen Kulturwechsel. Letzteren, weil sie sich nach vielen Jahren Konzernstruktur in einem Start-up wiederfindet, wenn auch einem großen mit derzeit schon weit über 160 Mitarbeitern, Tendenz steigend. Aber als Hopfen im Oktober startet, muss sie erst einmal ihr Produkt kennenlernen, das sie als CEO vertreten soll, muss am Unternehmenssitz, einem Gebäude der Bundesdruckerei in Berlin-Mitte, zentrale Strukturen schaffen und viele Dinge neu aufsetzen. Springer ist, zweifellos, im Digitalen ein Vorreiter, aber dass agiles und modernes Arbeiten in der Praxis anders funktioniert als im Papier zur Transformation von Geschäftsmodellen, lernt Hopfen erst bei Verimi.
Ihre Vergangenheit hilft wiederum, wenn Hopfen Kampfgeist braucht. Die Tatsache, dass sich kurze Zeit nach Verimi noch weitere Datenallianzen gebildet haben, unter anderem eine um RTL Deutschland, Pro Sieben Sat 1 Media, United Internet und Zalando, findet Hopfen unnötig, daraus macht sie keinen Hehl: „Unsere wirklichen Wettbewerber sitzen in Asien und in Amerika. Dass es nun wieder einmal mehrere unterschiedliche Lösungen im Markt gibt, ist total überflüssig.“ Heißt: Alle anderen neben Verimi sind überflüssig. „Wir werden uns im Markt durchsetzen.“
Auch so ist Donata Hopfen: zielstrebig und tough in der Durchsetzung, selbst wenn sie das Attribut tough nicht sonderlich schätzt: „Frauen in Führungspositionen werden immer wieder als tough beschrieben und das ist dann oft kritisch gemeint. Dies hat aber weniger etwas mit dem Charakter der Frau zu tun als mit der Führungskultur in Deutschland. Bei einem Mann werden solche Attribute häufig ins Positive gewendet.“ Tough ist Hopfen trotzdem – nämlich immer dann, wenn es um ein Herzensprojekt geht. Katrin Ansorge