Gruner + Jahr

„Eltern“ zettelt Revolution an

Marie-Luise Lewicki
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Marie-Luise Lewicki
Während die meisten Verlage gerne von „Optimierungen“ und „Evolution“ sprechen, wenn sie ihre Hefte relaunchen – bislang soll ja bitteschön nicht alles schlecht gewesen sein –, geht Marie-Luise Lewicki rhetorisch in die Vollen: „Wir planen eine Revolution, den größten Paradigmenwechsel in der 48-jährigen Geschichte unseres Titels“, sagt die Chefredakteurin des Gruner + Jahr-Monatstitels „Eltern“. Denn: „Mit einer Evolution können wir uns nicht abgeben.“ So ändert „Eltern“ seine Denkweise und Machart ab 2015 radikal.
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Nur eines bleibt – die Zielgruppe: (Werdende) Eltern ab der Schwangerschaft bis etwa zum 3. Lebensjahr des Kindes. Mehr oder weniger junge Leute also, digitalaffin, in einer Phase, in der sich vieles ändert – mit entsprechend großem Informationsbedarf, und das am liebsten sofort und mobil. Und da es hier immer um die gleichen Fragen geht, dieser „Evergreen Content“ also kostengünstig vorzuhalten ist, tummeln sich in diesem Markt zahlreiche oft kostenlose Magazine, Portale und Communities, auch von G+J selber („Eltern Ratgeber“, eltern.de, urbia.de). Deshalb weist Lewicki ihrem Bezahlheft künftig eine neue Rolle zu.


Wir planen eine Revolution, den größten Paradigmenwechsel in der 48-jährigen Geschichte unseres Titels.
Marie-Luise Lewicki
Ab dem Februar-Heft, das Mitte Januar erscheint, will „Eltern“ eher ein verständnisvoller Lebensphasen-Begleiter sein als ein Ratgeber. „Weg vom Brauchen, hin zum Habenwollen“, formuliert Lewicki. Weil es für viele Fragen im Web eine Fülle unterschiedlicher Antworten – und kein eindeutiges Richtig und Falsch mehr – gebe, sollen die „Eltern“-Autoren weniger allwissend von oben herab die vermeintlich richtigen Wege im Umgang mit Babys vorgeben, sondern „zeigen, dass oft viele Wege zum Elternglück führen“, in Diskussion mit den Lesern.

Die aktuelle Ausgabe von "Eltern"
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Die aktuelle Ausgabe von "Eltern"
Deshalb die Veränderungen im Heft: Die bisherigen Ressorteinteilungen entfallen, stattdessen gliedert sich das Blatt nach den Nutzungsoptionen Informationssuche, eigene Beschäftigung mit dem Kind („Spielwiese“) und entspanntes Schmökern, letzteres auch über die eigenen Befindlichkeiten als Jung-Eltern. Hier sieht Lewicki keine Überschneidungsgefahr mit dem G+J-Schwestertitel „Nido“; dieser sei ja eher ein Familien-Lifestyleheft. Unterschiedliche Papiersorten sollen die drei Magazinteile fühlbar machen; das neue Layout soll „mit vielen liebevollen Details warm, emotional und dicht dran am Alltag von Familien“ daherkommen.

Diese Investitionen – hinzu kommen noch eine Werbekampagne zum Relaunch in Print und Online (Agentur: Blood Actvertising, Hamburg), ein Gewinnspiel und Vertriebsaktionen – will „Eltern“-Publisherin Astrid Hamer auch durch eine Erhöhung des Copypreises von derzeit 3,20 Euro auf 3,90 Euro wieder hereinholen. Bei der verkauften Auflage, die sich auch beim größten Titel im Segment genretypisch im Dauersinkflug befindet und zuletzt (IVW III/2014) bei nur noch 240.335 Exemplaren lag (davon weniger als 40 Prozent „hart“ über Abo und Einzelverkauf), wäre Hamer mit einer Stabilisierung der Verkäufe zufrieden.

Aber es hat auch Vorteile, dass „Eltern“ so früh und so massiv von der Digitalisierung der Nutzungsgewohnheiten erfasst worden war: Denn erstens erwirtschaften die Parenting-Sites eltern.de und urbia.de, mit denen G+J Reichweitenführer im Segment ist, seit Jahren Gewinne – und das allein durch Werbung, weil Paid Content wegen der großen Gratis-Konkurrenz aussichtslos erscheint. Parallel zum Heftumbau wird auch eltern.de neu gestaltet, ebenso die Community urbia.de samt neuem Logo, Claim („Wir lieben Familie“) und kostenlosen Service-Apps. Rund die Hälfte aller Zugriffe erfolgt bereits mobil. Außerdem arbeitet G+J an einem bezahlpflichtigen E-Magazin, das mehr sein soll als eine digitale Kopie des Heftes.

Die zweite aktuell hilfreiche Folge der frühen Konfrontation mit den digitalen Realitäten: Die Redaktion ist bereits so aufgestellt, dass die G+J-Family-Sparte derzeit kein spektakuläres Sparprogramm starten muss, anders als „Stern“, „Gala“, „Brigitte“ und „Geo“. So arbeiten bei „Eltern“ und „Eltern Family“ – der monatliche Ableger für Eltern mit Kindern von 3 Jahren bis zur Pubertät wird im kommenden Jahr umgestaltet – seit Jahren keine nur schreibenden Redakteure mehr. Alle 19 Mitarbeiter haben Leitungsfunktionen und führen ein Netzwerk von freien Autoren; bei „Brigitte“ hat ein ähnlicher Schritt jüngst für großes Aufsehen gesorgt.

„Eltern“-Chefredakteurin Lewicki begründet die Struktur auch inhaltlich. Es sei wichtig, dass die Autoren „nah an der Lebenswirklichkeit der Zielgruppe“ leben und schreiben. Sprich: Ein Autor, dessen Kinder erwachsen sind, könne kaum mehr realitätsnah über den Alltag mit Babys schreiben. Diese permanente personelle Erneuerung könne man am besten mit freien Autoren gewährleisten. Zur Vervollständigung: Neben den 19 Print-Köpfen beschäftigt die Gruppe vier Mitarbeiter bei eltern.de und ein gutes Dutzend Kollegen bei urbia.de in Köln.




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