Aust und Diekmann auf der Dmexco

"Panik im Blätterwald"

Kai Diekmann und Stefan Aust auf der Dmexco
Kai Diekmann auf Twitter
Kai Diekmann und Stefan Aust auf der Dmexco
Bei diesem Panel waren die Rollen klar verteilt: Hier "Bild"-Herausgeber Kai Diekmann, den Silberstaub des Silicon Valley noch im Bart, als Digital-Optimist. Dort "Welt"-Herausgeber Stefan Aust, listig und lebenserfahren, als ökonomischer Mahner. Beide diskutierten auf dem Dmexco-Stand ihres Arbeitsgebers Axel Springer über den Journalismus in digitalen Zeiten.
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Zum Beispiel über die Rolle von Technologie beim Suchen und Setzen von Themen, beim Schreiben und Verbreiten von Texten. "Am Ende werden die Medienanbieter erfolgreich sein, die journalistisches Gespür mit technischem Kuratieren verbinden", sagt Diekmann. Wenn etwa der Algorithmus eine Justin-Biber-Geschichte als Aufmacher im Netz empfehle, brauche es an manchen Tagen "am Ende dann doch den Red Button, mit dem der Redakteur bestimmt: nein, Ukraine!" Ein guter Chefredakteur müsse aber auch quasi voraussehen, was die Nutzer lesen wollen, ergänzt Aust.

Was ist mit den vielen Search- und Social-Media-Plattformen und Aggregatoren, die journalistische Inhalte suchen, sammeln, aufbereiten - und damit einen immer größeren Anteil des Werbevolumens abgreifen? "Die digitale Welt eröffnet mehr Zugänge zu unseren Inhalten und viel spannendere Formen der Darstellung", jubelt Diekmann: "Papier bietet da doch nur sehr begrenzte Möglichkeiten." Bei diesem Thema mimt Aust den ökonomischen Mahner - man wirkt ja schließlich bei Axel Springer. "Man muss bei alledem nur darauf achten, dass auch die Redaktionen als diejenigen, die die Inhalte produzieren, weiter bezahlt werden können - und nicht nur andere Plattformen daran verdienen." Hier nennt Aust sogar das Stichwort Urheberrechte, sonst ja eher verpönt auf reinen Digitalwerbeveranstaltungen.

Und noch so ein No-go-Begriff in diesem Milieu: Paid Content. Aust beklagt, dass die Verlage es - neben dem Jahrhundertfehler des Inhalteverschenkens - versäumt hätten, für bereits zahlende (Print-)Leser im Netz attraktive und exklusive Zusatzangebote zu konzipieren, um sie bei der Stange zu halten. Auch hier gibt Diekmann wieder den Optimisten: "Es ist möglich, Leser davon zu überzeugen, für bestimmte Inhalte zu zahlen." Schließlich habe Bild.de mittlerweile über 230.000 zahlende Abonnenten gewinnen können. Dabei seien es vor allem die rein journalistischen Inhalte, die Klicks in Abo-Registrierungen konvertierten. Und trotz der Bezahlschranken sei die Reichweite gestiegen, vor allem wegen des Einsatzes von Social Media, so Diekmann: "Wir nutzen Facebook wie eine zweite Homepage."

Zum Schluss noch ein Wort zu den aktuellen Wechseln der und Diskussionen über die Chefredakteure bei "Stern", "Focus" und "Spiegel". Aust, früher selber 14 Jahre Chef beim "Spiegel", macht hier "Panik im Blätterwald" aus. Manche Verlage hätten Chefredakteure rekrutiert, die womöglich gute Ideen zur Zusammenarbeit zwischen Print und Online haben - "aber nicht jeder von ihnen kann eine Titelgeschichte stemmen". Bei diesem Thema wird Diekmann ganz persönlich: "Die Sucht nach einer guten Geschichte lässt mich nicht los. Mir würde es nicht reichen, nur Manager der Transformation zu sein, so wichtig das ist." rp



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