Giovanni di Lorenzo baut die "Zeit" um
Bei der "Zeit" denkt man nun doch über Bezahlinhalte im Internet nach – zumindest Print-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo. Damit setzt er einen anderen Akzent als die Online-Oberen und vor allem als die Verlagsgeschäftsführung. Außerdem baut di Lorenzo die "Zeit" um und gründet ein neues Ressort, als mögliches Vorbild für weitere Heftveränderungen.
"Bisher gibt es kein überzeugendes Geschäftsmodell für Qualitätsjournalismus im Internet", sagt di Lorenzo im Interview mit HORIZONT. Trotz aller Reichweitensteigerung reichten die Werbeerlöse alleine bei den meisten Presseportalen kaum aus, um große Redaktionen zu finanzieren. "Und es kann mir niemand erzählen, dass eine schwarze Null nach 20 Jahren Internet auf einen großen Erfolg hindeutet." Daher werde es Bezahlmodelle geben müssen.
Bei
Zeit Online "werden wir 2016 verstärkt über zusätzliche Monetarisierungsmodelle nachdenken, die über die bestehenden Erlöse aus Werbung und digitalem Vertrieb der ,Zeit‘ hinausgehen", erklärt di Lorenzo. Noch vor zwei Wochen hatte Zeit-Online-Geschäftsführer
Christian Röpke in einem anderen Interview eher das werbefinanzierte Reichweitenmodell hochgehalten. Und erst im März hatte Verlagschef
Rainer Esser gegenüber HORIZONT gesagt: "Zeit Online setzt weiterhin auf Wachstum von Reichweite und Werbung", und auch das "wollen wir durch das Aufstellen von Kassenhäuschen nicht gefährden".
Jetzt geht es aber erstmal ums Blatt. "Die ,Zeit' steht vor einer Phase der intensivsten Veränderungen, seitdem ich im Haus sein darf", sagt di Lorenzo. Neun Projekte werde man in den kommenden sechs Monaten anschieben. Das größte und im Blatt auffälligste wird das neue 10- bis12-seitige Ressort
"Z – Zeit zum Entdecken" sein, das am 5. November Premiere feiert. Es soll interdisziplinär funktionieren, sagt er: "Wir schauen, was Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur mit den Menschen machen, in ihrem Alltagsleben." Und wenn dies gut gelinge, könnte das der Anlass sein, weitere Ressorts zu überdenken: "Ich glaube, dass die Ghettoisierung von Themen in klassischen Ressortgrenzen in Zukunft aufweichen wird."
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Vier der künftigen "Z"-Seiten stammen vom bisherigen Reiseteil, eine weitere von der derzeitigen Mitmach-Seite "Zeit der Leser", die ebenfalls in "Z" aufgeht. Die übrigen fünf bis sieben "Z"-Seiten knapst man woanders ab. Zehn Redakteure wird das Ressort beschäftigen, die meisten davon kommen aus dem Reiseressort. Vier Stellen werden neu geschaffen.
Ebenfalls neu ab November: Das Inhaltsverzeichnis wandert auf die letzte Seite, damit man sich am Kiosk leichter einen Überblick verschaffen kann. Ans Ende des 1. Buches kommt stattdessen eine Seite, die sich Prozessen, Kriminalfällen und Debatten in der Justiz widmet. Schon jetzt gibt es jede Woche eine Auto- und ab Dezember dann auch eine Gesundheitsseite, passend zum neuen Magazin "Zeit Doctor", das in Zukunft viermal pro Jahr beiliegt.
Was hat die Lorenzo – außer seinem Gefühl, "von unseren Konkurrenten nachgeahmt" worden zu sein – zu den kommenden Heftveränderungen bewogen? Was hat sein zweimonatiges Sommer-Sabbatical bei ihm bewirkt? Warum hatte er zur Flüchtlingsdebatte sogar Sarrazin im Blatt? Was empfiehlt er bei Hasskommentaren? Und was denkt er über die neuen journalistischen Internetplattformen?
Das und mehr lesen Abonnenten im Interview in der HORIZONT-Ausgabe 41/2015, die am Donnerstag, 8. Oktober erscheint. rp