Deutscher Medienkongress 2017

"Natürlich machen wir Fehler - aber wir lernen auch daraus"

Bild-Online-Chef Julian Reichelt
Getty Images / Maja Hitij
Bild-Online-Chef Julian Reichelt
Silvester in Köln, Amok in München, Terror in Berlin: Für Journalisten mangelte es nicht an Breaking-News-Lagen im vergangenen Jahr 2016, ebensowenig an der Kritik an ihrer Berichterstattung. Beim Deutschen Medienkongress  diskutierten Chefredakteure und Journalisten am Dienstag über ihre Rolle zwischen Hysterisierung und Verharmlosung, über Wahrheiten, die sich als Gerüchte erweisen und Vorfälle, die erst Tage später gesendet werden.
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Die wohl klarste Meinung vertritt in Frankfurt, das ist kaum überraschend, Julian Reichelt, Chefredakteur von Bild Digital: "Um das wahre Gesicht des Terrorismus zu zeigen, braucht man die Gesichter der Opfer", sagte er auf die Kritik an der Entscheidung, Bilder von getöteten Minderjährigen gezeigt zu haben. Angesichts der zahlreichen Versäumnisse der Behörden im Vorfeld des Terroranschlags am Berliner Breitscheidplatz ändere sich "mit positiver, weichgespülter Berichterstattung" überhaupt nichts.

Deutscher Medienkongress 2017: Bilder von der Chefredakteursrunde

Auch eine Heroisierung der Terroristen durch die Medien - ein oft genannter Zwiespalt unter Journalisten - ist Reichelt zufolge in keinster Weise belegt. "Ich glaube nicht, dass Terroristen unsere Art der Berichterstattung wollen. Sie haben längst ihre eigenen Nachrichtenchannels, in denen sie sich als Helden feiern lassen können."

Zurückhaltender und selbstkritisch äußert sich Wolfgang Krach, Chefredakteur der "Süddeutschen Zeitung". Der Anspruch "Gründlichkeit vor Schnelligkeit", den seine Mitdiskutantin Sonja Schwetje, Chefredakteurin von N-TV, formuliert hatte, könne in Situationen wie der des Amoklaufs in München nicht immer erfüllt werden. "Von uns waren rund 40 Leute in der Stadt unterwegs. Und dann berichtet ein Kollege, den ich schon sehr lange kenne, dass in der Innenstadt 19 Leichen liegen. Ein anderer erzählt von Schüssen am Marienplatz. Weil  alle in einer persönlichen Ausnahmesituation waren." Natürlich versuche man, gründlich zu sein, aber es gelinge nicht immer. "Wir machen Fehler - aber wir lernen auch daraus", so Krach.

Deutscher Medienkongress 2017: Die Bilder vom ersten Tag

Zur konkreten Bedrohung durch Terrorangriffe kommen die Herausforderungen durch die Verbreitung von gefälschten Nachrichten im Netz. Bild-Mann Reichelt beklagt, dass es gesamtgesellschaftlich versäumt wurde, ein Bewusstsein dafür zu schaffen. "Schon seit zwei Jahren gibt es einen massiven Angriff auf unsere Institutionen." In dieser Zeit sei Wikileaks, laut Reichelt eine "Fake-Schleuder", zu einer Art Gegenplattform geworden, die mehr Vertrauen genossen hat als etablierte Medien. Das Problem sei deshalb nicht ganz neu, "Bild" bereite sich seit langem mit einer Mischung aus sehr guten Leuten und sehr guter Technologie auf den Umgang damit vor.

Doch so weit sind nicht alle: "Wir müssen unsere Kapazitäten im Umgang mit Fake News noch deutlich ausbauen", sagt Kai Gniffke, Erster Chefredakteur von ARD-aktuell. Zwar gebe es bereits Teams aus Redakteuren und Mitarbeitern, die Nachrichten verifizieren und die Quellen prüfen, aber dass dem Thema 2017 ein deutlich größerer Stellenwert eingeräumt werden müsse, sei "alternativlos". kan 

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