Langer Streit

Warum Arno Balzer das "Manager Magazin" verlassen muss

Arno Balzer war seit 2003 Chefredakteur des "Manager Magazins" (Foto: Manfred Witt)
Arno Balzer war seit 2003 Chefredakteur des "Manager Magazins" (Foto: Manfred Witt)
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Am Mittwoch dieser Woche vermeldete das "Manager Magazin" wieder eine exklusive Top-Personalie, diesmal aber in eigener Sache: Arno Balzer, seit 2003 Chefredakteur des monatlichen Wirtschaftsmagazins (gehört zur Spiegel-Gruppe), wird "mit sofortiger Wirkung abberufen und freigestellt", wegen unterschiedlicher Auffassungen zur Weiterentwicklung des Marke. Also: gefeuert. Von der in diesen Fällen üblichen Floskel eines beiderseitigen Einvernehmens war da nichts zu lesen - aus gutem Grund. Denn seit langem gab es Zoff an der Hamburger Ericusspitze, und der ist zum Schluss wohl eskaliert.


Dazu muss man wissen, dass manche beim "Manager Magazin", Renommee hin, Renommee her, seit jeher mit dem stolzen Komplex arbeiten, im Haus nach Umsatz nur die Nummer Vier zu sein - nach "Spiegel", Spiegel Online und Spiegel TV. Umso sensibler reagiert man stets auf tatsächliche oder eingebildete Spar- und Eingemeindungsversuche und betont: "Das ,Manager Magazin' ist eine rechtlich eigenständige Firma, die nun in einem neuen Gebäude mit ihrem Hauptgesellschafter sitzt", so Balzer im HORIZONT-Interview (Ausgabe 40/2011). Und: "Der Spiegel-Verlag ist Dienstleister des ,Manager Magazins', er macht für uns unter anderem den Vertrieb und die Vermarktung."

Und genau hier lagen Balzer und Ove Saffe, der Geschäftsführer der Spiegel-Gruppe, dem vielfachen Vernehmen nach seit längerem im Clinch: Mancher beim "MM" wirft der Spiegel-Gruppe vor, vor allem seit dem Umzug ins neue gemeinsame Gebäude, für die Dienstleistungen und für die Nutzung der Infrastruktur zu hohe interne Preise zu berechnen beziehungsweise bei "MM" zu wenig zu investieren beziehungsweise über Gebühr zu sparen.

Hinzu kommt, dass es wohl auch bezüglich der Zusammenarbeit von Print und Online beim "MM" zwischen Verlag und Redaktion unterschiedliche Auffassungen gibt. Die einen sagten, Balzer zeigte zu wenig Veränderungsbereitschaft; die anderen sahen ihn als den letzten Retter der journalistischen Qualität. Beim großen "Spiegel" haben unter anderem Querelen wie diese die frühere Chefredaktions-Doppelspitze im Frühjahr den Job gekostet.

Auf diesem Humus wachsen Befürchtungen, Wünsche, Gerüchte und Versuche, die eigene Verhandlungsposition zu verbessern. Die Befürchtungen betreffen "Eingemeindungen" beim "Spiegel", gegen die sich Balzer schon Ende 2011 klar positioniert hatte: "Journalistisch arbeitet das ,MM' völlig eigenständig und unabhängig. Unsere Redaktion hat eine eigene Identität und Kultur innerhalb der Gruppe. Eigenständig arbeitende Titel sind wirtschaftlich deutlich erfolgreicher als jene, die mit industriellem Synergiejournalismus operieren. Verbundredaktionen funktionieren vielleicht in der Theorie, aber nicht in der Praxis."

Die Wünsche mancher "MM"-Leute und wohl auch Balzers lassen sich damit kurz zusammenfassen: Ohne die Fesseln des "Spiegel" ginge es "MM" viel besser. Parallel konnte Balzer - ein auch intern unbequemer Top-Wirtschaftsjournalist - ein paar Etagen weiter oben beim "Spiegel" beobachten, wie Chefredaktionen im Haus mittlerweile den Kürzeren ziehen, wenn sie mit der Geschäftsführung über strategischen Fragen, etwa Print/Online, über Kreuz liegen.

Hier gediehen die passenden Hoffnungsgerüchte über Verkaufsverhandlungen. So erschien Anfang Juli ein Branchendienst mit einer steilen Story: Die Spiegel-Gruppe wolle ihr "Manager Magazin" verkaufen, die Interessenten stünden quasi Schlange, "seit Monaten" liefen Verhandlungen mit "namhaften Investoren aus der Verlagswelt", und das gar "auf Hochtouren". Saffe ließ über Verlagssprecherin Anja zum Hingst alles sehr hart dementieren.

Was stimmte? Die einen im Haus sagen, es habe nie Verkaufsverhandlungen gegeben. Andere meinen, es habe sie gegeben. Dritte erzählen, Balzer selbst habe versucht, Investoren anzusprechen, habe damit bei Saffe angeklopft - und sei schnell abgeblitzt. Das, und nicht mehr, seien die angeblichen "Verhandlungen" gewesen. Falls das stimmt, wäre dies ebenfalls kein Anlass gewesen, der das Verhältnis zwischen Saffe und Balzer hätte verbessern können.

Immerhin lobt Saffe den Ex-Chefredakteur des "Manager Magazins" in der Abschieds-Pressemitteilung: Balzer sei "ein hervorragender Wirtschaftsjournalist" und habe in den vergangenen zehn Jahren maßgeblich dazu beigetragen, die Positionierung des Blattes "als Leitmedium der Wirtschaft zu schärfen". Tatsächlich hat Balzer die verkaufte Auflage des "Manager Magazins" entgegen dem Trend im Segment stabil halten können - was ein großer Erfolg ist. Zudem galt er als erster und wichtigster Rechercheur seines Exklusivinfo- und Hintergrundblattes, hier dürfte Balzer eine schwer zu ersetzende Lücke in der Redaktion hinterlassen. rp
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