The Voice vs. Das Supertalent: Kann Nena gegen Dieter Bohlen bestehen?

Die Coaches von "The Voice of Germany"
Die Coaches von "The Voice of Germany"
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Es wird ein Fernduell der besonderen Art: Heute Abend startet bei Pro Sieben die Castingshow "The Voice of Germany". Pro Sieben Sat 1 setzt große Hoffnungen in das neueste Erfolgsformat von Produzentenlegende John de Mol: Die Show wird im Wechsel sowohl bei Pro Sieben als auch bei Sat 1 ausgestrahlt. Selbst RTL traut dem Format offenbar eine Menge zu. Nicht umsonst versuchen die Kölner, den Konkurrenten aus München mit einer Sonderausgabe von "Das Supertalent" den Start der Show zu vermiesen. Drei Gründe, warum "The Voice" trotzdem gegen "Das Supertalent" bestehen kann.

Das Konzept

Die klassische Castingshow läuft stets nach Schema F ab: Eine Reihe mehr oder weniger begabter Kandidaten muss vor den Augen einer mehr oder weniger kompetenten Jury, bestehend aus drei mehr oder weniger Prominenten, antreten. Je nach Perfomance und Talent heben oder senken die Juroren anschließend den Daumen. Vor allem bei den von Jury-Titan Dieter Bohlen geleiteten Shows "Deutschland sucht den Superstar" und "Das Supertalent" hat sich dieser Auswahlprozess zum eigentlichen Dreh- und Angelpunkt der Show entwickelt. Der Kandidat hat Talent? Schön. Der Kandidat hat überhaupt keine erkennbare Begabung außer einen ausgeprägten Drang nach Öffentlichkeit? Umso besser. Immer dann läuft Bohlen zur Hochform auf.

Bei "The Voice of Germany" geht es dagegen laut Pro Sieben und Sat 1 tatsächlich einzig und allein um die stimmlichen Fähigkeiten der Kandidaten. In den sogenannten Blind Auditions sitzt die Jury mit dem Rücken zu den Kandidaten. Dadurch müssen sich die Juroren - Nena, Xavier Naidoo, Reamonn-Sänger Rea Garvey und The Bosshoss - voll auf die Stimme der Kandidaten konzentrieren. Ist eines der Jury-Mitglieder von einem Talent überzeugt, drückt er einen Buzzer und bekommt den Kandidaten zum ersten Mal zu Gesicht. Wollen mehrere Coaches (den Begriff Jury meidet Pro Sieben Sat 1) den Kandidat in ihrem Team, darf dieser sich einen Coach aussuchen. Ein Stück weit dreht "The Voice" den Spieß also sogar um. Klar: Castingshow bleibt Castingshow. Aber das Prinzip von "The Voice" könnte dem Genre durchaus einen neuen Impuls geben. Punkt für Pro Sieben/Sat 1.

Bei den "Blind Auditions" sitzen die Coaches mit dem Rücken zur Bühne
Bei den "Blind Auditions" sitzen die Coaches mit dem Rücken zur Bühne

Die Kandidaten

Das Scheitern gehört zum Prinzip einer jeden Castingshow dazu: Ohne Auswahl kein Casting, ohne Nieten keine Gewinner. Einige Formate jedoch scheinen das Scheitern geradezu zum beherrschenden Prinzip erhoben zu haben, die vermeintlichen Superstars kommen einem manchmal vor, wie ein notwendiger Kollateralschaden. Dass man sich an die meisten Gewinner von "Deutschland sucht den Superstar" nicht einmal mehr erinnert, sagt eigentlich alles.

Auch in dieser Beziehung will "The Voice" einen neuen Standard setzen: Gerade einmal 150 Kandidaten wurden für die Blind Auditions zugelassen. Das gibt Anlass zur Hoffnung, dass der Ausschuss-Anteil geringer ist als bei den üblichen Massencastings. Laut Pro Sieben/Sat 1 kommen die Kandidaten zusammen auf 733 Jahre Bühnenerfahrung und rund 46.000 Auftritte. Ein klarer Punkt für Pro Sieben/Sat 1.

Die Jury

Tja, die Jury. Verzeihung, die Coaches. Was wäre "Deutschland sucht den Superstar" und "Das Supertalent" ohne Dieter Bohlen? Na gut, Sylvie van der Vaart ist sicherlich schöner anzuschauen als der Pop-Titan, aber seien wir ehrlich: Bohlen ist mit seinen markigen Sprüchen der Erfolgsgarant der beiden RTL-Shows. Dass Kompetenz nicht alles ist, sieht man an der Vox-Castingshow "X Factor". Mit Sarah Connor, Til Brönner und Das Bo hat auch Vox eine respektable Jury zusammenbekommen, die sich stets bemüht, fair und sachlich mit den Kandidaten umzugehen. Allein: Nach den soliden Quoten der ersten Staffel dümpelt die zweite Auflage derzeit recht unspektakulär ihrem Ende entgegen. Womöglich fehlt "X Factor" dann doch die Anziehungskraft eines prominenten und auch mal unbequemen Vorturners.

Für "The Voice of Germany" konnten Pro Sieben und Sat 1 drei ganz große Namen des deutschen Musik-Business gewinnen: Nena, die ewig junge Pop-Prinzessin, Soul-Philosoph Xavier Naidoo und der kantige, irische Reamonn-Sänger Rea Garvey. Komplettiert wird die Jury durch die Country-Rocker von The Bosshoss, die bislang wohl nur Fans der Band ein Begriff sind. 

Nena ist als Aushängeschild und Sympathieträgerin sicherlich ein Volltreffer für das Format. Der bodenständige Rea Garvey könnte sich zu einem weiteren Sympathieträger der Show mausern, während sich an dem stets etwas abgehoben wirkenden Xavier Naidoo sicherlich die Geister scheiden. The Bosshoss sind die größte Unbekannte in der Jury, haben sich aber offenbar vorgenommen, mit markigen Kommentaren eigene Akzente zu setzen.

Sehr viel wird für "The Voice" davon abhängen, wie die Jury beim Publikum ankommt. Als Sängerin ist Nena über alle Zweifel erhaben - ob sie allerdings auch die nötigen Entertainerqualitäten für eine TV-Show mitbringt, muss sie erst noch unter Beweis stellen. Der Kampf der Castingshows wird auch über seine prominenten Köpfe entschieden. Heute Abend heißt es daher auch: Dieter Bohlen gegen Nena. Tendenziell: Punkt für RTL. Mögen die Spiele beginnen. dh

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