Printkrise hin oder her: Noch nie hat es an deutschen Kiosken eine so große Auswahl gegeben wie aktuell. Und auch Anfang 2014 sind die Zahlen famos: Allein zwischen Januar und März hat der
Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) 21 Neuerscheinungen verzeichnet, lediglich 3 Einstellungen stehen dem gegenüber. Insgesamt kann der Leser am Kiosk aus rund 6000 Zeitschriftentiteln wählen, dazu kommen die regionalen und überregionalen Tageszeitungen.
Der Lesestoff ist uns deshalb nicht ausgegangen in den letzten Monaten, vor allem aber nicht die Begeisterung fürs Lesen. Für die Vielfalt der Themen und die leidenschaftlich gestalteten Inhalte, an denen manchmal sogar noch ein bisschen Herzblut klebte. Für die faszinierenden Titel aus Nischen, von deren Existenz man bisher überhaupt nicht wusste. Was uns übrigens oft genug passiert ist. Und, dann ist Schluss mit dem Pathos, es hat Spaß gemacht, trotz der vielen schlechten Nachrichten aus der Branche ausschließlich einmal über das Gute schreiben zu können und - was viele Verlage sicherlich auch gerne tun würden - die stets sinkenden Auflagen in der Berichterstattung einfach mal zu ignorieren. Aber das bleibt unter uns.
Wenn einem Hören und Sehen vergeht oder: Erfolg am Kiosk ist ein Triathlon
Wann ist eine Zeitschrift erfolgreich? Wenn sie toll geschriebene Artikel enthält? Wenn sie aufregende Bilder zeigt, die mit der meisten nackten Haut gleich auf der Titelseite? Welche Rolle spielt das herausragende Cover am Kiosk, welche der Anzeigenpreis im Gespräch mit dem Unternehmen? Die Liste ließe sich um viele weitere Fragen ergänzen, doch die Antwort ist immer dieselbe: Es braucht von allem etwas, eben so ähnlich wie beim Triathlon.
Es gibt die Flaggschiffe der Verlage, die
Bunte zum Beispiel oder die
Brigitte, die einer breiteren Öffentlichkeit zuverlässig genau das liefern, was im Zug oder auf der Couch erforderlich ist: gute Unterhaltung. Dazu die nicht mehr ganz so weit verbreiteten Hefte, die fehlende Auflagen problemlos mit zusätzlicher Leidenschaft ausgleichen: Springers
Musikexpress etwa,
Freundin Donna oder Klassiker wie die
Titanic. Und wir haben die Kleinsten gelesen, die, in denen die Redakteure alles über die Nische wissen und noch die härtesten Fans beeindrucken:
Sneaker Freaker für die Turnschuhsammler, das
Youngtimer Magazin für junggebliebene Rallye-Fans,
Dogs für Herrchen und Haustiere.
Und es gibt die Titel, die alle oben gestellten Herausforderungen meistern können - und am Kiosk trotzdem scheitern. Von
Cover zum Beispiel mussten wir uns im Januar verabschieden, weil dem Münchner Burda-Verlag im Kiosk-Triathlon die Puste ausgegangen ist. "Bei aller Innovationsfreude sind wir auch der kaufmännischen Vernunft verpflichtet", sagte Manuela Kampp-Wirtz, Geschäftsführerin der Burda-Style-Group, damals. Die Regeln des Marktes, sie folgen nicht immer einer Logik.
Das gilt übrigens auch für den Erfolg unserer Kolumne auf Horizont.net: Am häufigsten gelesen wurden die Analysen zu Titeln wie
Closer,
Bravo,
Titanic und
Brand eins. Eine Zielgruppe, die neben Nachrichten aus Marketing, Werbung und Medien gerne Promi-Geschichten, Nachwuchs-News, Satire und Wirtschaftsberichte liest? Wahrscheinlich geht es genau darum: Weil Print dafür sorgt, auch einmal über den eigenen Tellerrand hinauszublicken und sich mit Themen zu beschäftigen, nach denen man nie gegoogelt hätte.
Servus Kiosk und: Closer am Fernseher!
Über den Tellerrand blicken künftig auch die Printfans der HORIZONT-Redaktion - und besuchen den Zeitschriftenkiosk wieder vor allem privat. Zumindest an einem Tag der Woche legen wir das Kleingedruckte beiseite und widmen uns in der nächsten wöchentlich erscheinenden Kolumne der Gattung, die sich in den vergangenen Jahren mit ihren zahlreichen Sendern und unzähligen Formaten für jede Zielgruppe immer mehr selbst ein bisschen zum Kiosk entwickelt hat: dem Fernsehen. Wir schreiben von A wie "Alarm für Cobra 11" bis Z wie den ZDF-Fernsehgarten und, spätestens wenn Deutschland im Juli Weltmeister wird, über Fußball sowieso.
kl