Muss sparen: Chefredakteurin Brigitte Huber
Nach "Stern" und "Gala" verkündet nun auch Gruner + Jahrs Frauenzeitschrift "Brigitte" intern ihr Sparprogramm. Es ist Teil der
bekannten G+J-Pläne, in den nächsten drei Jahren bis zu 400 der 2400 Stellen in Deutschland zu streichen. Die "Brigitte"-Chefs kündigen elf Mitarbeitern, das sind 15 Prozent der 71-köpfigen Print-Redaktion. Dabei wagen sie einen radikalen Weg und Kulturbruch im Hause – mit dem unter diesen Umständen bemerkenswerten Anspruch, "Deutschlands modernste Frauenmagazinredaktion" zu bauen.
Kurz gesagt: "Brigitte" sourct das Texten aus. Neun der 15 nur schreibenden Redakteure verlieren ihren Job, zudem je ein Mitarbeiter aus dem Produktions- sowie Honorarteam. Die übrigen sechs bisher nur schreibenden Redakteure werden dagegen befördert – in die (Vize-) Ressortleitungen: Vier der Kollegen werden neue Stellvertreter, je einer in jedem der vier Großressorts; das Mode- und das Beautyressort, in denen es bereits Vizes gibt, leisten sich somit dann je zwei Stellvertreter. Zwei weitere Redakteure, die bleiben dürfen, schlüpfen als Textchef beim monatlichen Best-Ager-Ableger „Brigitte Woman“ und als Vize-Redaktionsleiter beim Quartalsheft „Brigitte Mom“ unter. Die Mitarbeiter (-vertreter) wurden und werden in diesen Tagen und Stunden informiert; die "Brigitte"-Chefs bestätigen entsprechende HORIZONT-Informationen.
Mit diesem Prozedere – gezielte Beförderung ausgewählter Köpfe und Abschaffung aller übrigen Schreiberstellen – will G+J die elf
betriebsbedingten Kündigungen (statt langer Auflösungsverhandlungen) ermöglich. Ohne Sozialauswahl, weil gar keine Auswahl mehr zu treffen ist. Doch erledigen die sechs Beförderten dann etwa dieselben Jobs wie vorher, nur formal mit einer Schulterklappe mehr? Nein, sagt Chefredakteurin
Brigitte Huber, das seien „echte Beförderungen, mit neuen Aufgaben, mehr Verantwortung und höherem Gehalt“.
Die Texte will Huber dann mehr als bisher von
freien Autoren einkaufen und damit „eine größere Vielfalt an Ideen und Wissen“ ins Blatt holen. Schon jetzt stammten bis zu zwei Drittel der Texte der 14-täglichen „Brigitte“ – bei den beiden Ablegern noch mehr – von Freien, so die Chefredakteurin. Auch in der neuen Struktur halte die Redaktion am „hohen journalistischen Anspruch“ fest, werde aber zugleich „agiler, flexibler und innovativer".
Wir gehen an das Herz der Redaktion, wir stellen altbekannte Strukturen auf den Kopf und wir sparen damit Geld.
"Brigitte"-Publisherin Iliane Weiß
Aber vor allem, da wollen Huber und „Brigitte“-Publisherin
Iliane Weiß erst gar nicht drum herum reden, gehe es um „Kosten- und Ressourceneffizienz“. Also: ums Sparen. „Ja, wir gehen an das Herz der Redaktion, wir stellen altbekannte Strukturen auf den Kopf und wir sparen damit Geld“, sagt Weiß. Wieviel, das will sie nicht sagen. Aber pro Jahr, so kann man schätzen, dürfte es schon ein
kleiner Millionenbetrag sein, zumindest ab dem zweiten Jahr, nach den Abfindungen. Denn, auch das ist wohl Teil des Plans, die Einkaufspreise für manche Inhalte sinken wohl eher, anders als starr hohe Gehälter aus den fetten Jahren der Presse.
„Wie würden wir die
Organisation aufstellen, wenn wir die ,Brigitte‘ heute gründen würden?“ – diese Frage hatten sich Huber und Weiß gestellt. Die neue Struktur sei bei genretypisch sinkenden Auflagen und Anzeigenerlösen „ein Modell für die kommenden Jahre“. Heißt: Nur so glauben beide das Frauen-Flaggschiff „Brigitte“ (G+Js nach dem „Stern“ zweitgrößten Titel)
ohne Qualitätsabstriche, praktikabel und weiterhin rentabel führen zu können.
Modell und Argumentation erinnern im Übrigen stark an den Radikalschnitt des
Jahreszeiten Verlags („Für Sie“), der
vor viereinhalb Jahren alle nicht leitenden Redaktionsstellen gestrichen hat, zugunsten von freien Autoren und Grafikern. Huber will diesen Vergleich indes nicht gelten lassen: „Wir befördern exzellente Redakteure, unser
Kompetenzteam in der Redaktion ist viel größer und wir haben weiterhin eine eigene Grafik, weil nicht nur die Themen, sondern auch das optische Bild die Identität der ,Brigitte‘ ausmachen“, sagt Huber.
Die Kündigungen sollen ab Dezember erfolgen; der exakte Zeitpunkt wird nun verhandelt. Betroffen ist nur die Print-Redaktion. Das bislang 19-köpfige
Online-Team, das seit 2009 unterm selben Büro- (wenn auch nicht Firmen-) Dach arbeitet, soll ausgebaut werden. Zuletzt hatte „Brigitte“ 2012 rund ein Dutzend Stellen gekappt: Die Wohnseiten werden seitdem vom Schwesterblatt
„Living at Home“ produziert, die Versuchsküche wurde mit der von „Essen & Trinken“ fusioniert, der Leserservice verkleinert, der Ableger „Brigitte Balance“ eingestellt.
Der radikale Schnitt jetzt ist Teil des
Sparprogramms, das G+J
Ende August bestätigt hatte (
Hintergründe hier). In den kommenden drei Jahren will das Verlagshaus in Deutschland
75 Millionen Euro Sach- und Personalkosten einsparen und dabei schrittweise bis zu 400 Stellen streichen – vor allem durch Fluktuation, aber auch durch Kündigungen. So wurde Anfang September öffentlich, dass der
„Stern“ 26 (von knapp 200)
Redaktionsmitarbeitern kündigt. Ein Monat später, dass
„Gala“ im Bereich Foto/Grafik sechs Stellen (von rund 20 dort) streicht.
rp