Julia Jäkel mit Hamburgs Oberbürgermeister Olaf Scholz
Großer Bahnhof im Hamburger Rathaus: Zwei Monate nach dem Mitarbeiterfest zum 50. Verlagsgeburtstag bei Erdbeerkuchen und Champagner Ende Juni ließ (sich) Gruner + Jahr am Mittwochabend noch einmal offiziell nachfeiern. Nach drei gut verdaulichen Reden im ehrwürdigen Festsaal – die hier meist genannten Begriffe: "Dank", "Qualitätsjournalismus" und "Bekenntnis" zu ebensolchem und zu Hamburg – stieg die Nachlese standesgemäß im Grundsteinkeller des Rathaus-Restaurants, bei kalten Getränken und in hitziger Atmosphäre.
Und zwar wortwörtlich gemeint, auf die Temperatur im Gewölbe bezogen, in dem sich die rund 500 Gäste aus Medien, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft nach dem Senatsempfang – geladen dazu hatte Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz – trafen. Denn natürlich werden dort neben Anekdoten und aktuellem Gossip nur Freundlichkeiten, Umarmungen und Bussis ausgetauscht, auch zwischen (Ex-) Gesellschaftern, Verlagschefs, Managern und Chefredakteuren, die sich in vertraulichen Gesprächen gerne auch mal despektierlich über ihre Nachfolger beziehungsweise Vorgänger äußern. Immerhin: Die G+J-Verantwortlichen hatten die Größe, viele von ihnen* einzuladen, auch jene, die einst im Unfrieden geschieden waren.
Schwamm drüber. Das Haus sei „randvoll mit neugierigen, selbstbewussten und kritischen Menschen“, beschwört die aktuelle Verlagschefin
Julia Jäkel den „Geist von Gruner + Jahr“: Im besten Sinne liberal, streitbar, mitunter auch rebellisch. „Immer war irgendwas, nie war mal nichts“, so Jäkel – und meint damit auch die internen Querelen, die sich wie ein grüner Faden durch die 50 Jahre Verlagsgeschichte ziehen: „Dies ist das Klima, in dem große Geschichten gedeihen.“ Natürlich benennt sie ein paar davon, ebenso die Granden der G+J-Gründung 1965 sowie wichtige Eckpunkte der Verlagsgeschichte und erzählt Schmonzetten aus der Vergangenheit – etwa ihr Vorstellungsgespräch 1997 beim damaligen CEO
Gerd Schulte-Hillen über Alexander den Großen, die einst hochfliegenden Pläne der damaligen G+J-„Berliner Zeitung“ und die schicke „Brigitte“-Modechefin am anderen Ende des Ganges.
In die Zukunft gerichtet verspricht Jäkel: „Das Herz von G+J wird weiter im
Journalismus schlagen, in Print und Digital.“ So kenne sie keinen Verlag, der gerade so viele Magazine entwickelt wie G+J. Und zählt die Disziplinen auf, in denen sie ihr Haus als „führend“ wähnt. Ob der ebenfalls eingeladene „Sprachpapst“ und frühere Leiter der G+J-Journalistenschule Wolf Schneider, 90, etwa weiß, was genau sich hinter „Content Recommendation“ verbirgt?
Eine neue Kategorie führte zuvor
Thomas Rabe ein, Chef des G+J-Eigentümers
Bertelsmann. G+J sei „nach wie vor der deutsche und europäische Referenzverlag“. Mit Größe kann man ja schließlich kaum mehr argumentieren, seitdem Bauer durch Zukäufe Europas mächtigster Magazinverlag geworden ist. Die G+J-Erfolgsfaktoren? Laut Rabe „erstklassige Mitarbeiter“ (Dank an diese!), unternehmerische/journalistische Unabhängigkeit und Eigenverantwortung und drittens „eine stabile Eigentümerstruktur“ – Dank an die
Jahr-Familie für 45 „gute Jahre“ Partnerschaft! Im vergangenen Jahr hatte Bertelsmann sämtliche Anteile übernommen.
Das Geschäft wandele sich, Technologie und mediale Inhalte bedingten einander, so Rabe. G+J habe hier nun „den richtigen Gesellschafter“, sagt er „in aller Bescheidenheit“. Große Bekenntnisworte, die in der ersten Rathaus-Reihe auch Bertelsmann-Matriarchin
Liz Mohn beifällig benickte – und die es den Güterslohern bei aller „notwendigen
Veränderungsbereitschaft“ des Verlages nun zumindest in der öffentlichen Wirkung schwerer machen würden, G+J zu verkaufen oder zu zerschlagen, wie immer mal wieder geunkt wird.
„Ich freue mich, dass der Eigentümer klare Aussagen zur Zukunft von G+J gemacht hat“, festredet Gastgeber
Olaf Scholz. Seine Einladung ins Rathaus versteht er als „Ausdruck der Wertschätzung gegenüber G+J und der freien Presse“. Und verbindet Glückwünsche an den Jubilar mit Eigenwerbung für Hamburg als Standort für die Medien- und Kreativwirtschaft und – wie schon in früheren Reden – einsichtigen Bemerkungen zu den Schwierigkeiten der Verlage, ihre digitalen Rekordweichweiten in
Geschäftsmodelle zu verwandeln.
Ja, irgendwann würden Computer alles erledigen, was sie erledigen könnten. Dann müsse man erkennen, „wo die Maschinen an ihre Grenzen stoßen“. Die Medienbranche habe hier einen
Erfahrungsvorsprung, von dem alle lernen könnten, so Scholz. Und wie in der Politik komme es auch im Journalismus nicht nur auf Talent und Berufung an, sondern vor allem auf
Handwerk, und das bleibe „im Kern dasselbe“: Es gehe darum, aus der unüberschaubaren Vielfalt von Informationen und Meinungen das Wesentliche und die Zusammenhänge herauszufiltern. An eine solche Leistung dürfe man auch Preisschilder hängen: Journalismus habe „auch einen
monetären Wert, den wir gesellschaftlich verteidigen müssen“, so Scholz.
rp
* In einer früheren Version des Textes war an dieser Stelle zu lesen, dass "sie alle" eingeladen wurden. Was so wohl nicht stimmt - siehe unten der Kommentar von Ralf-Dieter Brunowsky.