Tilo Jung für "Jung & Naiv" im Gespräch mit Glenn Greenwald (Screenshot: Youtube)
Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" holt sich Online-Renommee in die heutige Print-Ausgabe: Auf einer Dreiviertelseite druckt die "FAZ" im Feuilleton ein Interview von Videoblogger Tilo Jung mit dem Enthüllungsjournalisten Glenn Greenwald. Der Auftakt einer regelmäßigen Zusammenarbeit? Die Kooperation zwischen Qualitätszeitung und Grimme-Online-Award nominiertem Videoblog eröffnet beiden Seiten zumindest eine interessante Perspektive.
Bahnbrechende Neuigkeiten ergeben sich aus dem Interview mit dem Snowden-Enthüller zwar eher nicht, interessante Fragen stellt der 28-jährige Jung trotzdem - in seiner bekannten naiven Art, die er mit seinem Videoformat
"Jung & Naiv" vor anderthalb Jahren eingeführt hat. So fragt er zum Beispiel: "Haben wir mit der NSA einen zweiten Gott?" Direkt nach Abdreh des Interviews mit Greenwald verfasste die Redaktion ein Transkript und eine Übersetzung des Interviews, die "FAZ" griff zu.
Zentrales Thema ist der Stand der Demokratie und die Folgen des NSA-Skandals auf das Politikverständnis. "Interessant ist doch, dass bislang niemand auf die Idee kam, einen Zusammenhang zwischen den technischen Details des NSA-Skandals und den Folgen für die Demokratie herzustellen", sagt
Hans Hütt, Redakteur von "Jung & Naiv" und als freier Autor des "FAZ"-Feuilletons auch Initiator der Kooperation.
Es ist eine Win-Win-Situation für beide Seiten: Für die Tageszeitung ist es eine gute Möglichkeit, interessanten Content ins Blatt zu heben und gleichzeitig die Verknüpfung zu einem erfolgreichen Internetprojekt herzustellen - und so auch multimediales Beiwerk zum Interview zu liefern. Für "Jung & Naiv" erschließt sich die Chance auf mehr Popularität und neue Zielgruppen - ist das Videoblog doch über seie Präsenz bei Youtube und dem Jugendsender Joiz vorrangig jüngeren Nutzern bekannt.
In der
"Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" erschien bereits vorgestern ein Artikel
über das Videoblog. Autorin
Mareike Nieberding zeichnet darin ein eher eindimensionales Bild von Jung und seinen Interviewmethoden. Bezogen auf Jungs für die Bundespressekonferenz unorthodoxen Kleidungstil, schreibt sie: "Womit ziemlich genau beschrieben ist, was an seinem Fragestil auch ziemlich nerven kann: sich dumm stellen, um einfache Antworten auf schwierige Fragen zu bekommen, das wirkt oft 'ein bisschen extra'."
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Zu den Zukunftsaussichten des Videoblogs heißt es bei Nieberding: "[...] Vielleicht ist Naivität ja auch etwas, das nur funktioniert, solange man noch Welpenschutz genießt. Womöglich ist eine naive Frage, stellt man sie zum zweiten Mal, nicht mehr naiv, sondern einfach nur banal. Und das Dummstellen nur so lange süß, wie es um nichts geht." Mitherausgeber
Frank Schirrmacher scheint das anders zu sehen, wie der Artikel auf der Medienseite beweist. Und Redakteur Hütt schließt nicht aus, dass Zeitung und Videoblog auch künftig bei interessanten Themen und Gesprächen zusammenarbeiten könnten.
fam