Über 40 Jahre nach der "Enteignet Springer"-Kampagne der damaligen Studentenbewegung redet Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner in der "FAZ" indirekt Forderungen das Wort, den Suchmaschinenriesen Google zu zerschlagen. Ihn treibt wie damals die Protestler die Angst vor der Macht eines sehr erfolgreichen Unternehmens. Dabei macht Döpfner denselben Fehler wie damals die Demonstranten: Er verwechselt Staat und Markt. Ein Diskussionsbeitrag von HORIZONT-Korrespondent Roland Pimpl.
Döpfner befürchtet,
dass Google einen "digitalen Suprastaat" plane und schreibt von einem Konzern und seinen "Bürgern". Mal zur Begriffsunterscheidung: Ein Staat hat Bürger, ein Unternehmen hat Kunden. Der zentrale Unterschied liegt in der
Freiwilligkeit der Bindung: Wer irgendwo geboren wird, hat keine Wahl - er ist quasi Zwangsmitglied des jeweiligen Staates und muss "Gesellschaftsverträgen" folgen, die er niemals unterschrieben hat. Anders bei Unternehmen: Hier wird man freiwillig Kunde - und kann jederzeit wieder abspringen.
Genauso ist es bei Google, einem wahnsinnig erfolgreichen Unternehmen mit weiteren kühnen Plänen. Warum ist Google so erfolgreich? Weil Milliarden Menschen und sicher auch Mathias Döpfner die
Google-Tools jeden Tag aufs Neue nutzen. Weil Verlage wie
Axel Springer ihre Inhalte von Google finden lassen möchten. Weil Vermarkter wie Axel Springer Media Impact ihr
Werbeinventar auch den Google-Algorithmen übergeben. Für all dies gibt es Alternativen. Warum nutzen alle trotzdem gerade Google? Wohl weil es ihnen Vorteile bringt, mehr als andere Angebote.
Insofern ist Google gar kein Monopolist, es gibt noch andere
Suchmaschinen. Sie werden nur nicht so stark genutzt - wohl deshalb, weil sie den Nutzern aus deren Sicht schlechtere Ergebnisse bringen. Anders gesagt: Wenn Google manipulierte und miese Trefferlisten liefern würde, dann würden die kritische Blogosphäre, die nach Scoops jagende Presse und die Nutzer dies schnell merken. Denn auch Googles Konkurrenz ist nur einen Klick entfernt. Die Verlage selbst argumentieren sonst ja auch zu Recht mit
mündigen Verbrauchern, etwa gegen Werbeverbote. Warum sollte das beim Surfen anders sein?
Es gibt für werbungtreibende Unternehmen auch noch andere
Werbekanäle als Googles Suchwortanzeigenprogramm Adwords oder Spots in Youtube-Videos. Und es gibt für Websites auch noch andere
Vermarktungs- und Werbehandelsprogramme als Googles Adsense und Doubleclick Adexchange. Will sagen: Es gibt auch hier auf B2B-Ebene kein Gesetz, mit Google zusammenarbeiten zu müssen. Digitaler Suprastaat?
Und Google ist auch
keine Infrastruktur wie etwa das Stromnetz, schon gar nicht für Verlage. Jeder kann Spiegel Online und Co auch direkt ansurfen, als Bookmark speichern oder über Facebook und Twitter verfolgen. Keine Site muss daher ihre Inhalte bei Google listen, um zu existieren. Sicher, es geht leichter mit
Zusatztraffic via Google, besonders für schwache Medienmarken. Aber ist es Aufgabe der Politik (nach der Döpfner ja indirekt ruft), einen Zustand, den der Wettbewerb erzeugt hat, zugunsten schwächerer Anbieter zu nivellieren - vielleicht sogar zulasten des Verbrauchers, für den die Politik doch letztlich da sein soll?
Man erinnere sich an
Microsoft, das Angst-Unternehmen der 80er und 90er Jahre. "Wenn Computer die Zukunft bestimmen und Microsoft die Computer, dann muss man Microsofts Macht beschränken", so lautete damals die
Argumentation der Ängstlichen. Dabei war auch Microsoft nie Monopolist, sondern hatte immer kleinere Konkurrenten, damals etwa Apple. Und heute? Spielt Microsoft, der Gigant von damals, im Internet nur noch eine kleine und im mobilen
Zukunftsmarkt der Smartphones und Tablets kaum mehr eine Rolle. Sondern: Der Markt hat den Konzern überrollt, so sehr, dass schließlich sogar Microsoft - Microsoft! - in Brüssel zu den Kartellbeschwerdeführern gegen Google gehörte.
Und wer weiß, vielleicht klagt in zwei Jahren Google gegen
Facebook, und in fünf Jahren Facebook gegen ein Unternehmen, das gerade irgendwo in einer
Silicon-Valley-Garage entsteht (und wohl leider nicht bei Axel Springer). Wer weiß das schon. Etwa die Politik?
Pimpls Position:
In der Online-Kolumne kommentiert Roland Pimpl, Hamburg-Korrespondent von HORIZONT, in loser Folge Themen und Thesen der Medienwelt.Google-Gründer und Großaktionär
Larry Page, raunt Döpfner, "träumt von einem Ort ohne Datenschutzgesetze und ohne demokratische Verantwortung". Jedoch: Die größten Skandale gehen hier bekanntlich nicht von Unternehmen aus, sondern von Staaten, Stichwort NSA. Und noch mal: Jeder nutzt Google freiwillig, und jeder weiß, dass er diese
Gratisnutzung mit der Übermittlung gewisser Nutzungsdaten bezahlt (was man sogar unterbinden kann). Und überhaupt will Google keine Kriege führen wie Staaten, sondern maximale Gewinne machen. Genauso wie Springer und andere Verlage, denen Google geschäftlich das Wasser abgräbt.
Schade ist, dass ein kluger Mann wie Döpfner, der sonst so gerne über das Thema
Freiheit spricht, staatlichem Interventionismus das Wort redet, sobald seine geschäftlichen Interessen tangiert sind. Statt Regulierung der Konkurrenz sollte er lieber Deregulierung der eigenen Zunft fordern. Hier, beim
antiquierten deutschen Kartellrecht, gäbe es genug zu tun, um einen fairen Wettbewerb mit Google zu fördern. So zeigt sich ein schöngeistiger Denker am Ende doch nur als - Lobbyist.
rpBisher erschienen:
Wie das Kartellamt seinen Wunschwettbewerb herbeiregulieren möchteStell Dir vor, es ist Shitstorm und keiner guckt hinWie der "Spiegel" mit seiner Döpfner-Schmonzette Chancen vergibtDer wahre Schatz der GratisportaleWerden nach Zigaretten bald auch High Heels reguliert?Mathias Döpfner und der Grundreflex der MedienbrancheOld School is the new CoolDer Kollateralschaden des Zeitschriften-Trial-and-ErrorWer braucht schon einen Verlag zum SchreibenHans-Ulrich Jörges und sein fluffiges "Recht auf Internet"Die lächerliche Aufregung über Schufas Facebook-Recherche