Antje Gardyan ist Beraterin bei ihrer eigenen Firma für Veränderungsprozesse
"Ach Mensch" heißt die Kolumne von HORIZONT.NET, in der die ehemalige HORIZONT-Kollegin Ingeborg Trampe bekannte und unbekannte Persönlichkeiten der Werbeszene jenseits von aktuellen Etat- und Personalmeldungen porträtiert. Diesmal: Antje Gardyan, Ex-Verlagsleiterin bei Gruner + Jahr und jetzt Beraterin für Veränderungsprozesse mit ihrer eigenen Firma Flying Fish.
Wasser ist für Antje Gardyan ein bestimmendes Element. Zum einen weil sie sich an der Elbe in Hamburg verankert fühlt. Zum anderen weil es ihr vor ein paar Jahren in der Karibik die Inspiration für den Namen ihrer Beratungsgesellschaft gegeben hat. Dort sah sie zum ersten Mal fliegende Fische. Wenn diese sich bedroht fühlen, stoßen sie aus dem Wasser und gehen in einen Gleitflug über. Mit dieser Änderung ihres Modus zeigen sie eine schlaue Verhaltensveränderung, die ihnen ihr Überleben sichert. Für die langjährige Verlagsleiterin bei Gruner + Jahr sind diese Fische ein perfektes Bild für das, was sie heute ihren Kunden bieten: Veränderungsmanagement und Strategiealternativen. "Man muss bekannte Pfade verlassen, wenn man vorwärts kommen will", konstatiert Gardyan. So manch einer mag das als Seitenhieb auf ihren alten Arbeitgeber am Hamburger Baumwall interpretieren, der sich gerade im vollen Umbruchprozess befindet. Aber Nachtreten ist nicht die Sache der 47-Jährigen. Und so stellt sie auch gleich klar: "Viele Branchen stehen unter Veränderungsdruck, nicht nur die Medien- und Kommunikationsbranche."
"Man muss bekannte Pfade verlassen, wenn man vorwärts kommen will."
Veränderung zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben von Gardyan. Als Kind ist sie viel umgezogen, hat in den USA gelebt. "Es war bei mir nie wie immer", erzählt sie. Auch deshalb sind ihr Wohnort Hamburg und das Leben nah an der Elbe für sie wichtige Kraftquellen. In ihrem Berufsleben hingegen nahm die Diplom-Kauffrau viele unterschiedliche Erfahrungen mit, die ihr heute als Beraterin mit umfangreichem Business-Hintergrund zugute kommen. Ihr Studium finanzierte sie zum Beispiel durch Jobs in der Kundenberatung bei der damals größten Werbeagentur Lintas. Unter der Führung des alten Haudegens der Verlagsbranche Klaus Liedtke und des aufstrebenden Christoph Keese organisierte sie nach dem Mauerfall in den Semesterferien Sonderverkäufe für die Neue Berliner Illustrierte. Nach dem Studium stieg sie als Trainee bei Gruner + Jahr ein, wo sie, nur unterbrochen von einem Intermezzo bei der Verlagsgruppe Milchstrasse, kontinuierlich die Karriereleiter hochkletterte. So war sie etwa Verlagsleiterin bei "Woman" und kümmerte sich zum Schluss bei der Unit New-Media-Ventures frühzeitig um das Thema Digitalisierung. Schon damals fragte sie sich, was aus der Branche werden würde, auch weil die ersten Cost-Cutting-Programme anliefen. Sie fragte sich darüber hinaus, was sie selbst eigentlich künftig bewegen wolle. Daher hatte sie schon 2003 parallel zum Job angefangen, eine Coaching-Ausbildung zu machen, die inzwischen durch viele weitere Fortbildungen in Organisationsentwicklung ausgebaut wurde.
Die Autorin
Ingeborg Trampe ist noch immer Journalistin im Herzen, auch wenn sie nach Stationen bei HORIZONT, Y&R, Neue Sentimental Film und BBDO heute überwiegend als PR-Beraterin für mittelständische Unternehmen in Hamburg arbeitet. Zum Leidwesen mancher Mitmenschen mag sie französische Dialogfilme, singt Jazz und Chansons und schwimmt viel und intensiv, um den Kopf freizukriegen. Ihr Lieblingslogo ist das vom Kaffee Wacker in Frankfurt, wo es den besten Espresso in Deutschland gibt.
www.trampe-communication.deIhr Bauchgefühl hat ihr den Weg gewiesen, denn sie hatte immer Spaß, "an der Schnittstelle von Kaufleuten und Kreativen zu arbeiten." Mit der Geburt ihres Sohnes beschloss sie, ihren Modus zu ändern und machte sich 2006 selbstständig. Ihr Talent ist nicht nur wegen ihres vielfältigen Hintergrundes gefragt. "Das Besondere an ihr ist, dass sie sehr klar analysieren kann und schnell Strukturen erkennt", bringt es Trendforscher Prof. Peter Wippermann, der sie aus der Zusammenarbeit gut kennt, auf den Punkt. Vor allem kann Antje Gardyan zuhören. Sie tappt nicht in die Falle vieler Berater, Auftraggebern Entscheidungen und Ratschläge aufdrängen zu wollen. "Mein Job ist es, Diskurse mit allen Stakeholdern anzustoßen. Herauszufinden, wie die Themenlandkarte aussieht, Komplexität zuzulassen, aber dann zu schauen, wie man sie abschichten kann und verdaubar für die jeweilige Organisation und ihr Tempo zu machen." Genau diesen Prozess begleitet sie gerade für ein großes Verlagshaus im Süden Deutschlands. Nicht nur bei diesem Kunden, sondern generell findet sie es entscheidend, von Beginn an Mitarbeiter mit ins Boot zu holen. "Es ist wichtig, dass sie sich mit den Veränderungen auseinandersetzen und eine Stimme haben. Auch wenn die Entscheidung hinterher für eine andere Lösung fällt als die von ihnen vorgeschlagene können Mitarbeiter dann eher nachvollziehen, warum das so ist. Der Prozess ist transparent." Zwar mag das für so manchen Kunden anstrengend sein, effizient ist es dennoch. Denn Powerpoint-Präsentationen, die mal eben so von oben nach unten durchgedrückt werden sollen, "funktionieren nicht, wenn man wirklich etwas verändern will", so Antje Gardyans Erfahrung. Und kosten aufgrund der Mitarbeiterwiderstände am Ende mehr Zeit und Kraft, als einen konsequent geführten Change-Prozess zu durchlaufen. Gerade beim Thema Personalabbau und Synergiefindung ist der Dialog mit den Mitarbeitern wichtiger denn je. Wie plant man, wenn Redaktionen zusammengelegt werden, welche Rolle sollen Arbeitnehmer einnehmen, denen nicht gekündigt wurde, in welche Richtung müssen Chefredakteure vordenken, um neue Lösungen zu implementieren? Alles Fragen mit denen sich Gardyan schon vielfach beschäftigt hat. Und die sie determinierend für die Kultur eines Unternehmens hält.
"Es war bei mir nie wie immer."
Trotz 13 Jahren Erfahrung im Managen von großen Projekten kann man sich lebhaft vorstellen, dass sich die empathische Veränderungsberaterin an so manchen Abenden nach intensiven Change-Sessions "nur noch zu niederen Hausmeistertätigkeiten" befähigt fühlt. Auch ihr Sohn holt sie ganz schnell in eine andere Realität. Während es bei den Projekten, die sie teils auch in Kooperation mit dem Beratungsunternehmen Metaplan durchführt, meist um Vergangenheit und Zukunft geht, "ist es für ein Kind wichtig, was jetzt ist". Mitunter heißt das dann einfach, mit ihm Tipp-Kick zu spielen.
Für Antje Gardyan, die so alle Ingredienzien mitbringt, nach denen Headhunter heute für zu besetzende Führungspositionen Ausschau halten, ist die Rückkehr in eine Organisation derzeit kein Thema.. Viel zu sehr genießt sie die Freiheit, selbst über ihr Leben zu bestimmen. Sie fühlt sich dank einer "Wahnsinnsenergie" in ihrer derzeitigen Lebensphase gesegnet. Auch die unterschiedlichen Projekte und Branchen kommen ihrer Neugier entgegen. Und im Gegensatz zur klassischen Kommunikationsbranche ist das Älterwerden für sie kein kniffliges Thema. Denn je länger sie als Beraterin arbeitet, desto wertvoller wird sie für Unternehmen. "Wie ein guter Käse oder alter Wein", lacht sie und schaut - ganz mit sich im reinen - auf ihre geliebte Elbe, wo sich vermutlich gerade ein paar Fische wünschen, sie könnten fliegen.