Mathias Döpfner auf dem Zeitungskongress in Berlin
Eine programmatische Rede hatten die Teilnehmer des BDZV-Kongresses von ihrem neuen Präsidenten Mathias Döpfner erwartet. Als der Springer-Vorstandschef nach seinem mehr als 40.000 Zeichen umfassenden und zuvor durch viele Hände gegangenen Vortrag die Bühne verließ, hatte er kaum ein Thema ausgelassen, das die Verleger seit Jahren beschäftigt. Das gilt insbesondere für das Leistungsschutzrecht, das der nach ihm sprechende EU-Kommissar Günther Oettinger auf europäischer Ebene einführen will. Allerdings, sagte Döpfner „erscheint mir diese kontinuierliche Beschäftigung mit Detailthemen nicht genug“ und rief die Verleger auf, ihr Privileg der verantwortlichen Absenderschaft ernst zu nehmen.
Zuvorderst gehe es ihm darum, sagte Mathias Döpfner, „dass Verlage auch im Jahr 2050 noch ein gesundes und attraktives Geschäftsmodell haben“, denn: „Ohne Geschäftsmodell keine gesellschaftspolitische Rolle. Und die ist wichtig. Denn eine Demokratie braucht unabhängige, kritisch recherchierende Journalisten.“
Im Kampf um das Verteilen der Einnahmen mahnte Döpfner, sich zu besinnen, was Verlage ausmacht: „Verlage übernehmen Verantwortung – vor allem dafür, dass das Publizierte auch stimmt. Verantwortliche Absenderschaft ist das Prinzip Zeitung. Im ganz wörtlichen juristischen Sinne, aber auch im übertragenen gesellschaftspolitischen Sinne. Wir Verleger übernehmen mit unserer Absenderschaft Verantwortung. Und genau dieses Prinzip gilt es mit aller Entschlossenheit auch in der digitalen Welt zu verteidigen.“
BDZV-Zeitungskongress 2016: Eröffnungsrede von BDZV-Präsident Dr. Mathias Döpfner
Im Umgang mit Facebook mahnte Döpfner zur Umkehr: „Social Distribution ist der Vertriebsweg der Zukunft. Hier ein Geschäftsmodell zu etablieren, muss eine Priorität des BDZV werden. Eine Voraussetzung dafür ist, dass Facebook eben nicht verantwortliche Absenderschaft für sich reklamiert. Verantwortliche Absenderschaft basiert auf dem Prinzip der Auswahl. Und genau diese Auswahl sollten Facebook und Snapchat und Twitter und Pinterest eben nicht treffen. Sie können distribuieren, aber eben nicht kuratieren und redigieren. Wenn diese quasimonopolistischen Technologie-Plattformen auch inhaltliche Verantwortung übernehmen, sind die Folgen gravierend – für das Geschäft und für die Gesellschaft.“
Auch von der Politik fordert Döpfner eine Umkehr. Facebook, dem neuen Grosso, in der „gut gemeinten Debatte“ um Hate Speech inhaltliche Verantwortung zu übertragen, sie gar zu fordern, sei der falsche Weg: „Wenn wir Facebook diese Rolle zumessen – oder wie oft geschehen sogar aktiv fordern –, schaufeln wir den Verlagen ihr eigenes Grab. Auswahl und verantwortliche Absenderschaft sind unsere Aufgaben. Nicht die Aufgabe digitaler Vertriebsplattformen. Facebook und seinesgleichen sollten betrachtet und reguliert werden wie Telekom-Firmen. Die werden auch nicht dafür verantwortlich gemacht, was die Leute am Telefon für dummes oder gefährliches Zeug erzählen.“
Wieder erinnerte Döpfner an das Prinzip der verantwortlichen Absenderschaft: „Wir Verlage treten für das ein, was wir zeigen und schreiben. „V.i.S.d.P.“ sind die stolzesten fünf Buchstaben unserer Welt: Verantwortlich im Sinne des Presserechts.
Verantwortlich ist das erste und wichtigste Wort. (…) Das Prinzip Zeitung ist das Prinzip Verantwortung. Und unter anderem dafür wollen wir bezahlt werden.“
Schließlich warnte Döpfner vor Rettungsrufen an die Politik: „Vor einigen Jahren hat Bundestagspräsident Norbert Lammert hier beim Zeitungskongress gesprochen. In seinem Festvortrag hat er Zeitungsverlage als ,systemrelevant‘ bezeichnet. Das freute die Verlegerseele. Und war ganz sicher nett gemeint. Was er meinte war: Ein Aussterben der Zeitungen hätte fatale Folgen für unsere demokratische Ordnung. Aber was man bei dem Wort ,systemrelevant‘ auch assoziiert, ist: Systemrelevante Banken, „too big to fail“, „bail out“. Oder auf Deutsch: Staatshilfe.“ „Wir wollen nicht systemrelevant sein, sondern nur relevant für das System.“ „Wir müssen nicht gerettet werden. Rettung schafft Abhängigkeit und kostet Freiheit. Eine gerettete Presse ist keine mehr. Wir wollen auch keine Subventionen.“
Schließlich rief Döpfner die Verlage zum Zusammenhalt auf: „Als ich vor fast dreißig Jahren, genauer: im Sommer 1988, in San Francisco beim ,San Francisco Examiner‘ ein Praktikum machte, schenkte mir kein geringerer als der Eigentümer William Randolf Hearst III., der Urenkel des legendären Zeitungszaren, dieses Hemd. Es war ein Werbemittel. Und zeigte das Motiv der aktuellen Werbekampagne. Wie seit Jahrzehnten gewohnt, richtete sie sich vor allem gegen den Erzrivalen, den ,San Francisco Chronicle‘. (…). Der ,Examiner‘ ist heute ein belangloses Anzeigenblättchen, der ,Chronicle‘ lockt keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervor. Die Botschaft aus San Francisco ist: Gegeneinander machen wir uns schwach. Gemeinsam sind wir stark.“
Die Rede in der Langfassung gibt es
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