Ebenfalls optimistisch, aber etwas weniger euphorisch äußern sich die befragten Entscheider zu den Chancen im Abogeschäft. Zwar glaubt etwa
Daniel Puschmann, stellvertretender Geschäftsleiter bei
Bauer Digital, dass der Verlag durchaus "relevante Vertriebserlöse über Abos und Einzelverkäufe erzielen" kann - allerdings nicht in naher Zukunft, sondern eher langfristig. Springer-Manager Würtenberger weist ebenfalls darauf hin, dass die Verlags-Apps schon wegen der aktuell noch geringen Verbreitung von Tablet-PCs derzeit nur schwer die "kritische Masse" an Lesern gewinnen können. "Wenn diese erstmal Millionenstückzahlen erreicht haben, wird der neue Träger auch relevante Verkaufszahlen beisteuern", ist sich Würtenberger sicher. Auch G+J-Stratege Wolter erwartet den Durchbruch bei den Vertriebserlösen erst dann, wenn "Tablet PCs für eine große Masse zu erschwinglichen Preidsen zu haben sind".
Android rückt in den Fokus
Die "FAZ" bringt ihre Printausgabe eins zu eins aufs iPad
Ungeachtet der Tatsache, dass die Verlage weiter in iPad-Anwendungen investieren wollen, rücken auch andere Plattformen immer weiter in den Fokus. Die Hauptrolle spielt dabei das Google-Betriebssystem
Android, das zuletzt massiv Boden gut gemacht hat. Beispiel "Spiegel": Das Hamburger Nachrichtenmagazin will sich laut Chefredakteur
Mathias Müller von Blumencron nicht allein auf Apple verlassen - und zwar schon deshalb, weil sich die Bedingungen für die Zusammenarbeit mit den Verlagen zuletzt verschlechtert hätten. "Derzeit arbeitet die Redaktion mit Hochdruck an einer Android-Edition und einer im Browser abrufbaren Ausgabe", verrät Müller von Blumencron. Mit der Multi-Tablet-Strategie steht der Spiegel nicht alleine da: Auch der Bauer-Verlag will laut Digital-Stratege Puschmann mit seinen Apps "auf verschiedenen Plattformen wie Android, Symbian oder Windows vertreten sein". Dasselbe trifft auch für Tomorrow Focus, Gruner + Jahr, die VHB und Axel Springer zu.
Die Kurz-Interviews mit
Daniel Puschmann (Bauer Digital),
Michael Stollarz (Verlagsgruppe Handelsblatt),
Silke Springensguth (DuMont Net),
Peter Würtenberger (Axel Springer),
Oliver Eckert (Tomorrow Focus Media),
Arne Wolter (G+J Media Sales) und
Mathias Müller von Blumencron (Der Spiegel) lesen Sie auf den folgenden Seiten.
Daniel Puschmann, stellvertretender Geschäftsleiter bei Bauer Digital
Wie lässt sich der Umstand erklären, dass selbst große Medienmarken bei ihren iPad-Apps sparen: Hat das eher etwas damit zu tun, dass es sich beim iPad um ein neues Medium handelt und es an Erfahrung bei der Umsetzung mangelt, oder hat die Euphorie der Verlage schlicht und einfach nachgelassen? Ich habe nicht den Eindruck, dass die Medienmarken sparen. Im Gegenteil: Wenn ich die Anzahl der Produkte und deren Umsetzung sehe, bin ich immer wieder beeindruckt von der Innovationsfreude, Kreativität und Investitionsbereitschaft unserer Branche. Gehen Sie doch gedanklich mal die Medienangebote durch, die in den letzten 12 Monaten auf dem iPad gestartet sind! Und das auf einer Plattform, deren Verbreitung erst am Anfang steht und deren Nutzung noch niemand wirklich einschätzen kann. Dass sich eine derart neue Technologie nicht von heute auf morgen durchsetzen wird, ist doch klar. Eine so wesentliche Veränderung wie die Mediennutzung braucht Zeit, egal wie schnell sich die Hypes jagen. Wichtiger als kurzfristige Jubelmeldungen ist - zumindest für uns - eine mittelfristig effiziente Gestaltung profitabler Digitalaktivitäten.
Wie schätzen Sie die Chancen ein, die das iPad Ihrem Verlag und Ihren Medienmarken bietet: Besteht eine realistische Chance, eine kritische Masse an Lesern zu gewinnen und so auch relevante Vertriebserlöse über Abos und Einzelverkäufe zu erzielen? Unsere Aktivitäten konzentrieren sich in erster Linie auf ein publizistisches Engagement. Die Perspektive richtet sich damit auf eine Verlängerung unserer Marken und deren inhaltliche Angebote ins Internet und auf andere Plattformen, damit wir auch dort unsere Nutzer erreichen und einen Anteil an den Werbeerlösen in diesen Märkten generieren.
Langfristig erhoffen wir uns natürlich auch relevante Vertriebserlöse über Abos und Einzelverkäufe zu erzielen. Und genau diese Möglichkeit, über eine digitale Infrastruktur Vertriebserlöse zu generieren, gibt uns das Apple-Store-System. Wir werden mit diesem Kanal arbeiten und ihn erschließen, ohne den Anspruch, über diesen Vertriebsweg 30 Prozent unserer Konzernerlöse in zwei Jahren zu realisieren. Zudem hoffe ich, dass auch unsere Wettbewerber irgendwann zu der Erkenntnis kommen, dass ein Geschäftsmodell mit mehreren Erlösströmen besser ist als ein Modell mit nur einem Erlösstrom, und daher aufhören, gute Produkte zu verschenken und auf Vertriebserlöse zu verzichten. Weder der Internet- noch der mobile Werbemarkt sind in der Struktur mit Radio oder TV vergleichbar, einfach weil mit Vermarktungsduopolen dort eine andere Marktstruktur existiert. Bei digitalen Angeboten auf eine alleinige Finanzierung durch Werbung zu setzen, wäre daher ein Fehler.
Besteht aus Ihrer Sicht die Gefahr einer Kannibalisierung der Printausgaben beziehungsweise der Onlineauftritte durch die iPad-Ausgaben? Das Risiko können wir natürlich nicht gänzlich ausschließen. Allerdings wird es nicht dadurch geringer, dass wir es ignorieren. Und man muss es sicherlich segment- und produktspezifisch betrachten. In vielen Fällen werden die Angebote vermutlich als Ergänzung, nicht aber als Ersatz dienen. Unser Kerngeschäft sind Publikumszeitschriften, sowohl in Deutschland als auch in anderen Ländern, und daran wird sich auch durch den Medienwandel kurzfristig nichts verändern. Dennoch bietet die digitale Entwicklung Möglichkeiten und Chancen für neue Ideen und Produkte, die wir nutzen werden und deren Nutzungsverhalten wir aktiv mitgestalten werden.
Wie groß ist das Umsatzpotenzial, das Verlage mit iPad-Apps mittelfristig im Werbemarkt erschließen können? Wenn wir kein Potenzial sehen würden, würden wir diese Produkte nicht anbieten. Wir haben beispielsweise für die TV Movie-App fürs iPad eine exklusive Partnerschaft mit VW. Aber wir müssen bei den Erwartungen auch realistisch bleiben: Solche Angebote sind ein Baustein, nicht das Gesamtbild. Kritisch für die gesamte Entwicklung ist es, wenn Wettbewerber ihre Produkte kostenlos anbieten, um eine höhere Reichweiten für die Vermarktung zu generieren. Das halten wir für gefährlich, da hier beim Endkunden eine Kostenlos-Mentalität entsteht, die schwierig bis unmöglich zu korrigieren ist. Andererseits merken wir, dass Nutzer von Applikationen für mobile Endgeräte auf ein Geschäftsmodell mit zwei Erlösströmen - nämlich Vertriebserlöse und Werbung - sehr sensibel reagieren. Was bei allen anderen Medien - sogar den öffentlich-rechtlichen - akzeptiert wird, nämlich dass man bezahlt und trotzdem Werbung bekommt, hat sich bei Apps noch nicht durchgesetzt. Daran müssen wir arbeiten, denn Geschäftsmodelle mit zwei Erlösströmen sind deutlich spannender als solche mit nur einem.
Apple hat die Verlage mit hohen Umsatzbeteiligungen und strikten Abo-Regeln gegen sich aufgebracht: Kann es sein, dass die Verlage ihr Engagement auch deshalb bremsen und lieber auf andere Plattformen wie Android setzen? Das Apple-Store-System gibt uns zum ersten Mal die Möglichkeit, über eine digitale Infrastruktur Vertriebserlöse zu generieren. Außerdem regt so ein Gerät wie dieses Tablet natürlich die Phantasie an, weil es sehr nah an der urspünglichen Nutzungssituation von Print ist. Wir sind in der Betrachtung die Kooperation mit Apple weniger aufgeregt als andere Marktteilnehmer. Dennoch müssen wir mit unseren Apps auf verschiedenen Plattformen wie Android, Symbian oder Windows vertreten sein, das erhöht den Aufwand. Die „TV Movie"-App ist heute schon zusätzlich auch auf den Samsung-, Philipps-, und Loewe-TVs präsent. Die größte Herausforderung liegt dann darin, dass wir effizient einen Weg finden, attraktive Produkte zu entwickeln und zur Verfügung zu stellen, ohne dass wir uns verzetteln, und für eine Vielzahl von Plattformen ständig neue große Investitionen tätigen, ohne dass diese sich refinanzieren.
Michael Stollarz, Geschäftsführer Verlagsgruppe Handelsblatt
Wie lässt sich der Umstand erklären, dass selbst große Medienmarken bei ihren iPad-Apps sparen: Hat das eher etwas damit zu tun, dass es sich beim iPad um ein neues Medium handelt und es an Erfahrung bei der Umsetzung mangelt, oder hat die Euphorie der Verlage schlicht und einfach nachgelassen? Für uns trifft das nicht zu. Mit Handelsblatt First haben wir dieses Jahr eine native Applikation auf den Markt gebracht, die über ausgereifte Technik verfügt und durch eine eigene iPad-Redaktion ständig mit neuen, exklusiven Inhalten versehen wird. Die wachsende Anzahl der momentan 33.000 Handelsblatt First Nutzer bestätigt unsere Entscheidung, weiter zu investieren - nicht nur in unsere bereits verfügbaren, sondern auch in neue Apps, die wir noch dieses Jahr auf den Markt bringen werden. Die grundsätzliche Herausforderung für Verlage besteht darin, Angebote (Apps) zu schaffen, welche die Funktionalitäten der Geräte ausschöpfen und dem Leser einen echten und unverzichtbaren Mehrwert bieten. Dies ist ein anhaltender Entwicklungsprozess, der erst vor kurzer Zeit begonnen hat und von allen Beteiligten hohe Investitionen erfordert.
Wie schätzen Sie die Chancen ein, die das iPad Ihrem Verlag und Ihren Medienmarken bietet: Besteht eine realistische Chance, eine kritische Masse an Lesern zu gewinnen und so auch relevante Vertriebserlöse über Abos und Einzelverkäufe zu erzielen? Ob sich mit einer App relevante Erlöse erzielen lassen, hängt neben der Verbreitung vor allem vom Investitionsmodell ab, das hinter der jeweiligen App steht. So muss man beispielsweise die Handelsblatt E-Paper App unterscheiden von Handelsblatt First. Beim E-Paper handelt es sich um eine Applikation, die einmalig programmiert wurde, keine redaktionelle Betreuung und wenig Supportaufwand benötigt. Das finanzielle Risiko ist begrenzt. Grundlegend anders verhält es sich bei einer nativen Applikation wie Handelsblatt First, die technisch elaboriert ist und ständig mit exklusiven Inhalten von einer speziellen iPad-Redaktion versehen wird. So etwas ist nur möglich durch hohe Investitionen - sowohl monetär als auch personell. Entsprechend groß ist deshalb auch die Herausforderung, Rentabilität ausschließlich oder größtenteils über Vertriebserlöse zu erzielen. Für uns geht es derzeit darum, möglichst viele Leser für Handelsblatt First zu begeistern. Das geschieht im Augenblick über ein Sponsoringmodell. In einem zweiten Schritt wird die App dann zu einem angemessenen Preis angeboten. Diesen werden unsere überzeugten Leser sicherlich gerne investieren, um weiterhin exklusive Qualitätsinhalte auf ihr iPad zu erhalten.
Besteht aus Ihrer Sicht die Gefahr einer Kannibalisierung der Printausgaben beziehungsweise der Onlineauftritte durch die iPad-Ausgaben? Nein, wir sehen keine Kannibalisierungsgefahr. Wir sind ein integriertes Medienhaus und unser oberstes Ziel ist es, unsere Leser mit unabhängigem und qualitativ hochwertigem Journalismus zu überzeugen. Dabei wollen wir alle unterschiedlichen Nutzungs- und Informationsbedürfnisse unserer Zielgruppen bedienen und betrachten die verschiedenen Wege als sich ergänzende Medienkanäle.
Wie groß ist das Umsatzpotenzial, das Verlage mit iPad-Apps mittelfristig im Werbemarkt erschließen können? Das iPad bietet innovative Werbeformate, die sich auch individualisieren lassen. Wir haben festgestellt, dass viele Unternehmen deshalb sehr iPad affin sind und sehen großes Potential. Wir werden deshalb den eingeschlagenen Weg weitergehen und weitere innovative Produkte schaffen, um uns digital noch stärker aufzustellen.
Apple hat die Verlage mit hohen Umsatzbeteiligungen und strikten Abo-Regeln gegen sich aufgebracht: Kann es sein, dass die Verlage ihr Engagement auch deshalb bremsen und lieber auf andere Plattformen wie Android setzen? Unsere Marken stehen für unabhängigen und fundierten Journalismus - um dies auch weiterhin zu garantieren, wollen wir uns nicht von einem System abhängig machen. Unsere Zielgruppen verwenden immer mehr Engeräte von alternativen Anbietern - diese Tendenz nehmen wir sehr ernst.
Silke Springensguth, Geschäftsführerin DuMont Net
Wie lässt sich der Umstand erklären, dass selbst große Medienmarken bei ihren iPad-Apps sparen: Hat das eher etwas damit zu tun, dass es sich beim iPad um ein neues Medium handelt und es an Erfahrung bei der Umsetzung mangelt, oder hat die Euphorie der Verlage schlicht und einfach nachgelassen? Also wir sparen nicht. Ich glaube auch nicht, dass es sich um Sparmaßnahmen handelt. Die Euphorie hat nicht nachgelassen. Es geht jetzt vielmehr darum, mit verschiedenen Produkten im Markt herauszufinden, was der Leser möchte. Wer aufwändig gestaltete Apps in den Markt bringt, bekommt oft zu hören: „Ich will aber die pdf-Ausgabe meiner Zeitung und keine andere iPad-Zeitung. Ich möchte digital das Gleiche lesen wie in Print". Wer nur die pdf-Ausgabe in den Store stellt, bekommt zu hören: „Nicht gelungen, zu langweilig gestaltet" etc. Der Markt ist in dieser Frage gespalten. Jetzt geht es darum, herauszufinden, welche Marke sich wie präsentieren sollte. Ich finde das spannend. Die Kritik an der FAZ-Ausgabe ist vor diesem Hintergrund nicht gerechtfertigt.
Wie schätzen Sie die Chancen ein, die das iPad Ihrem Verlag und Ihren Medienmarken bietet: Besteht eine realistische Chance, eine kritische Masse an Lesern zu gewinnen und so auch relevante Vertriebserlöse über Abos und Einzelverkäufe zu erzielen? Die Chance besteht auf jeden Fall. Wir wissen aus statistischen Ermittlungen, dass wir mit unseren Ausgaben bereits 10 Prozent aller iPad-Nutzer in Raum Köln mit dem iPad-Abo des Kölner Stadt-Anzeiger erreichen. Das ist eine super Quote. Da wir wissen, wie stark der Tablet-Markt wächst, sind wir auch sicher, die kritische Masse für uns zu gewinnen.
Besteht aus Ihrer Sicht die Gefahr einer Kannibalisierung der Printausgaben beziehungsweise der Onlineauftritte durch die iPad-Ausgaben? Nein, diese Gefahr besteht nicht. Wir sehen ja, wer die Printausgabe abbestellt und die iPad-Ausgabe stattdessen abonniert. Diese Anzahl können wir derzeit tatsächlich noch an einer Hand abzählen. Aber es geht auch nicht darum, die Print-Ausgabe vor der iPad-Ausgabe zu schützen. Wir sind ein Medienhaus, dessen Aufgabe es ist, Menschen zu informieren. Unser Geschäft ist die Nachricht und nicht die Plattform, mit der wir diese Nachricht übermitteln. Wenn das Leseverhalten zusehends digital wird, dann ist es nur richtig, wenn wir unsere Leser auch auf diese Weg erreichen.
Wie groß ist das Umsatzpotenzial, das Verlage mit iPad-Apps mittelfristig im Werbemarkt erschließen können? Das kann ich beim besten Willen nicht abschätzen. Im Moment hat Werbung im iPad noch viel mit Emotionen zu tun und dem Wunsch der Firmen, bei dieser Entwicklung dabei zu sein und dort zu werben. Das Umsatzpotential wird sich erst ermitteln lassen, wenn Werbung auf dem Tablet „normal" wird. Aber eins kann ich dazu bereits sagen:
Die Umsätze sind jetzt schon relevant. Apple hat die Verlage mit hohen Umsatzbeteiligungen und strikten Abo-Regeln gegen sich aufgebracht: Kann es sein, dass die Verlage ihr Engagement auch deshalb bremsen und lieber auf andere Plattformen wie Android setzen? Apple hat die Verlagswelt gegen sich aufgebracht, das ist richtig. Aber ich glaube, dass Apple das auch verstanden hat. In den USA zeichnet sich eine Entwicklung an, die deutlich verlegerfreundlicher wird - und ich denke, dass Apple sich auch auf dem deutschen Markt bewegen wird. Nicht zuletzt auch wegen der Konkurrenz. Android wird aufgrund des starken Wachstums immer wichtiger - auch für Verlage und deren Produkte. Aber die Zahlungsbereitschaft von Android-Nutzern liegt deutlich unter der von Apple-Nutzern. Daher muss Android noch deutlich stärker wachsen. Auch wir werden unsere Apps für Android anbieten, aber das hat durchaus noch einige Monate Zeit.
Peter Würtenberger, Chief Marketing Officer, Axel Springer
Wie lässt sich der Umstand erklären, dass selbst große Medienmarken bei ihren iPad-Apps sparen: Hat das eher etwas damit zu tun, dass es sich beim iPad um ein neues Medium handelt und es an Erfahrung bei der Umsetzung mangelt, oder hat die Euphorie der Verlage schlicht und einfach nachgelassen? Die Axel Springer AG hat bei der Entwicklung von iPad-Apps für ihre Medien-Marken bisher keineswegs gespart. Im Gegenteil: Wir sind regelrecht in die Forschung eingestiegen, haben mit unterschiedlichen Konzepten experimentiert: Wir haben so verschiedene Apps wie das vorlagenunabhängige, bewegtbildorientierte Querformat Iconist, das printgetreue, aber animierte Hochformat BILD HD und die als App des Jahres ausgezeichnete Welt HD als Zeitung mit Online-Elementen auf den Markt gebracht. Wir haben viel gelernt und wollen auch weiter in diese große strategische Chance investieren. Wir lassen uns in unserer Euphorie nicht so schnell bremsen.
Wie schätzen Sie die Chancen ein, die das iPad Ihrem Verlag und Ihren Medienmarken bietet: Besteht eine realistische Chance, eine kritische Masse an Lesern zu gewinnen und so auch relevante Vertriebserlöse über Abos und Einzelverkäufe zu erzielen? Wir sind mit unserer Marktdurchdringung recht zufrieden, die bei einzelnen Marken auf dem iPad höher ist als bei ihren Print-Vorlagen. Allein mit der Größe des Marktes können wir natürlich noch nicht zufrieden sein, für eine kritische Masse fehlt es hier schlicht an produzierten und verkauften Tablet-PCs. Wenn diese erstmal Millionenstückzahlen erreicht haben, wird der neue Träger auch relevante Verkaufszahlen beisteuern. Dafür müssen aber auch billigere Geräte auf den Markt kommen.
Besteht aus Ihrer Sicht die Gefahr einer Kannibalisierung der Printausgaben beziehungsweise der Onlineauftritte durch die iPad-Ausgaben? Eine Kannibalisierung der Print-Ausgaben ist zum Teil sogar strategischer Grundgedanke, da wir einige App-Ausgaben als modernere Form der zugrunde liegenden Zeitung beziehungsweise Zeitschrift sehen. Die Onlineauftritte werden durch die Etablierung von Tablet-PCs profitieren, weil die Menschen dann noch häufiger online sein werden. Eine gewisse Substitution durch die Apps wird damit überkompensiert werden.
Wie groß ist das Umsatzpotenzial, das Verlage mit iPad-Apps mittelfristig im Werbemarkt erschließen können? Das lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht seriös prognostizieren, weil uns erst sehr wenige Marktdaten vorliegen und wir auch noch nicht über ausreichend konsistente eigene Erfahrungen verfügen. Wir sind auch hier mit den Apps innerhalb des Konzerns unterschiedliche Wege gegangen und beobachten die Marktreaktionen. Es ist auch noch nicht geklärt, ob die bisher von uns verfolgte, vollständige Übernahme aller Printanzeigen der Bild in die iPad-App von der IVW auch in eine Mitzählung unter den Printauflagen mündet. Durch diesen Weg ist ein Großteil des Vermarktungsvolumens nur eine Leistungsverbesserung, die im Printpreis enthalten ist, aber kein neuer Umsatz. Wir bieten jedoch auch in allen Objekten iPad-spezifische Werbeplätze an. Das Interesse an diesen exklusiven Werbeplätzen ist zumindest sehr ermutigend. Es gab schon Ausgaben der iPad-App der AutoBILD, für die wir Werbekunden aufgrund von Ausverkauf ablehnen mussten. Autohersteller sind auch jenseits der AutoBILD-App im Übrigen unsere bisher stärksten Werbekunden auf den iPad-Apps. Sie schätzen die Möglichkeiten wie interaktive Farbwahl, Video-Einbindung oder auch der direkten Vereinbarung von Probefahrten über das Werbemittel.
Apple hat die Verlage mit hohen Umsatzbeteiligungen und strikten Abo-Regeln gegen sich aufgebracht: Kann es sein, dass die Verlage ihr Engagement auch deshalb bremsen und lieber auf andere Plattformen wie Android setzen? Wir haben immer betont, dass mehr Wettbewerb in Hinblick auf Endgeräte notwendig und wünschenswert ist. Unsere Apps werden wir entsprechend der steigenden Verbreitung alternativer Plattformen wie Android auch auf diesen anbieten, die BILD App für Android-Smartphones hat hier den Anfang gemacht. Zur Zeit sind die Tablet-Marktanteile klar zugunsten von Apple verteilt. Aber auch gegenüber Apple betonen wir stets, dass sich bestimmte Bedingungen der Partnerschaft ändern müssen, allen voran darf es keine inhaltliche Kontrolle journalistischer Apps geben.
Oliver Eckert, Geschäftsführer Tomorrow Focus Media
Wie lässt sich der Umstand erklären, dass selbst große Medienmarken bei ihren iPad-Apps sparen: Hat das eher etwas damit zu tun, dass es sich beim iPad um ein neues Medium handelt und es an Erfahrung bei der Umsetzung mangelt, oder hat die Euphorie der Verlage schlicht und einfach nachgelassen? Der Tablet-Markt ist noch sehr jung. Deshalb ist es normal, dass die Verlage sehr unterschiedliche Apps starten. Es wird viel probiert. Von reinen E-Paper-Anwendungen bis hin zu multimedialen Auftritten ist alles dabei. Wir bei Tomorrow Focus investieren weiterhin deutlich in diesen neuen Digitalbereich.
Wie schätzen Sie die Chancen ein, die das iPad Ihrem Verlag und Ihren Medienmarken bietet: Besteht eine realistische Chance, eine kritische Masse an Lesern zu gewinnen und so auch relevante Vertriebserlöse über Abos und Einzelverkäufe zu erzielen? Unsere Apps von FOCUS Online und Finanzen100 entwickeln sich vielversprechend. Zur Monetarisierung setzen wir auf unser bewährtes Vermarktungsmodell.
Besteht aus Ihrer Sicht die Gefahr einer Kannibalisierung der Printausgaben beziehungsweise der Onlineauftritte durch die iPad-Ausgaben? Das ist möglich. Die User werden sich für die Anwendung entscheiden, die ihnen besser gefällt.
Wie groß ist das Umsatzpotenzial, das Verlage mit iPad-Apps mittelfristig im Werbemarkt erschließen können? Wenn die Reichweite auf Werte wie im klassischen Online-Geschäft steigt, dann wird der Umsatz auch so hoch sein wie im Web. Tendenziell ist es egal, ob eine Werbung auf einem Notebook oder Tablet-PC ausgespielt wird.
Apple hat die Verlage mit hohen Umsatzbeteiligungen und strikten Abo-Regeln gegen sich aufgebracht: Kann es sein, dass die Verlage ihr Engagement auch deshalb bremsen und lieber auf andere Plattformen wie Android setzen? Tomorrow Focus setzt künftig auch auf Android, weil es neben Apples iOS das wichtigste mobile Betriebssystem ist. Die Android-App von Finanzen100 wächst zum Beispiel viel stärker als ihr iPhone-Pendant im gleichen Zeitraum nach Launch.
Arne Wolter, Mitglied der Geschäftsleitung G+J Media Sales
Wie lässt sich der Umstand erklären, dass selbst große Medienmarken bei ihren iPad-Apps sparen: Hat das eher etwas damit zu tun, dass es sich beim iPad um ein neues Medium handelt und es an Erfahrung bei der Umsetzung mangelt, oder hat die Euphorie der Verlage schlicht und einfach nachgelassen? Das hat unterschiedliche Gründe:
Erstens: Noch ist die Marktdurchdringung mit Tablet PCs gering, auch wenn wir davon ausgehen, dass sich dieser Markt schnell entwickeln wird.
Zweitens: Es gibt nicht die eine "entwickelte Anwendung", die für alle Magazine passt. Bildlastige Magazine brauchen andere technische Lösungen als textlastige, Magazine mit jungen Zielgruppen andere als ältere. Mit den ersten Fernsehern haben wir ja auch nicht nur abgefilmte Theaterstücke gesehen und über die Jahre haben sich ganz eigene Formate entwickelt.
Drittens gibt es unterschiedliche Tablets mit unterschiedlichen Systemanforderungen, deren Berücksichtigung erfordert einen hohen Entwicklungsaufwand, den noch viele Verlage zum Teil und zu Recht scheuen.
Viertens: Mit der Ankündigung von Apple, Abomodelle auf iTunes nicht zuzulassen - oder denken Sie an die Ablehnung der ftd-app - sind viele Verlage verunsichert und halten sich damit derzeit noch mit ihrem Engagement zurück. In den USA sehen wir derzeit jedoch bereits Signale, dass sich Verlage und Apple wieder annähern.
Wie schätzen Sie die Chancen ein, die das iPad Ihrem Verlag und Ihren Medienmarken bietet: Besteht eine realistische Chance, eine kritische Masse an Lesern zu gewinnen und so auch relevante Vertriebserlöse über Abos und Einzelverkäufe zu erzielen? Das hängt davon ab, wann Tablet PCs eine gewisse Masse erreichen - oder anders ausgedrückt, wann Tablet PCs für eine große Masse zu erschwinglichen Preisen zu haben sind und damit die notwendige Relevanz als Inhalteplattform erreicht haben. Wir glauben aber fest daran, neben den Anzeigenerlösen auch relevante Vertriebserlöse generieren zu können.
Besteht aus Ihrer Sicht die Gefahr einer Kannibalisierung der Printausgaben beziehungsweise der Onlineauftritte durch die iPad-Ausgaben? Nein eigentlich nicht, der Nutzer wird unverändert auf unterschiedliche Medienkanäle zugreifen wollen. Print, Online, Mobile haben - je nach Nutzungssituation - ihre Vorteile und werden vom Konsumenten entsprechend genutzt. Wichtig ist für G+J, dass wir diese verschiedenen Ausgabeplattformen mit unseren relevanten Inhalten richtig bespielen und dem Nutzer einen Mehrwert bieten.
Wie groß ist das Umsatzpotenzial, das Verlage mit iPad-Apps mittelfristig im Werbemarkt erschließen können? Wir gehen davon aus, dass sich der Tabletmarkt ähnlich rasant entwickeln wird wie das Mobile Werbegeschäft, nur auf einem höheren Preisniveau. Das Umsatzpotenzial zum jetzigen Zeitpunkt konkret zu beziffern, käme allerdings dem Versuch gleich, das Wetter in einem Jahr voraussagen zu wollen, denn neben der Penetration der Endgeräte hängt es auch davon ab, welche Vermarktungswege wir wählen und welche Produkte sich etablieren. Generell beobachten wir neben dem verstärkten Aufkommen von Tablets weiterhin einen rasanten Anstieg der Verbreitung von Smartphones und damit einen wachsenden Anteil mobiler Nutzung an der Internetnutzung, wodurch die Relevanz von Mobile Advertising für Werbungtreibende steigt - ein Umstand, der auf jeden Fall helfen wird, das Mobile Advertising im Mediamix zu etablieren.
Apple hat die Verlage mit hohen Umsatzbeteiligungen und strikten Abo-Regeln gegen sich aufgebracht: Kann es sein, dass die Verlage ihr Engagement auch deshalb bremsen und lieber auf andere Plattformen wie Android setzen? Natürlich setzen wir auch auf andere Plattformen! Was wir an Apple kritisch sehen, ist weniger die Marge von 30 Prozent, die Apple in diesem Zusammenhang verlangt, sondern vielmehr die Tatsache, dass wir uns als Verlag von einem Hardware-Anbieter den Kundenkontakt und die Kundenbeziehung abnehmen lassen sollen. Als Konsequenz darauf wird G+J seine Produkte dort nur noch zum Einzelverkauf anbieten und nicht mehr als Abo - sofern wir die Kundendaten nicht bekommen - und parallel auch auf andere Plattformen setzen.
Mathias Müller von Blumencron, Chefredakteur DER SPIEGEL
Mathias Müller von Blumencron
Wie lässt sich der Umstand erklären, dass selbst große Medienmarken bei ihren iPad-Apps sparen: Hat das eher etwas damit zu tun, dass es sich beim iPad um ein neues Medium handelt und es an Erfahrung bei der Umsetzung mangelt, oder hat die Euphorie der Verlage schlicht und einfach nachgelassen? Der SPIEGEL hat von Anfang an mit Leidenschaft seinen Auftritt auf dem iPad entwickelt. Heute wird die iPad-Ausgabe von einem kleinen Team betreut, das mit nahezu allen Abteilungen des Hauses zusammenarbeitet, um die gedruckte Ausgabe für das iPad multimedial zu ergänzen - mit Videos, interaktiven Grafiken, Fotostrecken. Das Produkt kommt an, derzeit lesen rund 23.000 Leser wöchentlich den SPIEGEL in digitaler Form. Und sie zahlen dafür. Der SPIEGEL will sich allerdings nicht allein auf Apple verlassen, zumal sich die Bedingungen für die Zusammenarbeit mit den Verlagen verschlechtert haben. Derzeit arbeitet die Redaktion mit Hochdruck an einer Android-Edition und einer im Browser abrufbaren Ausgabe. Wir sehen interessante Chancen für den digitalen SPIEGEL und entwickeln ihn mit vielen redaktionellen Ideen weiter.
Besteht aus Ihrer Sicht die Gefahr einer Kannibalisierung der Printausgaben beziehungsweise der Onlineauftritte durch die iPad-Ausgaben? Sicherlich wird der SPIEGEL in Zukunft mehr auf Tablets aller Art gelesen. Es ist uns in den vergangenen zwölf Monaten gelungen, fast zehntausend neue Abonnenten mit der digitalen Ausgabe zu gewinnen. Das sehen wir als großen Erfolg.
Wie groß ist das Umsatzpotenzial, das Verlage mit iPad-Apps mittelfristig im Werbemarkt erschließen können? Dazu wagen wir keine Prognose. Wir sind aber sehr optimistisch.
Apple hat die Verlage mit hohen Umsatzbeteiligungen und strikten Abo-Regeln gegen sich aufgebracht: Kann es sein, dass die Verlage ihr Engagement auch deshalb bremsen und lieber auf andere Plattformen wie Android setzen? Für die Verlage können wir nicht sprechen. Der SPIEGEL jedenfalls tritt nicht auf die Bremse. Die Redaktion entwickelt mit großer Lust ihren digitalen Auftritt weiter - allerdings, wie oben beschrieben, nicht nur für Apple-Geräte.