Joint-Venture

Springer und Politico übernehmen Wochenzeitung "European Voice"

Axel Spinger und Politico bringen das Politikmagazin nach Europa
Screenshot Politico.com
Axel Spinger und Politico bringen das Politikmagazin nach Europa
Online-Journalismus ist oberflächlich, bunt und geprägt von der Jagd nach dem schnellen Klick? Für Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender von Axel Springer, ist ein solcher Kulturpessimismus längst nicht mehr notwendig. Den Beweis dafür tritt er im Frühjahr 2015 an: Dann startet Politico als Joint-Venture in Europa. Hervorgehen wird das Nachrichtenmagazin aus der Wochenzeitung "European Voice", deren Übernahme die Kooperationspartner Springer und Politico am Dienstagabend bekanntgegeben haben.
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Fast hätte man einen Hauch von Gründergeist spüren können im 19. Stockwerk des Axel-Springer-Hauses in Berlin, als das mittlerweile komplette Führungsteam von Politico Europa auf die Bühne trat. Fast, setzt es sich doch ausschließlich aus langjährigen und gut vernetzten Journalisten sowie erfahrenen Managern zusammen. Als Geschäftsführerin steht Shéhérazade Semsar-de Boisséson, Eigentümerin und Herausgeberin von "European Voice", an der Spitze der Europa-Ausgabe. Ihre Zeitung, die Website und Veranstaltungen werden im Frühjahr zur Markteinführung von Politico integriert. Zusätzlich übernehmen Springer und Politico das in Paris sitzende Development Institute International (DII), Frankreichs führende Veranstaltungsagentur im Public-Affairs-Bereich, die Semsar-de Boisséson 1993 mitbegründet hat.

Ralph Büchi, der den Berliner Konzern im Joint-Venture als Präsident Axel Springer International repräsentiert, lobt "European Voice" als "bekanntes und gut geführtes Medium". Es bringe zudem einen bedeutenden Vorsprung bei der Etablierung von Politico als neuem Agenda-Setter in der europäischen Politik.

Matthew Kaminski leitet die Redaktion, zu der mehr als 30 Journalisten in Brüssel und Reporter in anderen Hauptstädten gehören sollen, als Executive Editor. Kaminski kommt vom "Wall Street Journal" und bringt jahrelange Erfahrung in der Berichterstattung über Europa-Politik mit. Er berichtet an einen der Mitgründer der Plattform, John F. Harris, der die europäische Ausgabe zusätzlich als Chefredakteur verantworten wird.

Editor-at-large Bill Nichols betreut ebenfalls zusätzlich zur amerikanischen Ausgabe künftig auch die europäische. Florian Eder, EU-Korrespondent der "Welt", wird Managing Director. Nach Brüssel zieht auch Carrie Budoff Brown, bislang Politico-Senior-Reporter für das Weiße Haus, sowie Gabe Brotman, die den Bereich Strategie- und Geschäftsentwicklung verantwortet.

Die journalistischen Angebote, mit denen Politico Europa im Frühling startet, umfassen eine Website sowie eine gedruckte Zeitung, die wöchentlich in Brüssel erscheinen wird. Außerdem gibt es genau wie in Washington den kostenpflichtigen Onlinedienst Politico Pro, Nachrichten im Abo zu Themen wie Energie, Finanzdienstleistungen, Gesundheitsvorsorge und Technologie, sowie Konferenzen und Veranstaltungen in Brüssel, Paris und Berlin. Ob auch das gedruckte Monatsmagazin in Europa an den Start gehen wird, ließ Harris noch offen. Zunächst bringe man lediglich die Essenz des Heftes: "hintergründige, gehaltvolle und intelligente Geschichten und Kommentare".

Unabhängig von der Darstellungsform sind die Erwartungen an die europäische Variante von Politico groß, denn die Erfolgsgeschichte des 2007 von Herausgeber Robert Allbritton, CEO Jim Vandehei und Chefredakteur Harris gegründete Plattform ist beeindruckend. Nach drei Jahren machten die Herausgeber erstmals Gewinn, im Jahr 2014 verzeichnen sie sieben Millionen Unique Visitors im Monat. Der Umsatzanteil Online liegt bei 42 Prozent, das Subscription-Modell Politico Pro steuert zusätzlich 33 Prozent bei. Genau wie sein Chef verweist aber auch Springer-Mann Büchi vor allem auf den ideellen Wert der digitalen Erfolgsstory: "Politico zeigt, dass ernstzunehmender Qualitätsjournalismus auch digital stattfinden kann." kl

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