Was „Bilanz“ in seiner kurzen Agenturvorabmeldung berichtet, ist in einem Satz gesagt: Anfang 2013 habe sich der „Spiegel“-Verlag mit 74,9 Prozent am Neu-Isenburger Kunsthandel Verlag („Der Kunsthandel“) beteiligt, sich dabei auf ungeprüfte Geschäftszahlen verlassen und bei dem Deal zwei Millionen Euro versenkt; im Frühjahr 2014 habe man sich wieder von der Beteiligung getrennt. Und um die kurze Meldung etwas aufzumotzen, erwähnt „Bilanz“ (das dem „Manager Magazin“ aus der Spiegel-Gruppe Konkurrenz machen will) auch nochmal den bekanntlich gescheiterten Versuch der Kollegen, 2012/13 das Wissenschaftsmagazin „New Scientist“ in Deutschland zu etablieren. Drei Millionen Euro habe dieses Abenteuer gekostet, so „Bilanz“.
Jeweils Summen also, die nicht höher sind als die, die der "Spiegel" seinen in den letzten Jahren so zahlreich abgesägten Führungskräften als
Abfindungen hinterhergeschmissen hatte. Und erneut hinterherschmeißen würde, wenn man sich vom umstrittenen Chefredakteur Wolfgang Büchner und im Gefolge von Saffe trennen würde.
Eine „verfehlte Beteiligungspolitik“ und „schwerwiegende
Managementfehler“ wirft "Bilanz" dem Spiegel-Verlag beim "Kunsthandel"-Deal vor. Zur Einordnung der Zahlen ein Maßstab-Beispiel, ebenfalls aus der Historie: 2007 musste
Axel Springer (damals noch ohne „Bilanz“) das Abenteuer mit seiner damaligen Briefzustelltochter
Pin mit einem Verlust von 572 Millionen Euro abschreiben.
Spiegel-Geschäftsführer Ove Saffe
Interessant ist nun, warum wohl die Infos über das (überschaubare, aber doch sehr ärgerliche) offensichtliche
Fehlinvestment überhaupt an die Presse lanciert wurden – und warum jetzt. Dazu sollte man wissen: Im
seit Wochen währenden Gezerre um Chefredakteur Wolfgang Büchner und sein digitales Umbaukonzept „Spiegel 3.0“ hat sich Geschäftsführer
Ove Saffe seit jeher vor, neben und hinter Büchner gestellt, nach innen
und auch nach außen.
Saffe hat sein Schicksal gewissermaßen mit dem Büchners verknüpft. Und falls Büchner nicht zu halten wäre –
danach sieht es derzeit aus –, dann dürfte Saffe an der Nachfolgersuche beteiligt sein. Wenn er, Saffe, denn überhaupt selber bleiben will oder darf. Eine interne Chefredakteurs-Lösung jedenfalls lehnen er ebenso wie Teile der Gesellschaftervertreter ab. Man befürchtet strategischen Stillstand und will sich zudem nicht allein dem Druck der (Print-) Redaktion beugen, die
interne Kandidaten bevorzugt. Das heißt: Es gibt Fraktionen und Personen, die jetzt Interesse daran haben dürften, Saffe zu schwächen. Das Detailwissen, das „Bilanz“ in Sachen „Der Kunsthandel“ zugetragen wurde, dürften indes nicht allzu viele im Hause teilen.
Die Vertreter des Hauptgesellschafters Mitarbeiter KG (50,5 Prozent) sind, in alphabetischer Reihenfolge:
Rainer Buss (Controller),
Thomas Hass (Vertriebschef),
Gunther Latsch (Redakteur),
Thomas Riedel (Dokumentar) und
Marianne Wellershoff (Leiterin „Kultur Spiegel“). Für Gruner + Jahr (25,5 Prozent) sind CEO
Julia Jäkel und Operations-Vorstand
Oliver Radtke mit dem „Spiegel“ befasst. Sprecher der Augstein-Erbengemeinschaft (24 Prozent) ist der Publizist und „Freitag“-Verleger
Jakob Augstein. Das „Spiegel“-Management besteht neben Saffe noch aus den beiden Verlagsleitern
Matthias Schmolz (Verlagsobjekte, Spiegel Online, Spiegel TV) und
Rolf-Dieter Schulz (Personal, Verwaltung, Recht).
Die komplette 6-Seiten-Geschichte in "Bilanz" (die Umbau-Analyse über
Siemens muss sich mit fünf Seiten begnügen) trägt erkennbar auch die Recherche- und Stil-Handschrift der langjährigen Spiegel-Gruppen-Journalisten
Arno Balzer (jetzt "Bilanz"-Herausgeber) und
Klaus Boldt ("Bilanz"-Chefredakteur), beide bis 2013 Chef- (Balzer) und Medienredakteur (Boldt) beim "Manager Magazin". Balzer musste das Haus
nach einem Streit mit Saffe im vergangenen Sommer verlassen.
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Vor ein paar Monaten, als die Welt beim „Spiegel“ nach außen hin noch heile war, da hatte Geschäftsführer Ove Saffe eine Einladung des Clubs Hamburger Wirtschaftsjournalisten (CHW) angenommen. Jetzt sollte es soweit sein. Doch in der Zwischenzeit: Riesentumulte um Chefredakteur Wolfgang Büchner und sein digitales Umbaukonzept „Spiegel 3.0“. Muss er gehen? Oder doch nicht? Wer kommt? Wie ist die Lage bei den Gesellschaftern? Man hätte verstanden, wenn Saffe den Termin dann doch noch abgesagt hätte. Hat er aber nicht.
Das Stück, als dessen Autor Volker ter Haseborg firmiert, fasst die allseits bekannte Lage beim "MM"-Schwesterblatt "Spiegel" umfassend, bestens informiert, schonungslos und süffisant zusammen, wenngleich mit Schuld-Schlagseite zulasten von Saffe (und zugunsten der speziellen "Spiegel"-
Eigentümerstruktur samt ihren Lähmungskräften). Der Kernvorwurf an Saffe: Er agiere "weitgehend glück-, erfolg- und vor allem einfallslos" und habe die Aufgabe, ein
Digitalisierungskonzept zu erarbeiten, an die Chefredaktion wegdelegiert. Nun, es braucht wenig Phantasie zu erahnen, wie der Vorwurf an Saffe lauten würde, hätte er diese Aufgabe, die in einem Verlag wie dem "Spiegel" ja eine vor allem
publizistische ist, alleine an sich gerissen: Dass Saffe sich nämlich "in redaktionelle Angelegenheiten einmischen" würde. Kulturbruch, mindestens!
Zuzustimmen ist der indirekten Schlussfolgerung der "Bilanz"-Geschichte: Dass der "Spiegel" in seiner bisherigen Eigentümerstruktur und der selten einigen (Print-) Mitarbeiter KG schon in beginnend schwierigen Zeiten kaum mehr führbar ist. Fragt sich nur, was dann wird, wenn die
Ertragskrise auch beim "Spiegel" erst so richtig ankommt. Wenn also irgendwann vielleicht gar keine Gewinne mehr zu verteilen sind.
rp