Die Macher von Goldbach Germany: Klaus Nadler, Martin Krapf, Peter Christmann und Michi Frank (v.l.)
Nach gut einem Jahr Vorbereitung ist es nun so weit: Deutschland hat einen neuen Vermarkter für Bewegtbildwerbung. Was die Sache so interessant macht, sind die beteiligten Protagonisten. Mehrheitsgesellschafter ist die Schweizer Goldbach Group, mit Peter Christmann und Martin Krapf halten aber auch zwei deutsche Branchengrößen Anteile an dem Unternehmen.
Christmann ist wohl der richtige Mann für das Projekt. Nach seinem Vorstandsjob bei Pro Sieben Sat 1 leitete er den Online-Vermarkter Media Group One, der vergangene Woche von Yahoo übernommen wurde. Der 50-Jährige ist also in beiden Feldern zuhause – im klassischen TV-Geschäft und im Internet-Business.
Der zweite geistige Vater von Goldbach Germany ist Martin Krapf. Der war als Chef des RTL-Vermarkters IP Deutschlands lange der direkte Gegenspieler von Christmann. Dass die beiden nun gemeinsame Sache machen – Christmann als CEO, Krapf als Berater – hat zweifellos seinen Reiz.
Die große Frage ist nun, was Goldbach Germany in den nächsten Monaten wirklich bewegen kann. Spektakulär ist der Start nicht – Christmann und Krapf ist es nicht gelungen, gleich zum Start wichtige TV-Vermarkter als Mandanten zu gewinnen. In ihrem Antrittsinterview präsentieren sich Christmann, Krapf, Michi Frank (CEO Goldbach Group) und Klaus Nadler (bei Goldbach verantwortlich für das Deutschlandgeschäft) betont gutgelaunt und angriffslustig. HORIZONT Online veröffentlich Auszüge aus dem Interview, das in voller Länge in der aktuellen Printausgabe von HORIZONT zu lesen ist.
Meine Herren, Goldbach Germany ist offiziell gestartet und in der Branche fragt man sich, worum es dabei in erster Linie geht: um einen dritten großen TV-Vermarkter, unter dem sich die kleinen und mittleren Sender sammeln sollen, oder um einen Bewegtbildvermarkter neuen Typs.
Christmann: Es ist beides. Unser Ausgangspunkt ist: Es gibt in Deutschland noch keinen wirklich übergreifenden Bewegtbildvermarkter, der alle vier Bereiche gleichermaßen bedient: lineares Fernsehen, stationär und mobil ausgespielte Online-Videos, das Sonderthema Smart TV und Digital Out of Home (DOoH). Es wird unter dem Dach der Goldbach Germany für jeden dieser Bereiche eine Tochterfirma geben, zwei davon, nämlich für TV und DOoH haben wir bereits gegründet. Am Markt agieren werden wir allerdings ganzheitlich aus der Goldbach Germany heraus, die damit sowohl als Holding, als auch gleichzeitig als Operative fungiert.
Wie sehen die Umsatzziele für die ersten ein, zwei Jahre aus? Wie groß soll Goldbach Germany werden?
Frank: Wir denken nicht in klein, mittel oder groß, unser Anspruch ist, zusammen mit den richtigen Leuten Qualität in den Markt zu bringen und uns Respekt zu erarbeiten. Ich bin seit 20 Jahren in der Vermarktung und weiß, wie wichtig die menschliche Komponente ist. Als wir uns vor gut einem Jahr mit Peter Christmann und Martin Krapf zum ersten Mal getroffen haben, hat es sofort klick gemacht. Der Teamspirit ist einfach fantastisch. Und was unsere Ziele betrifft: Wir sind zutiefst überzeugt von unserem strategischen Ansatz und davon, erfolgreich sein zu können.
Als erste Gerüchte die Runde machten, dass Sie einen Vermarkter planen, waren die Erwartungen enorm. Die Rede war von einer 3. Kraft neben Seven One Media und IP Deutschland.
Krapf: Die Startposition für einen neuen Bewegtbild-Vermarkter ist sensationell gut. Wir kennen alle die Zahlen: Der deutsche Werbemarkt für Bewegtbildwerbung beläuft sich netto auf rund 4,5 Milliarden Euro, der bei weitem größte Teil davon landet bei IP Deutschland und Seven One Media. Die anderen Anbieter sind massiv unterkapitalisiert, das gilt für die mittelgroßen Sender und ganz extrem für Longtail-Sender. Wenn man daran glaubt, dass Bewegtbild die Zukunft ist und der Werbemarkt in diesem Segment weiter massiv wachsen wird, muss man versuchen, alles, was im Bewegtbildmarkt an Angebot vorhanden ist, auch nutzbar zu machen. Goldbach macht in der Schweiz und in Österreich vor, wie man als neutraler Bewegtbild-Vermarkter im Markt eine zentrale Rolle spielen kann.
Große Mandanten können Sie zum Start allerdings nicht vorweisen.
Krapf: Unser Ansatz ist nicht, die mittelgroßen Sender jetzt so schnell wie irgend möglich als Mandanten zu gewinnen. Wir gehen genau andersherum vor und zeigen jetzt erst einmal, was wir können. Die Sender machen ja alle einen guten Job und haben engagierte und hochqualifizierte Leute. Aber ohne die kritische Masse kann man einfach nicht so viel in Technik und Menschen investieren, wie es nötig wäre, um einen entscheidenden Schritt nach vorn zu machen. Wenn wir bei unseren ersten Mandanten belegen können, dass wir ihr Inventar besser kapitalisieren, kommt der Rest ganz von allein. Vermarktung, wenn sie gut gemacht ist, wird immer honoriert. Wir sind da völlig entspannt.
Christmann: Gerade im Longtail-Bereich gibt es unglaublich viele interessante Angebote, und es kommen ja ständig neue hinzu. Unsere Vision ist es, dieses Angebot zusammen mit den weiteren Bewegtbildbereichen in einer Währung abzubilden und mit einer technischen Infrastruktur kaufbar zu machen – und das idealerweise mit einem intelligenten programmatischen Ansatz.
Goldbach ist in Deutschland schon länger mit Goldbach Interactive am Markt. Sehen Sie hier Synergieeffekte?
Nadler: Absolut. Performance-Agenturen sind gerade in aller Munde. Goldbach Interactive ist einer der wenigen neutralen Dienstleister, den es in diesem Bereich noch gibt, die meisten anderen wurden ja von den großen Agentur-Netzwerken übernommen. Der Performance-Bereich hat aus sich heraus noch ein großes Wachstumspotential, ein wichtiger Punkt wird aber auch sein, Werbeflächen zukünftig crossmedial anzubieten. Goldbach Germany und Goldbach Interactive können sich hier sehr gut ergänzen.
Ein entscheidender Punkt wird sein, wie die Mediaagenturen auf Ihren Ansatz reagieren. Gab es schon Gespräche?
Krapf: Natürlich, wir haben mit fast allen wichtigen Agenturen schon gesprochen. Das Schöne ist, dass sie die gleichen Themen wie wir auf dem Schreibtisch haben und die Marktentwicklung ganz ähnlich einschätzen. Wir haben die tolle Chance, gemeinsam Modelle zu entwickeln, auf die der Markt dringend wartet. Es geht um Automatisierung und Meßbarkeit, es geht darum, das komplette Bewegtbild-Angebot effizient vermarktbar zu machen. Die Mediaagenturen suchen Partner, mit denen sie neue Konzepte testen und entwickeln können. Deswegen sind sie für uns auch ein ganz wesentlicher Erfolgsfaktor.
Christmann: Ich glaube, in uns wird auch ein bisschen die Hoffnung gesetzt, Wegbereiter für einige Themen sein zu können, die im Markt draußen gerade so in der Luft schweben. Wir werden nichts im stillen Kämmerlein entwickeln, sondern immer wieder Rücksprache halten und schauen, passt das rein in die Welt und die existierenden Infrastrukturen.
Frank: Für mich ist das ein ganz entscheidender Punkt. Vom Markt etwas weg zu entwickeln, ist schlicht ineffizient. Der Reiz von Goldbach Germany ist, dass wir die Chance haben, etwas auf der grünen Wiese zu entwickeln, das eben genau dem entspricht, was der Markt braucht und will. Wir können die Dinge frei entwickeln, wir haben keinen Rucksack mitzuschleppen, wir müssen nicht bestehende Systeme modifizieren und Modelle aus unseren eigenen Medien heraus entwickeln. Ich sehe in unserer Neutralität wirklich einen ganz entscheidenden Vorteil. Es wäre überheblich, zu sagen: Wir kommen jetzt nach Deutschland, um den Markt zu revolutionieren. Wer sind wir, so etwas zu sagen? Wir haben vielmehr Spaß daran, offene Gespräche mit Kunden, Agenturen und der Presse zu führen. Wir wollen hier gemeinsam etwas entwickeln, was für den Markt insgesamt gut ist.
Interview: Jürgen Scharrer