Betrachten das Geschehen aus sicherer Entfernung: Sonja Zietlow und Dirk Bach
Die Dschungelshow "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" beschert RTL Traumquoten von teilweise über 50 Prozent Marktanteil - die Werbeblöcke jedoch bleiben teilweise so leer wie der Kochtopf im Dschungelcamp. Doch warum machen offenbar viele Werbekunden trotz der enormen Reichweite einen großen Bogen um die Show? Ist die Umfeldqualität im Zweifel doch wichtiger als die reine Reichweite? Fünf Gründe, warum viele Werbekunden die Dschungelshow links liegen lassen, im Check.
Der Ekelfaktor
Will man sein Produkt in einem Werbeblock sehen, kurz nachdem ein Kandidat mit Schleim oder Kakerlaken überschüttet wurde oder sich beim Verzehr von Köstlichkeiten wie püriertem Krokodilpenis oder Kotzfrucht übergeben musste? "Viele Werbekunden verzichten lieber auf ein so stark polarisierendes Werbeumfeld, bei dem das Risiko eines negativen Imagetransfers hoch ist", vermutet
Michaela Keßner, Unitleiterin und TV-Expertin der Mediaagentur
Mediaplus.
Vor allem für Nahrungsmittelhersteller kommt "Ich bin ein Star" als Werbeumfeld daher sicherlich nicht in Frage. "Food Produkte sind aufgrund des hohen Ekelfaktors der Dschungelprüfungen problematisch", meint Keßner: "Auch wenn sich der werbliche Super-GAU aus der Frühzeit des Privat TVs, als im Spielfilm 'Der Exorzist' unmittelbar nach der Szene, in der grüne Galle eine bildfüllende Rolle spielte, ein Spot für eine Erbsensuppe ausgestrahlt wurde, so schnell nicht wiederholen dürfte... "
Die Umfeldqualität
Schlägt die enorme Reichweite von "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus?" im Zweifel alle Gegenargumente, oder spielt das Programmumfeld doch eine Rolle? In diesem Punkt sind sich Experten und Forschung uneins: "Unter qualitativen Aspekten kann ich es nachvollziehen, dieses Umfeld zu meiden, aber stichhaltige Gründe sehe ich nicht", sagt
Anja Stockhausen, Media Director der Mediaagentur
Zenithmedia. Untersuchungen hätten gezeigt, dass eine hohe Aufmerksamkeit für ein Programm auch zu einer besseren Werbeerinnerung führt. "Hinsichtlich des Umfeldinhalts beziehungsweise seiner -qualität aber konnten bisher keine eindeutigen Zusammenhänge festgestellt werden", sagt Stockhausen. "Die Marktanteile des Dschungelcamps sprechen für ein breites Interesse in der Gesamtbevölkerung. Presse und Online haben das Thema aufgegriffen und sorgen für eine breite Präsenz. Für mich alles Gründe, mit meiner Marke dort zu werben."
Nach den Erfahrungen von Mediaplus-Expertin Keßner ist Aufmerksamkeit für Werbekunden aber nicht alles: "Viele Kunden legen zunehmend Wert auf Umfeldqualität, da viele Studien einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Umfeld und Werbewirkung belegen. Allerdings ist das Thema Preis / Leistung für die meisten nach wie vor am wichtigsten."
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Die Jahreszeit
Eine relativ simple Erklärung für die vergleichsweise schwache Auslastung der Werbeblöcke im Umfeld von "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" ist der Zeitpunkt der Ausstrahlung: Nach dem Weihnachtsgeschäft halten sich die Verbraucher beim Geldausgeben zurück, viele Unternehmen gönnen sich zu Jahresbeginn werblich eine kleine Auszeit. "Der Januar ist - trotz bester Reichweiten und einem besonders günstigen Preis-Leistungsverhältnis - traditionell der buchungsschwächste Monat", erklärt TV-Expertin Keßner von Mediaplus: "Viele Kampagnen sind einfach noch nicht am Start."
Der Preis
IP Deutschland zeigt sich auf Anfrage mit der Auslastung von "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" im übrigen zufrieden. Diese habe "voll den Erwartungen entspochen", sagt Unternehmenssprecherin Cordelia Wagner und verweist auf große Kunden wie Opel oder Vodafone. Auch das Umfeld sei absolut anerkannt und kein Grund für viele freie Slots. "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" sei vielen Werbekunden angesichts der hohen absoluten Preise schlicht zu teuer gewesen - zumal der Vermarkter nicht bereit war, die Preise zugunsten einer höheren Auslastung zu senken.
Die Zielgruppe
Ist die Dschungelshow Unterschichtenfernsehen? In diesem Punkt sind sich Vermarkter und Mediaexperten einig: Nein. "Die Analysen zeigen, dass es kein "Proletariatsfernsehen" ist, sondern alle gesellschaftlichen Schichten zuschauen. Nicht zuletzt sicher auch, da die Moderation und die Auswahl der Kandidaten in dieser Staffel ausgesprochen gelungen scheint. Es ist für jeden genügend Humor und Identifikationspotenzial dabei", sagt Zenithmedia-Expertin Stockhausen. Tatsächlich belegt "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus" sowohl bei den höher Gebildeten als auch bei den Einkommenstarken mit einem Haushalts-Nettoeinkommen von über 3500 Euro im Ausstrahlungszeitraum die vorderen Plätze - was angesichts der enormen Gesamtreichweite allerdings auch nicht verwundert.
Trotz Schlangen, Schleim und Schlamm würden die Media-Expertinnen ihren Kunden "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" daher fast uneingeschränkt empfehlen - abgesehen von Food-Produkten (s.o.). "Die Marktanteile nach der zweijährigen Pause sind sensationell und die derzeitige Verfügbarkeit bietet einem quasi Alleinstellung im Werbeblock. Die TKP sind äußerst attraktiv, der Zapp-Faktor vermutlich ausgesprochen gering, da niemand etwas verpassen möchte und die Unterbrecher nicht ausgebucht sind", sagt Zenith-Expertin Stockhausen .
Dass viele Werbekunden dennoch einen großen Bogen um das Format machen, zeigt, dass auch zahlenverliebte Marketer nicht immer nur auf ihren Kopf, sondern zuweilen auch auf ihren Bauch hören. Offenbar sind viele Werbekunden nicht bereit, trotz Top-Reichweiten jede Kröte im Programm zu schlucken.
dh