Auflagenverfall

Gruner + Jahr stellt Neon ein

Gruner + Jahr knipst bei Neon das Licht aus
Foto: G+J
Gruner + Jahr knipst bei Neon das Licht aus
Bad News am Baumwall: Nach 15 Jahren stellt Gruner + Jahr sein Lebensgefühl-Magazin Neon ein. Der Auflagensinkflug des früheren Erfolgstitels ließ sich nicht stoppen, zuletzt drohten wohl sogar rote Zahlen. Nur im Netz lebt Neon weiter.
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Für die gedruckte Neon sei „die wirtschaftliche Perspektive nicht mehr vorhanden“, schreibt Chefredakteurin Ruth Fend auf Neon.de: „Wir haben um sie gekämpft – auch das ist wichtig. Aber jetzt müssen wir loslassen.“ Die Juli-Ausgabe, die am 18. Juni erscheint, wird die letzte sein. Betroffen sind rund 20 Mitarbeiter, für die G+J intern andere Beschäftigungsmöglichkeiten finden will. In sehr wenigen Einzelfällen könne man betriebsbedingte Kündigungen nicht ausschließen, so eine Sprecherin.


Das einstige Lebensgefühl-Magazin derer, die vor zehn Jahren Twenty-Somethings waren, hat im Vergleich zu seiner besten Zeit drei Viertel der Auflage verloren. Mit neuer Mannschaft und einem veränderten Heft hatte G+J im April 2016 und – wieder mit einer neuen Chefredakteurin (Fend) – gleich wieder im Sommer 2016 versucht, das Ruder herumzureißen. Vergeblich: Zuletzt verkaufte Neon nur noch 60.977 Hefte, das sind abermals 30 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Fürs 1. Quartal 2018, dessen offizielle Zahlen an diesem Donnerstag kommen, kündigt G+J gar nur noch 58.000 verkaufte Hefte an. Zum Vergleich: Ende 2009 verkaufte Neon über 235.000 Exemplare. Seit 2011 sinkt die Auflage stark.

Neon verschwindet vom Markt
G+J
Neon verschwindet vom Markt
2003 war „Neon“ erstmals erschienen, bei G+J entwickelt von den Machern des eingestellten „SZ“-Jugendmagazins „Jetzt“. Unter dem Markenclaim „Eigentlich sollten wir erwachsen werden“ avancierte „Neon“ bald zum Leitmedium der damals 20- bis 30-Jährigen, die mit dem Suchen und Finden ihrer Biographie – Beziehung, Familie, Freunde, Ausbildung, Job, Einstellungen, Status und Stadt – beschäftigt waren, es dabei aber nicht allzu eilig hatten, neben Ausgehen, Reisen und dem Kreisen um die eigenen Befindlichkeiten. „Neon“, das las nicht der Hipster in Berliner Bars, sondern die Studentin aus Heidelberg, im ICE zu ihren Eltern nach Bielefeld.

Doch ticken die Mittzwanziger heute noch so wie vor zehn Jahren? Gibt es dieses Lebensgefühl noch? Und ist Print überhaupt noch das richtige Medium für junge Menschen, die heutzutage erwachsen werden, zwischen der letzten Abi-Party und dem ersten Bausparvertrag, inmitten der Wirrungen des Lebens, der Liebe und der Weltlagen? Oder tummelt sich die Generation Hashtag nicht längst nur im Netz, bei Bento.de, Ze.tt, Jetzt.de oder Vice.com? „Ihr seid zu wenige geworden“, schreibt Fend an die Leser: „Denjenigen, die sich verabschiedet haben, sind nicht genügend Jüngere gefolgt. Die heute 20-Jährigen haben neue Lebensbegleiter gefunden, im Zeitschriftenregal, aber auch im Netz, unter anderem bei den digitalen Angeboten.“

G+J hat es trotzdem noch lange versucht mit Neon in Print – und das schwierige Projekt dabei wohl auch mit hausgemachten Managementfehlern belastet und wichtige Mitarbeiter verprellt, Stichwort Umzug von München nach Hamburg. Ob diese Unruhen den offensichtlichen Lebenszyklus des Magazins (sieben Jahre Auflagenzuwachs, dann sieben Jahre Rückgang) nachhaltig beeinträchtigt haben, scheint jedoch fraglich.

Nun soll Neon im Netz weiterleben: Im Februar verkündete G+J, die bislang stiefmütterlich behandelte Website massiv auszubauen. Unter dem Dach von Stern Digital wurde ein eigenes Ressort geschaffen, die Redaktion erweitert und in Technik und Marketing investiert. Das ambitionierte Ziel: „Wir wollen Neon zum erfolgreichsten Portal für Millennials machen“, safte damals Stern-Digital-Chefredakteurin Anna-Beeke Gretemeier. Wer mochte, konnte da schon ahnen, dass das Heft auf dem Prüfstand steht, selbst wenn Neon-Chefin Fend da noch von gegenseitiger Print-Online-Synergie schwärmte. Laut G+J, das sich dabei auf Zahlen des Analytics-Dienstleisters Webtrekk betruft, erreicht Neon Digital über eine Million Unique User und liege damit hinter Bento.de (von Spiegel Online), aber vor Ze.tt (von Zeit Online) und Jetzt.de (von Süddeutsche.de), mit denen sich Neon im Netz vergleicht. Deren Reichweitenzahlen stammen indes von der Agof (Daily Digital Facts, März 2018).

Nido, das Magazin für junge Eltern, das als Ableger von Neon 2009 gestartet ist, wird weiter erscheinen, so der Verlag. Und Neon? „Gehört in die Hall of Fame unseres Verlags“, sagt Publisher Alexander Schwerin. rp

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