Ach Mensch

Marianne Wellershoff - Die Taktgeberin

Marianne Wellershoff ist Leitende Redakteurin beim Kultur Spiegel (Foto: Torsten Kollmer)
Marianne Wellershoff ist Leitende Redakteurin beim Kultur Spiegel (Foto: Torsten Kollmer)
Teilen
"Ach Mensch" heißt eine neue Kolumne von HORIZONT.NET, in der die ehemalige HORIZONT-Kollegin Ingeborg Trampe bekannte und unbekannte Persönlichkeiten der Werbeszene jenseits von aktuellen Etat- und Personalmeldungen porträtiert. Diesmal: Marianne Wellershoff, Leitende Redakteurin beim Kultur Spiegel und gleichzeitig Bassistin der Band Kitchen Cowboys.

Von den populärsten Bands kennt man in der Regel immer den Sänger und Gitarristen, aber den Bass-Spieler? Die stehen meist abseits vom Rampenlicht und spielen still vor sich hin. Bekannt wurden eigentlich nur Gene Simmons von Kiss, weil er - lange vor Teenie Miley Cyrus - öffentlich heftig züngelte und Sting von The Police, der gleichzeitig auch Sänger war. Doch zusammen mit dem Schlagzeuger kreiert vor allem der Bassist das Fundament der Musik, schafft die Verbindung zwischen Harmonie und Rhythmus. Als Marianne Wellershoff 1996 mit ein paar Freunden in der Hamburger Bar "439" beschloss, zusammen Musik machen zu wollen, aber jeder von ihnen ein neues Instrument zu lernen hatte, suchte sie sich ganz bewusst den Bass aus. "Bass muss immer auf den Punkt sein. Ich dachte aber auch, Bass sei einfach zu lernen, weil er nur vier Saiten hat", schmunzelt sie über ihre damalige Fehleinschätzung und viele Unterrichtsstunden später. Das Instrument erlaubt der Leitenden Redakteurin des Kultur Spiegel aber auch, sie selbst zu sein und sich nicht "in den Vordergrund spielen zu müssen". Bei Auftritten mit ihrer Band, den Kitchen Cowboys, kann man beobachten, wie sie meist ganz am Rand steht und konzentriert vor sich hinzupft, fast ein wenig in sich versunken.

Marianne Wellershoff am Bass (Foto: Hinnerk Rümenapf)
Marianne Wellershoff am Bass (Foto: Hinnerk Rümenapf)
Musik gemacht hatte sie schon lange, bevor sie 2002 zu den Kitchen Cowboys stieß. Ein halbes Jahr nach dem legendären Treffen in der Eimsbütteler Bar legten die Musiker als "Die Angestellten" mit den Proben los, jeder mit dem neu erlernten Instrument ein paar Monate später schon gab es das erste Konzert mit selbst geschriebenen Songs. Auch mit den Kitchen Cowboys probt sie heute einmal pro Woche. Eine alte Polizeistation in Moorfleet dient der Band jeden Donnerstagabend als Proberaum. Dort können sie so lange und so laut spielen wie sie wollen, selbst bei geöffnetem Fenster - ein Traum für jeden Musiker. Anfangs sangen sie Englisch, "weil man das damals so machte", erzählt die 50-Jährige. Doch durch die Jahre wechselten nicht nur die Band-Mitglieder und die Sprache, sondern auch der Musikstil. Klangen die Kitchen Cowboys vor Jahren eher ein wenig schräg und avantgardistisch, sind die Songs heute mainstreamiger. Popmusik für Erwachsene trifft es ganz gut. Die deutschen Texte, die Marianne Wellershoff dazu schreibt und ihr emotional näher sind als die englischen vorher, sind mal poetisch angehaucht, mal handeln sie von Geschichten aus dem Alltag. Auf dem kürzlich erschienenen Album "Nachtwolf" bezieht sich der Song "Gestern" zum Beispiel auf einen Gedichtband ihres Vaters, in dem es um das Blättern in Fotoalben geht und was das bei einem Menschen auslöst. Für "Nachtwolf" ließ sie sich von dem Will-Smith-Film "I am Legend" inspirieren und schrieb über Menschen, die sich als Teil eines versprengten Wolfsrudels verstehen und nach ihresgleichen suchen.

Die Leichtigkeit des Lebens durch Musik

Wenn sie Texte schreibt, nutzt sie entweder Musik als "Stimmungsteppich" im Hintergrund oder sie erhält die Musik von ihrem komponierenden Schlagzeuger mit einfachem "La-La-Gesang", über den sie dann ihre Worte legt. Dabei klammert sie sich nicht an eine eigene Interpretation des Geschriebenen, sondern findet es spannend zu sehen, was die Sängerin aus ihren Worten macht. Auch wenn Wellershoff durch ihren Job täglich mit Sprache konfrontiert ist und bereits mehrere Bücher veröffentlicht hat, beim Schreiben von Songtexten ist sie nach eigenem Verständnis Autodidakt. In den Texten kann sich die Mutter von zwei vierjährigen Mädchen durchaus mal "etwas von der Seele schreiben". Und nicht selten können Freunde einzelne Passagen dechiffrieren und erkennen Themen wieder, die Wellershoff im ganz normalen Leben beschäftigen. Musik zu machen heißt für sie loszulassen und einfach "Freude daran zu haben, mit anderen zusammen Musik zu machen". Während im Job die Ernsthaftigkeit dominiert, geht es in der Band ausschließlich nur um Musik und gute Laune. Das genießt sie so sehr, dass sie sogar bei der vorletzten Platte noch hochschwanger im 9. Monat Songs aufgenommen hat. Nichtsdestotrotz wird die Musik ein Hobby bleiben. "In unserem Alter auch nur im Nebenberuf Musiker sein zu wollen, ist unrealistisch. Gerade bei der vielen guten Musik, die es da draußen gibt", konstatiert Wellershoff realistisch. Und so haben alle Bandmitglieder ganz bürgerliche Jobs. Schlagzeuger und Komponist Tom Ungemach ist Illustrator, Sängerin Christina Pohl Filmemacherin, Gitarrist Thomas Adler arbeitet bei einer Internet-Agentur und Keyboarder Christoph Hausschild im Vertrieb. Dass es ihr neues Album bei allen wichtigen Plattformen zum Downloaden gibt, empfinden sie als Anerkennung. Und die Fans haben es einfacher, die Musik zu kaufen. Bei den wenigen ausgewählten Auftritten pro Jahr haben sie sich längst ein Stammpublikum erspielt, das ihnen zuhört, egal ob sie in einer Kneipe in der Hafencity auftreten oder auf einer Barkasse. Vor wenigen Wochen unterhielten die Kitchen Cowboys das Publikum bei zwei Hafenrundfahrten, was eine besondere Herausforderung war. Denn während die Band spielte, schaukelte sich die Barkasse gemächlich durch den Hamburger Hafen. "Dabei den Takt zu halten, war nicht gerade einfach", erzählt Marianne Wellershoff, die in ihrer Freizeit gerne Pop, Jazz, Latin und Electro, also eine Mischung quer durch alle Genres, hört. Für die Journalistin dürfte es aber die schönste Bestätigung dafür gewesen sein, dass sie das Bassspiel wirklich beherrscht und auch unter schwierigen Umständen den Takt angeben kann.

Die Autorin

Ingeborg Trampe ist noch immer Journalistin im Herzen, auch wenn sie nach Stationen bei HORIZONT, Y&R, Neue Sentimental Film und BBDO heute überwiegend als PR-Beraterin für mittelständische Unternehmen in Hamburg arbeitet. Zum Leidwesen mancher Mitmenschen mag sie französische Dialogfilme, singt Jazz und Chansons und schwimmt viel und intensiv, um den Kopf freizukriegen. Ihr Lieblingslogo ist das vom Kaffee Wacker in Frankfurt, wo es den besten Espresso in Deutschland gibt.
www.trampe-communication.de

-
-
stats