Blick zurück nach vorn: Nach dem
monatelangen Gezerre um das Konzept, die Amtsführung und schließlich die Ablösung ihres Vorgängers Wolfgang Büchner sortiert die neue "Spiegel"-Doppelspitze,
im Januar offiziell berufen, seinen Nachlass.
Dabei ist sich Klaus Brinkbäumer, als Chefredakteur des "Spiegel" und Herausgeber von Spiegel Online der Primus inter Pares im Duo, der Dringlichkeit der Aufgabe bewusst – zumal vor Büchner bereits die Doppelspitze Müller von Blumencron/Mascolo an dem Job gescheitert war, die Marke "Spiegel" ins digitale Zeitalter zu führen.
"Wir wissen, dass kein Medienunternehmen endlos viele Chancen vergeben darf", sagt Brinkbäumer im Gespräch mit HORIZONT. "Wir haben schlicht keine Zeit und kein Interesse, uns in Machtspielchen zu verkämpfen", ergänzt Spiegel-Online-Chef
Florian Harms.
Wir wissen, dass kein Medienunternehmen endlos viele Chancen vergeben darf.
Klaus Brinkbäumer
Auf dem Weg nach oben? Klaus Brinkbäumer und Floriam Harms
Was führen die "Spiegel"-Spitzen im Heft, im Netz, in der App und in der Redaktionsstruktur fort, was justieren, verändern oder stoppen sie – und was kommt Neues? Darüber sprechen sie im großen Interview (ein kleiner Auszug hier in HORIZONT Online), und auch über die
möglichen Anteile-Abstoßabsichten von
Jakob Augstein, Risikoerfahrungen mit dem neuen Erscheinungstermin Samstag, vage Abverkaufshoffnungen beim Heft und bei der App, Paid Content im Netz, Leserdialog auf Augenhöhe (und trotzdem mit Weitblick), über Einblicke von Werbekunden in die Arbeit des "Spiegel". Natürlich über die
Harmonie im Haus, zwischen Print und Online, zwischen ihnen beiden. Und im Blatt.
Auszüge aus dem Interview
Sie möchten einen harmonischeren Formatlauf beim Hefteinstieg, im gesamten Blatt "weniger graue Pflichtstoffe". Es soll "markanter" werden. Wie meinen Sie das?Klaus Brinkbäumer: Manches drucken wir aus Chronistenpflicht oder auch deshalb, weil wir das schon immer so gemacht haben – obwohl mancher Text so ähnlich schon anderswo stand. Wir müssen schärfer entscheiden, derartiges aus dem Heft zu nehmen. Das schafft Raum, andere Geschichten stärker zu entfalten: die großen Erzählungen der Wirklichkeit, die nur der "Spiegel" so leisten kann, weil wir die Investigativreporter, die Fachleute, die Korrespondenten in aller Welt und die Schreiber dafür haben. Seit ungefähr zehn Wochen bieten wir in jedem Heft neben der Titelgeschichte einen zweiten titeltauglichen Komplex. Der "Spiegel" soll – auch durch eine bessere Zusammenarbeit mit Spiegel Online und Spiegel TV – investigativer werden und zugleich erzählerischer, leidenschaftlicher, kraftvoller und mutiger in der Schwerpunktsetzung.
Ihre Schwerpunkte beim anstehenden Umbau von Spiegel Online sind bekannt: Mobile, Storytelling und Datenjournalismus, Bewegtbild, Social Media/SEO und eine Schärfung des inhaltlichen Profils inklusive Relaunch. Wann und wie setzen Sie diesen um?Florian Harms: Wir sind längst dabei, das sehen Sie jeden Tag auf der Seite, in den Apps und den sozialen Netzwerken. Deshalb steigt unsere Reichweite kontinuierlich. Aber noch viel mehr wird folgen. Den Relaunch planen wir für die zweite Jahreshälfte. Er soll adaptiv sein und alle Bildschirmgrößen optimal bedienen. Für eine so große Seite wie Spiegel Online ist das eine komplexe Herausforderung, vor allem wegen der Werbeformate. Da wollen wir im Markt eine Pionierrolle einnehmen. Parallel arbeiten wir an einer Tablet-App sowie an einem ganz neuen Produkt, über das wir bald mehr verraten werden.
Wegen sinkender Umsätze hatte der Verlag schon vor über zwei Jahren einen Stellenabbau angekündigt. Abfindungsangebote wurden jedoch kaum angenommen, die Online-Redaktion ist sogar auf nun 160 Köpfe gewachsen. Können Sie sich allen Sparmaßnahmen entziehen?Brinkbäumer: Das haben wir schon bisher nicht getan. Wir wissen, dass wir künftig sparsamer arbeiten müssen. Wir haben schon in den vergangenen zwei Jahren nicht mehr jeden freiwerdenden Posten nachbesetzt, doch wenn wir uns durch exzellente Journalisten wie zuletzt Nils Minkmar und Volker Weidermann verstärken können, tun wir das auch weiterhin.
Werden Print- (rund 250 Köpfe) und Online-Redaktion (160) am Ende des Jahres kleiner oder größer sein als jetzt?Brinkbäumer: Kleiner.
Reicht Fluktuation dafür aus? Können Sie betriebsbedinge Kündigungen ausschließen?Brinkbäumer: Was kann man heutzutage schon ausschließen? Theoretische Antwort: Wenn morgen alle Anzeigenerlöse wegbrächen und sich die Auflage halbierte, müssten wir reagieren.
Gehen wir mal nicht vom Weltuntergang aus, sondern nur davon, dass sich Kosten und Erlöse genauso weiter entwickeln wie zuletzt. Können Sie Kündigungen dann ausschließen?Brinkbäumer: Wir sparen da, wo es notwendig ist, und wir investieren da, wo es sinnvoll ist.
Abonnenten lesen das vollständige Interview in der HORIZONT-Ausgabe 18/2015 vom Donnerstag, 30. April, die auch auf Tablets oder - nach einmaliger Registrierung - als E-Paper gelesen werden kann. Nicht-Abonnenten können hier ein HORIZONT-Abo abschließen.