Digitalgeschäft

G+J gründet 50-Millionen-Euro-Investitionsfonds

G+J-Manager Stan Sugarman
Gruner + Jahr
G+J-Manager Stan Sugarman
Neues im Netz: Gruner + Jahr verändert die Schwerpunkte und die Vorgehensweise in seinem Digitalgeschäft. Dazu gehört auch die Gründung eines 50-Millionen-Euro-Investitionsfonds.
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In den kommenden zwölf Monaten 2015/2016 will der Verlag europaweit 100 Millionen Euro in sein Digitalgeschäft investieren – ebenso viel wie in den vergangenen zwölf Monaten 2014/2015. Diese Summen tauchen jedoch nicht in dieser Höhe als Bilanzposten aktiviert auf, weil sich dahinter nicht nur (bilanzierbare) Akquisitionen verbergen, sondern auch rein ergebnismindernde Kosten, vor allem für Technologie und Personal.


Allerdings will G+J künftig einen größeren Schwerpunkt auf Zukäufe setzen – rund 80 Prozent (bisher: 60 Prozent) der 100 Millionen Euro sollen hierfür verwendet werden, nur noch 20 Prozent für Investitionen ins organische Wachstum. Auch inhaltlich verändert sich der Fokus: Stand bislang die Werbevermarktung im Vordergrund (2014 etwa die Akquisitionen des Bewegtbild-Vermarkters Advideum in Frankreich, des Performance-Technologieanbieters Veeseo und des Empfehlungswerbung-Dienstleisters TRND), sollen es nun Content und E-Commerce sein. Dies verkündeten G+J-Digitalchef Stan Sugarman und sein Vize Arne Wolter bei einem Pressegespräch am Mittwoch in Hamburg.
Um die akquisitorische Schlagzahl endlich zu erhöhen, gründet G+J zudem einen mit 50 Millionen Euro ausgestatteten Investitionsfonds („G+J Fund“); über die Hälfte davon soll indes über Mediavolumen spendiert werden (Media for Equity). Sugarman versteht das Konstrukt, das als eigene Firma mit einem eigenen Management in Hamburg oder Berlin gesteuert werden soll (G+J hat den Fonds-Geschäftsführer bereits gefunden, nennt den Namen aber noch nicht), als „Enabler für externe Minderheitsbeteiligungen“.

Auf den G+J-Radar kommen europaweit Startups in den Branchen Living, Food und Parenting/Family sowie Werbetechnologie – entsprechend den vier Bereichen, in die der Verlag auch organisch verstärkt investiert. Passenden jungen Firmen will G+J Geld und vor allem Werbeflächen in seinen Medien zur Verfügung stellen und damit Minderheitsanteile erwerben. Entwickelt sich das jeweilige Startup gut – gerade auch hinsichtlich der Verzahnung mit den übrigen G+J-Geschäften –, will G+J die betreffenden Firmen vollständig übernehmen. Wenn nicht, sollen die Anteile wieder verkauft werden.
Einen solchen Exit hat G+J jüngst beim Kinderartikel-Webshop Tausendkind (bis dato 25,1 Prozent) gewählt. Seine 26-Prozent-Beteiligung am Internet-Feinkosthändler Delinero will G+J dagegen in den kommenden Tagen auf 100 Prozent ausweiten. Insofern institutionalisiert der neue G+J Fund das Trial-and-Error-Vorgehen als Testlabor für Akquisitionen.

Bisher war G+J im Digitalgeschäft in meist kleinen und kleinteiligen Schritten wacker unterwegs. Doch ohne nennenswerte Zukäufe wird der organisch steigende Digitalumsatz die sinkenden Erlöse im Stammgeschäft nicht ausgleichen können. „Akquisitorisch geht noch mehr, das stimmt“, hatte Verlagschefin Julia Jäkel jüngst im HORIZONT-Interview bekannt. Immerhin sind die G+J-Digitalumsätze 2014 weltweit um 25 Prozent gestiegen und machen nun einen Anteil von rund 15 Prozent aus, international weniger, in Deutschland etwas mehr. Das bereits im vergangenen Jahr formulierte Ziel: 2018 soll der Anteil bei über 30 Prozent liegen. Rund ein Drittel der Digitalerlöse soll dann aus Bezahlprodukten und E-Commerce kommen, und nur noch zwei Drittel aus der Vermarktung (bisher: über 90 Prozent). G+J will sich etwas unabhängiger machen vom volatilen, konkurrenzstarken und preisaggressiven Werbegeschäft.

In den drei „strategischen Aktivitätsfeldern“ nennen Sugarman und Wolter die nächsten Großprojekte: Beim Digital Publishing (Websites, Mobile/Apps, E-Magazine, Bewegtbild) steht in den kommenden Wochen der Relaunch von Stern.de an; einen siebenstelligen Betrag investiert G+J hier vor allem in CMS-Technologie. Im 2. Halbjahr folgt Brigitte.de. Und rund 80 E-Magazine (bald kommt die „Eltern“-App) sorgen mittlerweile für einen siebenstelligen Umsatz. Hier will man weiter „alle auch neuen robusten Verkaufsplattformen nutzen“, nicht nur Apples Store, so Sugarman. Und 350 Web-Videos hat man 2014 produziert (2013: 60).

Bei der Digitalisierung des Kerngeschäfts durch E-Mags und Bewegtbild nutzt G+J Skaleneffekte, weil meist bereits vorhandene langlebige – und eben kaum tagesaktuelle – Inhalte kostengünstig digital umgepackt (Sugarman: „Maßkonfektion statt Maßschneiderei“) und dann via Werbevermarktung oder Paid Content dauerhaft monetarisiert werden können.

In der Digitalen Vermarktung nennt Wolter hohe Wachstumsraten, allerdings mitunter wohl noch auf Basis eher niedriger absoluter Werte: Beim Umfeldvermarkter G+J Media Sales (Desktop, Tablet, Mobile) stieg der Digitalumsatz 2014 um 6 Prozent, beim Performance-Vermarkter Ligatus (inklusive Veeseo) um 22 Prozent und bei TRND um 50 Prozent.

Und im dritten Feld, bei den reinen Digitalangeboten und Zusatzgeschäften mit E-Commerce und Paid Services? Hier will G+J weiterhin Startups aufbauen oder zukaufen (fortan über den G+J Fund) sowie bestehende Beteiligungen (siehe Delinero) und Produkte (die höchst erfolgreiche Community Chefkoch erhält neue Tools) ausbauen, vorwiegend auf den Gebieten Food, Family (im Mai ist Finderzimmer hinzugekommen, eine kostenlose Flohmarkt-App für gebrauchte Kinderklamotten, die G+J Verkaufsprovisionen bescheren soll) und Living. Hier will G+J vor allem die Einrichtungs-Community Roomido aufmöbeln. Sie soll eine eigenständige Firma und mit Zukäufen verstärkt werden, die Zahl der Mitarbeiter wächst von 6 auf 20. Geschäftsmodell: Werbung, Listing-Entgelte von Anbietern sowie Transaktionserlöse.

Nicht in Sugarmans und Wolters bunten Charts präsentiert wurde ein weiteres Digitalprojekt – das jedoch mit Inhalte-Abbau zu tun hat. Rund 40 Print-Marken führt G+J in Deutschland (je nachdem, welche Line-Extension man hinzuzählt), und gerade ist man dabei, die Websites der meisten von ihnen in reine „Brand-Sites“ zu verwandeln: Ehemals redaktionell gepflegte Portale werden zu Marketingplattformen für Bezahlprodukte abgerüstet, weil sie zu klein sind, um jemals über Werbung finanziert werden zu können. Am Ende sollen nur etwa zehn „Content-Sites“ mit eigenen journalistischen und Community-Inhalten aufwarten, darunter natürlich Stern.de (nach wie vor defizitär), „Brigitte“, „Gala“ und Chefkoch.de. rp




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