Deutliche Worte aus Österreich: Google sei wie ein Parasit, der Verlage aussaugt und sich dabei weder an die Grundregeln des Gesellschaftssystems noch an rechtliche Minimalstandards hält, wetterte Verleger Johann Oberauer bei der Eröffnung des Europäischen Zeitungskongresses in Wien.
Die 150 Millionen Euro, die der Konzern nun unter anderen Häusern wie der "FAZ" und der "Zeit" im Rahmen seiner "Digital News Initiative" zur Verfügung stellt, sind für den Gastgeber der Veranstaltung, zu der rund 500 Branchenvertreter ins Rathaus der Landeshauptstadt gekommen waren, folgerichtig nur Schweigegeld - beziehungsweise die Überlegungen eines Parasiten, dass das Opfer nur dann nützlich ist, solange es lebt.
Anstatt Geld vom Internetriesen zu nehmen, müssten die Verlage endlich selbst investieren: "Damit können wir dann ein Leseförderprogramm für Google einrichten - für europäische Gesetzestexte und für unser Wertesystem."
Das Odeuvre des Veranstalters stand, so polternd es auch war, inhaltlich für ein Kongressprogramm, das am Montag vor allem Strategien und Modelle gegen die von Oberauer angesprochene "Verwundbarkeit" der Zeitungsbranche bereithielt. Eines der derzeit fraglos besten Schutzschilder – den Innovation Report der "New York Times" – präsentierten
Andrew Phelps, einer der führenden digitalen Vordenker der amerikanischen Zeitung, und deren Star-Videojournalist
Adam Ellick. Der Bericht, der rund 200 Einzelinterviews mit aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern enthält und im vergangenen Jahr auf der Internetplattform
Buzzfeed geleakt wurde, enthält eine relativ schonungslose interne Problemanalyse und gibt Empfehlungen, mit dem digitalen Wandel umzugehen.
Schwierig dabei: "Unser Publikum ändert sich schneller, als wir es tun", räumte Phelps in Wien ein. So seien die klassischen Website-Zugriffe in den vergangenen Jahren um mehr als die Hälfte zurückgegangen, die mobile Nutzung habe sich dagegen sprunghaft verdoppelt: "Mittlerweile kommen über 60 Prozent unserer User über mobile Endgeräte." Und die nächste Herausforderung ist bereits auf dem Markt: die Apple-Watch. Mit Artikeln, die lediglich aus einem Satz bestehen, will die "New York Times" aber auch auf dem neuesten Device erfolgreich sein. Die Geschichten, die immer der Form des multimedialen Storytellings folgten, müssten "das Publikum finden" – nicht umgekehrt. Dafür brauche es neben erstklassigen Journalisten eben auch Analytiker: "Wir müssen wissen, wie wir unsere Leserdaten optimieren können." Bislang scheint das in New York recht gut zu funktionieren: Noch in diesem Jahr will die "Times" eine Million digitale Abonnenten erreichen.
kl