Netflix-CEO Reed Hastings auf der Republica

"Unser Konkurrent ist das Fernsehen als Ganzes"

Reed Hastings auf der Republica 2015 in Berlin
Republica
Reed Hastings auf der Republica 2015 in Berlin
Mehr als 62 Millionen Abonnenten weltweit, zahlreiche Emmy-Awards für "House of Cards" und Co, Everybody's Darling im Zirkus der Streamingdienste ist man sowieso - und doch fühlt sich Netflix-Gründer und CEO Reed Hastings immer noch als kämpferischer Underdog, wie er gestern vor mehreren hundert begeisterten Gästen im überfüllten Hauptsaal bei der Republica deutlich machte. Den weltweiten Kampf gegen das lineare TV nimmt der 54-Jährige gerade erst auf.
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"Ich hoffe, es sind nicht so viele Netflix-Abonennten hier, damit wir noch weiter wachsen können", sagt Hastings zu Beginn seines Vortrags und hat damit gleich mal die Lacher auf seiner Seite. Vor allem steht diese Aussage aber sinnbildlich für das, was er noch mit seinem Unternehmen vorhat.

Die Basis für seine Expansionspläne liegt in der immer größer werdenden Bedeutung des Internets als Plattform Nummer eins für die TV-Nutzung: "Streaming im Netz wird in den nächsten 20 Jahren immer größer werden und klassisches TV zunehmend verschwinden", so Hastings, der als Beispiel die 4K-Technologie anführte. "Schon bei der Fußball-WM 2018 wird es möglich sein, die Spiele in 4K zu streamen – aber nur im Internet."

Das Netz siegt also über das lineare TV, weil es schon immer eine Vorreiterrolle in Sachen Innovation inne hat – und Netflix will dabei die Rolle des großen Vernetzers einnehmen. "Wir wollen die besten Storyteller der Welt zu einer globalen Stimme zusammenführen und ihr Gehör verschaffen", so der Netflix-Chef in Berlin. Dazu scheint man auf dem besten Weg: Aktuell produziert man bereits Serien in anderen Ländern, in Mexiko entsteht die erste spanischsprachige Serie "Club de Cuervos" und in Frankreich wird "Sense 8" gedreht. Auch in Deutschland sehe man sich laut Hastings bereits nach passenden Partnern um. Globlale Linzensierungsrechte, die einen zeitgleichen Start von Serien in allen Netflix-Ländern sicherstellen, sind mittlerweile ohnehin die Regel.
Wir wollen die besten Storyteller der Welt zu einer globalen Stimme zusammenführen und ihr Gehör verschaffen
Reed Hastings, Netflix
Da wundert es nicht, dass Hastings längst nicht mehr den US-Rivalen HBO als einzigen Gegner sieht. "Unser Konkurrent ist das weltweite lineare TV, das Fernsehen als Ganzes", sagt er und prophezeit sogleich dessen schleichenden Tod. "TV-Sender werden sich mehr und mehr zum Internet-TV-Angebot transformieren müssen." Die Kunden hätten ein immer stärkeres Bedürfnis nach persönlicher, freier Gestaltung des Programms und gerade das sei der große Vorteil von Netflix.

Schließlich könne ein Unternehmen wie Netflix das Internet als Spielwiese nutzen und immer wieder neue Dinge ausprobieren, was bei konventionellen Sendeanstalten so nicht möglich sei. Dass man bei der Produktion seiner Formate auf viel kleinere Budgets als NBC, BBC, Sky und Co setzen müsse, stört Hastings dabei ganz offensichtlich nicht. "Wir sind sowas von der Underdog", sagt er und wirkt ziemlich stolz darauf.

Am Ende kam aus dem Publikum dann noch die schon länger im Netz herumgeisternde Frage, warum Hastings in der Netflix-Firmenzentrale in Los Gatos kein eigenes Büro habe. Die Antwort des CEOs ist so simpel wie einleuchtend: "Ich kann früher nach Hause und keiner merkt es." tt



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