Pleitewelle bei Dotcom-Unternehmen hält an

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Pleitekandidaten, Todeslisten, Übernahmen: Über Nacht sind E-Commerce und Internet zum Synonym für geschäftliches Risiko und Verluste geworden. Das Klima wird vor allem bestimmt durch Spekulationen. Jüngsten Gerüchten zufolge steht der amerikanische Web-Händler Homewarehouse.com kurz vor dem Aus. Als Käufer wird der Internetzweig des Handelsgiganten Wal-Mart gehandelt. Dies ist nicht das einzige Warnzeichen: Seit Februar sind in den USA 19 Dotcom-Firmen pleite gegangen. Dies könnte bald auch in Deutschland passieren. Am Neuen Markt stehen die Internetunternehmen seit vergangenem Freitag massiv unter Druck. Anlass dafür ist eine Liste des "Platow-Briefs". Der Wirtschafts-Newsletter prophezeite das Aus für acht große deutsche Internet-Unternehmen. Seine Liste der Todeskandidaten nimmt sich eine Studie der Wirtschaftsprüfer von Pricewaterhouse Coopers (PwC) zum Vorbild, die allerdings keine konkreten Namen nennt. Die Platow-Analysten klopften die am Neuen Markt gehandelten Internetfirmen auf ihre Finanzkraft ab: Am stärksten vom Konkurs bedroht sei demnach der Online-Dienstleister Gigabell. Andere angebliche Pleite-Kandidaten wehren sich: Buch.de, Achter der Liste, konnte mit einem sofortigen Dementi zu finanziellen Engpässen das Ruder herumwerfen und schaffte bis Börsenschluss sogar noch den Sprung unter die Tagesgewinner. "Buch.de verfügt nach dem Quartalsbericht vom ersten Quartal über eine Liquidität von rund 30,5 Millionen Mark und nicht wie angegeben über eine Liquidität von 5,5 Millionen Mark", kommentiert Buch.de-Vorstand Michael Urban. "Damit gehört Buch.de nicht zu den Wackelkandidaten." Die rote Liste haben zu Kursstürzen nicht nur bei den Listenkandidaten geführt: Auch andere nicht genannte Internetunternehmen bekamen die Ängste der Anleger zu spüren. "Wir sind zwar nicht erwähnt bei Platow, aber durch die PwC-Studie sind wir quasi in Sippenhaft genommen worden", moniert Julia Hofmann, Pressesprecherin von Buecher.de. "Der Einbruch unseres Kurses geht ganz klar einher mit der Veröffentlichung der Liste." Matthias Quaritsch, Pressesprecher von Ricardo.de, sieht sein Unternehmen auf dem richtigen Kurs: "Realistisch betrachtet haben eine ganze Reihe von Internetunternehmen glänzende Zukunftsaussichten. Allerdings: Was uns beim Start zuviel an Optimismus entgegengebracht wurde, schlägt jetzt in ein Zuviel an Pessimismus um." Auf keinen Fall will das Onlineauktionshaus seine Bilanz durch Einsparungen im Werbeetat in die Erfolgszone bringen: "Wir verfügen über eine ausreichende Liquidität bis zum Erreichende des Breakeven am Ende des Geschäftsjahres 2000/01", kommentiert Quaritsch. Auch Christian Nolterieke von Forit Internet Business Research hält es für sehr fraglich, aus Liquiditätsproblemen eine Todesliste abzuleiten: "Nach dem Hype um die Internet-Start-ups überraschen mich diese negativen Nachrichten nicht. Aber für ein junges Unternehmen muss es nicht unbedingt schlecht sein, keine hohe Liquidität zu haben, wenn man ein langfristiges Konzept verfolgt." André Jä-ckel, Internetspezialist bei der BHF, Frankfurt, sieht allerdings einen Vorteil der roten Liste: "Ob sinnvoll oder nicht, in jedem Fall wird sie zu einer Bereinigung des Marktes beitragen." Überleben werden, da sind sich die Analysten einig, vor allem die Unternehmen, die ein tragfähiges, überzeugendes Konzept vorweisen können. Doch das, so meint Jäckel, hätten nur rund 3 bis 5 Prozent der Internetunternehmen.



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