HORIZONT liest ... "Vice"

Das Lifestyle-Magazin für Hipster und Hartgesottene

Die aktuelle Ausgabe von "Vice"
Die aktuelle Ausgabe von "Vice"
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"Vice", frisch gekürt als Lead Magazin des Jahres, ist nichts für die schnelle Lektüre zwischendurch. Auf den ersten Blick mag "Vice" ein hippes Lifestyle-Magazin sein, das über Trend-Stores an die Hipster in den Szene-Vierteln der Republik verteilt wird - und tatsächlich bietet "Vice" Modestrecken, Plattentipps und jede Menge Anzeigen von angesagten Modelabeln. Das ist aber nur die eine Seite: Denn die große Stärke des Magazins sind seine unerschrockenen Reportagen über abseitige Themen. "Vice" geht dahin, wo es weh tut und gelegentlich noch ein Stückchen weiter.

Die Inhalte

"Vice" berichtet über die gesamte Bandbreite der globalen Jugendkultur: Mode, Sport, Lifestyle, Musik, Videospiele, Technik. Das Pflichtprogramm erledigt "Vice" routiniert und auf hohem Niveau: Die Autoren haben Ahnung und sind in der Szene offensichtlich hervorragend vernetzt, die Bildsprache ist ambitioniert bis künstlerisch.

Aber, und das hebt das Magazin weit aus der Masse ähnlicher Titel heraus, "Vice" gibt sich nicht mit den klassischen Themen junger Lifestyle-Magazine zufrieden: Neben Modestrecken und Plattentipps haben Geschichten über Sex, Drogen, Kriminalität und bewaffnete Konflikte einen festen Platz im Heft. In der Regel berichtet "Vice" dabei aus erster Hand und schickt seine Reporter, Kamerateams und Fotografen direkt in Krisenregionen, Slums oder Drogenanbaugebiete.

Man könnte es als journalistisches "Jackass-Prinzip" bezeichnen: "Vice" geht gerne dahin wo es weh tut, holt sich dabei auch mal blaue Flecken, hat aber unglaublichen Spaß dabei. Und das Ergebnis bestätigt den radikalen Ansatz: Die "Syria Issue", die in eindringlichen Bildern und Texten über den syrischen Bürgerkrieg berichtete, wurde bei den diesjährigen Lead Awards zurecht als "Beitrag des Jahres" geehrt. Außerdem räumte das Magazin in der Königskategorie "Lead Magazin des Jahres" die goldene Trophäe ab.

Die bei den Lead Awards ausgezeichnete "Syria Issue"
Die bei den Lead Awards ausgezeichnete "Syria Issue"

Das Unternehmen

Dabei ist das Magazin mittlerweile nur ein kleiner Teil eines weltweiten Medienimperiums mit Niederlassungen in 34 Ländern rund um den Globus. 1994 im kanadischen Montreal von drei arbeitslosen Freunden als Fanzine gegründet, decken die Aktivitäten von Vice inzwischen nahezu alle Medienkanäle ab: Neben dem Magazin, das mittlerweile auf eine Gesamtauflage von knapp 1,2 Millionen Exemplaren kommt und dem dazugehörigen Online-Portal Vice.com produziert das Unternehmen Filme, Bücher, Events und Musik.

Die Inhouse-Agentur Virtue kümmert sich außerdem um die Produktion von Branded Entertainment für eine wachsende Zahl von Werbekunden, darunter weltweit agierende Konzerne wie Adidas, Nike, Vodafone oder Red Bull. Eigenen Angaben zufolge erzielte das Unternehmen 2012 einen Umsatz von 200 Millionen Dollar - das Magazin trägt dazu lediglich noch 5 Prozent bei.

Aktuelles Heft

Mit seiner aktuellen Ausgabe ist "Vice" einmal mehr ein echter Scoop gelungen: Die Redaktion hatte Zugang zu den Archiven des legendären "Penthouse"-Gründers Bob Guccione. Die "The Guccione Archives Issue" schwelgt ausgiebig in alten, teilweise unveröffentlichten Bildern und Zeichnungen aus der umfangreichen Sammlung von Guccione. Außerdem wartet die Ausgabe mit einen Auszug aus der bislang ebenfalls unveröffentlichten Autobiografie des Verlegers und Sammlers auf. Ein Highlight ist außerdem ein Interview mit einem ehemaligen Angestellten der berühmt-berüchtigten Playboy-Mansion von Hugh Hefner, mit der sich der Butler nach seiner Entlassung rächte.

Eine Bilderstrecke zeigt außerdem beeindruckende Illustrationen aus dem ebenfalls von Guccione herausgegebenen Science-Fiction-Magazin "Omni". Da der Platz angesichts des reichhaltigen Fundus ohnehin knapp war, verzichtete die Redaktion für die Guccione-Ausgabe sogar auf sämtliche feste Rubriken wie die "Dos & Don'ts", die Porno-Review "Skinema" oder die obligatorischen Modestrecken und Plattentipps.

Neben unveröffentlichten Bildern zeigt "Vice" auch abgelehnte "Penthouse-Pets"
Neben unveröffentlichten Bildern zeigt "Vice" auch abgelehnte "Penthouse-Pets"

Auflage

Eigenen Angaben zufolge liegt die Auflage von "Vice" in Deutschland bei 100.000 Exemplaren, die kostenlos über 900 Auslegestellen wie Modegeschäfte, Bars und Restaurants, aber auch Galerien und Hochschulen unter die Leute gebracht werden. Die "Pick-up-Rate" liegt eigenen Angaben zufolge bei 100 Prozent, jede Ausgabe hat im Schnitt 5,6 Leser. Weltweit liegt die Auflage laut Verlag bei 1.176.000 Exemplaren.

Horizont liest ...

Printkrise hin oder her, noch nie hat es an deutschen Kiosken eine so große Auswahl gegeben wie im Jahr 2013. Der Leser kann aus rund 6000 Zeitschriftentiteln wählen, dazu kommen die regionalen und überregionalen Tageszeitungen.

In dieser Online-Kolumne wühlt sich die HORIZONT-Redaktion wöchentlich durch die Vielfalt am Zeitschriften- und Zeitungsstand und stellt ihre Favoriten jeden Donnerstag vor.

Zielgruppe

Der durchschnittliche Leser von "Vice" ist 27 Jahre alt, gebildet und Digital Native. 78 Prozent der Leser sind zwischen 21 und 35 Jahre alt. Männer greifen etwas häufiger zu als Frauen: Der Anteil der männlichen Leser liegt bei 52 Prozent. Laut Verlag sind die Leser von "Vice" außerdem kaufkräftig und zu einem großen Teil "maßgebliche Meinungsführer".

Facts

Die deutsche Ausgabe von "Vice" erscheint in der Vice Deutschland GmbH mit Sitz in Berlin, wo sich knapp 70 Mitarbeiter um Magazin, Website, TV-Produktion, Events und Vermarktung kümmern. Chefredakteur ist Tom Littlewood, Herausgeber Benjamin Ruth. Hauptsitz des Unternehmens ist New York. dh

Guccione gab auch das Sci-Fi-Magazin "Omni" heraus
Guccione gab auch das Sci-Fi-Magazin "Omni" heraus
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