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Nonnenmacher ätzt gegen "Handelsblatt"-Chef Steingart

Günther Nonnenmacher
Jan Woitas / DPA / Picture Alliance
Günther Nonnenmacher
Günther Nonnenmacher (66) war 33 Jahre bei der „FAZ“, 20 Jahre davon als Herausgeber verantwortlich für das Politikressort. Nach dem Tod Frank Schirrmachers übernahm er kommissarisch das Feuilleton und erkor Jürgen Kaube zu seinem Nachfolger. Zum Jahreswechsel hat sich Nonnenmacher in den Ruhestand verabschiedet. Mit HORIZONT spricht er über den Zustand der Branche, die Zukunft des Journalismus und die lieben Kollegen.
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Besonders Gabor Steingart bekommt sein Fett weg. Wir erinnern uns: Steingart hat die "FAZ" bereits seit längerer Zeit auf dem Kieker. So warf er der Zeitung im Zusammenhang mit deren Ukraine-Berichterstattung vor, "geistige Einberufungsbescheide" zu veröffentlichen. Wenig später kritisierte er die Frankfurter Kollegen für eine fehlerhafte Titelgeschichte. Die "FAZ" keilte anschließend zurück und attestierte dem "Handelsblatt"-Chef einen "Kurzschluss beim Frühstücksei". All das sollte man im Hinterkopf haben, wenn Nonnenmacher Steingart als "den größten Windmacher in unserer Branche" tituliert. Im Folgenden lesen Sie weitere Auszüge aus dem Interview.

Günther Nonnemacher über...

...die verstorbene "Galionsfigur" Frank Schirrmacher: "Ich sage jetzt einmal etwas Ketzerisches: Hat Frank Schirrmacher, der wirklich ein berühmter Mann war, die Auflage der 'FAZ' steigern können? Kamen wegen ihm mehr Anzeigen? Geht es wirklich vor allem darum, einen 'Talking Head' zu haben, der ständig im Fernsehen auftritt? Ich glaube nicht."

...Gabor Steingart: "Gabor Steingart bringt das 'Handelsblatt' ins Gespräch durch ein ständiges 'Heute machen wir dies, morgen das'. Wenn ich mir die Auflage der Zeitung ansehe, scheint das so viel nicht zu bringen. Ich glaube, Sie überschätzen die Bedeutung von sogenannten Galionsfiguren. Galionsfiguren bilden den Bug des Schiffes und teilen die Wellen wie Moses einst das Rote Meer. Ich weiß nicht, ob das bei den strukturellen Veränderungen, die wir erleben, heute wirklich noch funktioniert."
Der ist für mich der größte Windmacher in unserer Branche.
Günther Nonnenmacher über Gabor Steingart


...die schwierige Suche nach einem Nachfolger für ihn als Herausgeber: "Dass Florian Illies uns einen Korb gegeben hat, wurde von 'Meedia' verbreitet. Ich möchte hier noch einmal klarstellen: Florian Illies hat uns gar keinen Korb geben können, weil wir ihn nicht gefragt haben. Ich schätze den ehemaligen Kollegen sehr und kenne ihn aus der Zeit, als er für uns die Berliner Seite gemacht hat. Ich finde es sehr bedenklich, mit welcher Nonchalance heute Namen genannt und damit Leute beschädigt werden. Der Medienjournalismus spielt hier nicht immer eine positive Rolle, um es vorsichtig zu formulieren. Wenn man sieht, wie jemand wie Wolfgang Büchner als Chefredakteur des 'Spiegel' zuerst zum Erlöser hochgeschrieben und dann als Gescheiterter runtergeschrieben wurde, raubt mir das ehrlich gesagt den Atem."

Jürgen Kaube, der letztendlich Nonnenmachers Nachfolger wurde: "Der ist ein wunderbarer Stegreif-Redner, witzig, argumentativ überzeugend und hellwach. Wenn er jetzt als Herausgeber ins Scheinwerferlicht tritt, werden seine Qualitäten, die bisher vielleicht noch nicht so bemerkt worden sind, besser zum Ausdruck kommen. Für ihn beginnt ein neues journalistisches Leben."


...die Rolle des Feuilletons bei der "FAZ": "Wenn sich meine Kollegen in der Politik bisweilen über das Feuilleton erregten, war damals meine Antwort: Wir sind Pflicht und das Feuilleton ist Kür. Das Feuilleton ist auch viel heterogener und kleinteiliger organisiert, was bedeutet, dass es hier sehr viel mehr unterschiedliche Meinungen gibt und man die Leute immer wieder zusammenführen muss. Im politischen Teil werden uns die Inhalte zu einem großen Teil von der Tagesaktualität diktiert. Das Feuilleton ist viel freier bei der Wahl seiner Themen und sicher auch in der generellen Ausrichtung."

...einen Generalverdacht im Netz gegenüber Politik und Medien: "Die fortschreitende Digitalisierung bringt einen gesellschaftlichen Umbruch mit sich, der vermutlich vergleichbar ist mit dem der industriellen Revolution. Es wundert mich nicht, dass in solchen Zeiten Parteien, die auch noch keine Antworten haben und sich vorantasten, weniger reüssieren. Ich würde das der Politik nicht vorwerfen, es gibt keine einfachen Antworten auf komplizierte Fragen."

...Eskalationsjournalismus: "Es ist nicht unser Beruf, Scharfrichter zu sein. Die beiden großen Trends im Journalismus sind Personalisierung und Eskalierung. Es muss immer einer Schuld sein, und es muss immer gleich die ganz große Katastrophe oder der ganz große Skandal sein. Ich behaupte: Grosso modo fährt die 'FAZ' eine Deeskalationsstrategie. Frank Schirrmacher war da sicher anders, der war ein großer Verschärfer."

..."FAZ"-Geschäftsführer Thomas Lindner (seit September 2013 im Amt): "Ich habe das erste Jahr mit Thomas Lindner sehr positiv erlebt. Er hat Geschäftsfelder, die früher aufgebaut worden sind, kritisch unter die Lupe genommen und bei einigen, bei denen wir immer schon unsere Zweifel hatten, relativ schnell, doch nach sorgfältiger Prüfung aufgeräumt. Er hat ein Sparprogramm aufgesetzt, das vor allem den Verlag betrifft und sich sehr radikal anhört, bei dem aber alles Hand und Fuß hat. Wir wollen doch nichts lieber als einen erfolgreichen Geschäftsführer!"

...die Konkurrenz von der "Süddeutschen Zeitung": "Es ist doch gar keine Frage, dass die beiden wirklich großen und bedeutenden Tageszeitungen die 'FAZ' und die 'Süddeutsche' sind. Natürlich hat die 'FAZ' jeden Tag hervorragende Artikel, aber natürlich liest man auch die 'Süddeutsche' und denkt sich, na ja, das ist auch gar nicht so schlecht oder sogar richtig gut. Ich glaube, da gibt es schon gegenseitigen Respekt. Ich wage auch die gar nicht so kühne These: Wir werden uns entweder gemeinsam in finanziell bessere Gefilde bewegen oder keiner von uns."

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