Karin Weber-Duve, Initiatorin von "Brigitte Paris"
Worin liegt die Zukunft von Zeitschriften? Die Standardantworten: Wenn sie ein bestimmtes Lebensgefühl widerspiegeln. Wenn sie eher ältere Leser adressieren, weil diese Zielgruppe demographisch wächst und hier die Print-Affinität noch am größten ist. Und wenn sie Frauen ansprechen, weil Frauen eben mehr Magazine kaufen. So gesehen müsste Gruner + Jahrs neues Zeitschriftenprojekt ein Erfolg werden – wenn es einen bestimmten Fehler vermeidet.
Unter dem Arbeitstitel "Brigitte Paris" basteln gerade vier Redakteurinnen von "Stern", "Brigitte", "Living at Home" und "Flow" um ihre frühere Kollegin Karin Weber-Duve an dem neuen Heft mit dem eher augenzwinkernden als mathematisch korrekten Untertitel "Das Magazin für die dritte Lebenshälfte". Weber-Duve, die einst den 40plus-Ableger "Brigitte Woman" mitentwickelt hatte, ist eigentlich seit fast zwei Jahren im Ruhestand – und hatte hier die Idee zum neuen Heft.
Zielgruppe sind gut situierte Frauen ab 55 Jahren, wobei wohl vor allem Damen ab 65 Jahren angesprochen sind. Frauen jedenfalls, die befreit sind von den Verantwortungen der Lebensmitte: Die Kinder sind erwachsen, die eigenen Eltern, nun ja, verstorben, Karriere und Konkurrenz stressen auch nicht mehr. Dieses "entspannte Lebensgefühl" (Weber-Duve) soll der neue Titel widerspiegeln und dabei auch
"Tabus brechen": Ältere Frauen werden genauso benannt, ihre Körper werden auch mal nackt gezeigt, nichts – von Liebe bis Tod – wird schamhaft umschrieben, und Interviewpartner dürfen auf dem Foto sogar lustvoll oder lässig rauchen.
Vielleicht auch kein Wunder bei dieser
Generation, geprägt von einer Kindheit ohne TV, Internet und Handys, von Enge in vielen Elternhäusern, vom eigenen Aufbruch in die persönliche Freiheit in einer Welt, in der alles möglich schien, mit scheinbar unendlichen Ressourcen, mit Pille und Emanzipation, aber ohne Aids und Angst vor irgendwas. Und nun? Die
Gegenwart, "Herausforderung und Vergnügen zugleich", ist den Älteren wichtiger als ihre eigene
Zukunft (nicht aber die ihrer Kinder und Enkel). Eine Zeit der Umbrüche, der Veränderungen im Umfeld, der Abschiede und Neuanfänge. Um ihr neues Heft zu erklären, beschreibt Weber-Duve diese Zeit sehr persönlich, auch soziologisch und psychologisch.
Zu verkopft sollte "Brigitte Paris" aber besser nicht werden – dafür wäre die Zielgruppe wohl zu klein.
Mit einer Druckauflage von 150.000 Heften soll das Magazin - eine von
zwei für dieses Jahr angekündigten neuen "Brigitte"-Line-Extensions - Mitte September starten und dann alle zwei Monate zu einem Copypreis von etwa 4 Euro erscheinen, mit jeweils 148 Seiten und monothematischen
Beilagen (zum Start "Wohnen im Alter"). Neue Stellen schafft G+J für den Titel, der sich auch im Themenmix (Gesundheit, Befindlichkeitspsychologie, Kultur) und Optik (ruhig, klar, mit reinen Bilder- und Textseiten) "sehr deutlich" von bestehenden Magazinen für Ältere abheben soll, zunächst nicht: Weber-Duve arbeitet frei, ihre vier Kolleginnen stehen bei anderen Titeln des Hauses auf der
Gehaltsliste, die Texte sollen von ehemaligen G+J-Redakteurinnen im Ruhestand kommen. Herausgeberin ist "Brigitte"-Chefredakteurin
Brigitte Huber. Eine Anzeigenseite soll brutto 9.900 Euro kosten.
rp