Grosso-Urteil

Verband plant BGH-Beschwerde / Bauer freut sich auf Einzelverhandlungen

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Ein Urteil mit Sprengkraft: Der Grosso-Verband darf weiterhin weder einheitliche Konditionen und Marktstandards für alle über 60 Zwischenhändler vereinbaren noch seine Mitglieder dazu auffordern, individuelle Verhandlungen mit Verlagen zu verweigern. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf nun final entschieden. Ein Urteil, das den Pressevertrieb durchschütteln könnte. HORIZONT.NET dokumentiert die Reaktionen.

Die Bauer Media Group begrüßt als Sieger im dreijährigen Rechtstreit das Urteil naturgemäß: "Das OLG bestätigt, dass das Preis- und Konditionenkartell des Grosso-Verbands so nicht weitergeführt werden darf", sagt Andreas Schoo, Konzerngeschäftsleiter bei Bauer: "Es ist gut, dass wir jetzt endlich faire und angemessene Handelsspannen pro Grossogebiet aushandeln können. Damit können wir beginnen, den deutschen Pressevertrieb modern und marktwirtschaftlich zu organisieren."

Der Wegfall des zentralen Verhandlungsmandats stelle keine Gefahr für das deutsche Pressevertriebssystem dar, sei also kein "System-Essential", so Bauer. Notwendig für ein möglichst vielfältiges Angebot von Presseerzeugnissen (Pressevielfalt) an möglichst vielen Verkaufsstellen (Überall-Erhältlichkeit) seien vielmehr Preisbindung, Remission, Disposition und Neutralität des deutschen Pressevertriebs. Hinter diesen "System-Essentials" stehe Bauer "seit jeher und auch zukünftig". In diesem Sinne lädt der Großverlag "alle Marktteilnehmer" zu weiteren Gesprächen ein, um "das Presse-Grosso an die aktuellen Herausforderungen des Marktes anzupassen und es so für die Zukunft zu sichern", so Schoo.

Grosso-Chef Frank Nolte will Beschwerde gegen das Urteil einlegen
Grosso-Chef Frank Nolte will Beschwerde gegen das Urteil einlegen
Der unterlegene Grosso-Verband hingegen will "angesichts der übergeordneten und grundsätzlichen Bedeutung" auch des zentralen Verhandlungsmandats und "seiner Rolle für den unabhängigen, diskriminierungsfreien und flächendeckenden Pressevertrieb" gegen das OLG-Urteil eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) einlegen, weil das OLG eine unmittelbare Revision beim BGH nicht zugelassen hat.

Bleibe es bei der Entscheidung, werde es künftig keine bundeseinheitliche Konditionentabelle mehr geben, "was den Marktzugang für kleine und mittlere Verlage sowie für Titel mit kleinen und mittleren Auflagen deutlich erschweren dürfte", befürchtet Frank Nolte, der 1. Vorsitzende des Bundesverbandes Presse-Grosso. Das Urteil berücksichtige offensichtlich die GWB-Novelle nicht ausreichend. Diese ermögliche kartellrechtlich "Branchenvereinbarungen, die den diskriminierungsfreien und flächendeckenden Pressesortimentsvertrieb an den Einzelhandel regeln". Schließlich sei das Presse-Grosso zum flächendeckenden Vertrieb - auch von unwirtschaftlichen Titeln an unwirtschaftliche Verkaufsstellen - verpflichtet. rp



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